Am Samstag waren die Gespräche zwischen der Athener Regierung und ihren Geldgebern gescheitert. Damit erhält Griechenland vorerst keine weiteren Finanzhilfen. "Mit dieser Entwicklung hatte der Markt nicht gerechnet", sagte Aktienstratege Tobias Basse von der NordLB. "Sie erwischt die Anleger auf dem falschen Fuß." Dem Mittelmeer-Anrainer droht binnen Tagen die Zahlungsunfähigkeit, weil unklar ist, ob er eine 1,6 Milliarden Euro schwere Kreditrate an der Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen kann.
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BÖRSIANER - EURO-ANLEGER WERDEN ABWARTEN
Die Zuspitzung der Griechenland-Krise werde auch den Börsen Italiens und Spaniens zusetzen, warnte Niall Delventhal, Analyst des Brokerhauses FXCM. "Die Sorgen vor einem Domino-Effekt nehmen zu." NordLB-Experte Basse mahnte jedoch zur Besonnenheit. "Ich halte die Angst für unbegründet. Die EZB wird alles dafür tun, ein Überschwappen der Krise zu verhindern." Delventhal zufolge müssen sich Anleger am Anleihenmarkt dennoch auf größere Kursausschläge einstellen. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die EZB Turbulenzen toleriert." Die Notenbank hatte während des Kurssturzes am Bond-Markt Ende Mai und Anfang Juni nicht mit verstärkten Käufen dagegengehalten.
Beim Euro seien dagegen keine größeren Bewegungen zu erwarten, sagte Sarah Brylewski, Finanzmarkt-Expertin des Brokerhauses Ayondo. Bis zu dem Referendum über die Bedingungen der Geldgeber für weitere Finanzhilfen am kommenden Wochenende werde der Kurs der Gemeinschaftswährung voraussichtlich in seiner aktuellen Handelsspanne bleiben. In den vergangenen Tagen schwankte der Euro zwischen 1,11 und 1,13 Dollar.
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EZB HÄLT GRIECHENLAND STROHHALM HIN
"EZB-Chef Mario Draghi ist nun der entscheidende Mann", betonte Marktanalyst Giuseppe Amato vom Brokerhaus Lang & Schwarz. "Die Notenbank wird die griechischen Geschäftsbanken voraussichtlich bis zum Referendum kommende Woche mit Notfall-Krediten über Wasser halten. Wenn sie das nicht macht, ist das Spiel zu Ende." Am Sonntag verlängerte die EZB die sogenannten ELA-Hilfen, beließ das Volumen aber unverändert.
Um die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen wird Griechenland nach Einschätzung von Amato, Basse und Brylewski nicht herumkommen - unabhängig von der Entscheidung der EZB. "Denn die große Frage ist: Gibt es überhaupt genug Bargeld in Griechenland?", sagte Amato. "Einen Run auf die Banken haben wir ja schon in den letzten Tagen gesehen." Dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis zufolge denkt die Athener Regierung bereits über eine Begrenzung des Geldverkehrs nach. Möglich sei auch eine Schließung der heimischen Banken, sagte er dem britischen TV-Sender BBC.
Reuters