Nach einem fulminanten Jahresauftaktquartal für Börsengänge in Frankfurt haben weitere Debütanten den Sprung aufs Parkett geschafft. Darunter waren allein in dieser Woche der E-Bike-Zulieferer Hgears und der Linux-Softwareanbieter Suse. Mit einem Emissionsvolumen von 1,1 Milliarden Euro gelang Suse der drittgrößte Börsengang des Jahres in Frankfurt, nach dem Funkturmbetreiber Vantage Towers (2,3 Milliarden) und dem Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 (1,8 Milliarden).
Doch der Suse-Handelsstart am Mittwoch verlief schleppend: Die Aktie rutschte zunächst deutlich unter den Ausgabepreis von 30 Euro, bevor sie auf dem Niveau von 30 Euro aus dem Handel ging. Marktteilnehmer sahen das als weiteres Indiz dafür, dass der Markt für Initial Public Offerings (IPOs) mittlerweile in einer deutlich angespannten Verfassung ist. Ähnlichen Gegenwind hatte zuvor der rheinische Pharmahersteller Avontis verspürt.
Wegen der starken Schwankungen am Aktienmarkt hatte der Internet-Autohändler Meinauto seinen Börsengang in der Vorwoche sogar vorerst abgeblasen. Europas größte Laborkette, Synlab, wiederum hatte das Emissionsvolumen deutlich gekürzt und die Aktien am unteren Ende der Preisspanne ausgegeben. Der Schwarzwälder Getriebehersteller Hgears wollte an diesem Freitag (21.5.) sein Börsendebüt geben (Volumen: 173 Millionen Euro). Rund ein Drittel des Hgears-Umsatzes von 126 Millionen Euro entfällt mittlerweile auf Elektromobilität. Das Unternehmen stellt Zahnräder und Antriebswellen für Elektrofahrräder und E-Autos her. Mittelfristig soll sich der Umsatz auf 250 Millionen Euro verdoppeln, 60 Prozent davon sollen dann auf Teile für E-Autos und E-Bikes entfallen.
Ende der IPO-Flut?
Inflationssorgen und Spekulationen über Zinserhöhungen durch die Notenbanken haben in den vergangenen Tagen für starke Schwankungen an den Aktienmärkten gesorgt. So verlor der DAX am Mittwoch, dem Tag des Suse-Börsenstarts, rund 1,8 Prozent, nachdem er tags zuvor noch ein Rekordhoch markiert hatte. Für Börsengänge ist ein derart labiles Marktumfeld schlecht. Dauert die Achterbahnfahrt an, könnte das weitere Börsenstarts gefährden oder sogar zu einer Trendwende am IPO-Markt führen. Noch ist die Pipeline an Börsengängen gut gefüllt, und europaweit stehen zahlreiche aussichtsreiche Transaktionen am Start.
Angesichts der großen Auswahl werden allerdings auch die Investoren immer wählerischer. Nach Einschätzung aus Finanzkreisen zeigen sich Investoren angesichts der IPO-Flut auch zunehmend ausgepowert. Dass der Markt so oder so mal eine Pause brauche, sei inzwischen häufiger zu hören.
EY-Experte Martin Steinbach sieht das Sentiment für Börsengänge aber weiterhin grundsätzlich positiv. "Weltweit ist die Zahl der Börsengänge in diesem Jahr bis Ende April um 108 Prozent auf 598 angestiegen. Dabei wurden 129 Milliarden Dollar eingesammelt - ein Anstieg um über 318 Prozent", erläutert Steinbach gegenüber €uro am Sonntag. "Viele weitere Börsenkandidaten sind in den Startlöchern und warten auf den richtigen Zeitpunkt, der sich an der kurzen Frist und den Volatilitäts- und Bewertungsniveaus der Kapitalmärkte orientiert. Gut vorbereitete Unternehmen haben den Vorteil, von sich schnell öffnenden IPO-Fenstern zu profitieren. Wir rechnen unverändert mit zwölf bis 16 Börsengängen im laufenden Jahr."
Auch Börsenneuling Suse ließ sich bei der Premiere durch die Turbulenzen nicht irritieren. Firmenchefin Melissa Di Donato sagte, der Börsengang sei ein "historischer Tag für Suse". Dem 1992 gegründeten Unternehmen fließen dabei mehr als eine halbe Milliarde Euro zu, die in den Abbau der rund 1,2 Milliarden Euro hohen Schulden gehen sollen. Der Suse-Eigentümer EQT reduziert seine Beteiligung, hält aber immer noch drei Viertel der Anteile und erhält durch den Börsengang bis zu 570 Millionen Euro.