Springer Nature war keineswegs ein Einzelfall. In der Schweiz scheiterten die milliardenschweren Initial Public Offerings (IPO) des Flugzeugabfertigers Swissport und der Bordverpflegungsfirma Gategroup, in Amsterdam begrub der Mineralkonzern Varo Energy seine Börsenpläne.

"Der Markt ist übersättigt", konstatiert ein mit dem Springer-Nature-Börsengang vertrauter Investmentbanker. So viele Unternehmen wie kaum zuvor streben an die Börse, die Anleger haben genug Auswahl, bei wem sie zugreifen. "Die Investoren verlangen höhere Abschläge, um zu zeichnen, doch die Verkäufer sind dazu nicht bereit." So war es beispielsweise bei Springer Nature. Nach Reuters-Daten wurden in Europa in diesem Jahr mindestens 14 Börsengänge abgesagt.

Mehr als 50 Unternehmen schafften es aufs Parkett, doch viele machten keine großen Sprünge. Die Kurse der seit Jahresbeginn in Europa an die Börse gegangenen Unternehmen stiegen Investmentbankern zufolge im Schnitt um zwei Prozent - bei vielen notieren die Aktien sogar deutlich unter dem Ausgabepreis. Im Vorjahreszeitraum hätten sich Anleger dagegen im Schnitt noch über Gewinne von 20 Prozent freuen können. Neben den aus Sicht von Anlegern ehrgeizigen Preisvorstellungen ist dafür auch die allgemeine Entwicklung an den Aktienmärkten verantwortlich. Der Eurostoxx 600, der die Kursentwicklung der 600 größten europäischen Unternehmen widerspiegelt, ist seit Jahresbeginn nur um 0,6 Prozent gestiegen.

"Der Markt ist aber weiterhin offen für hochwertige Unternehmen, wie der erfolgreiche Börsengang von Siemens Healthineers zeigt", sagt Stanger. Mit einem Emissionsvolumen von 4,2 Milliarden Euro war die Medizintechniktochter der bislang größte Börsengang in Europa in diesem Jahr. Die Aktien notieren aktuell mit gut 33 Euro rund 18 Prozent über dem Ausgabepreis von 28 Euro.

Dagegen waren die anderen sechs Neulinge im streng regulierten Prime Standard der Frankfurter Börse für die Investoren meist eine Enttäuschung. Die Deutsche Bank erlöste mit dem Börsengang ihrer Tochter DWS nur 1,3 Milliarden Euro und damit deutlich weniger als erhofft. Die DWS-Aktie hat sich zwar wieder etwas berappelt, notiert mit 32,29 Euro aber immer noch unter dem Ausgabepreis von 32,50 Euro. Auch die Papiere der Immobilienfirmen Godewind und Instone sowie der Arzneifirma Dermapharm kosten weniger als beim Börsendebüt.

Unter den Unternehmen, die schon länger notiert sind, schaffte neben Healthineers nur die Softwarefirma Serviceware Kursgewinne. Die Aktien des Cloud-Telefonieanbieters Nfon legten beim Börsendebüt am Freitag um elf Prozent zu auf 13,39 Euro. Die Papiere waren nahe dem unteren Ende der gesenkten Preisspanne untergebracht worden.

"INVESTOREN SCHAUEN UNTER DIE HAUBE"



Die Senkung der Preisspanne um rund ein Viertel sei zwar schmerzhaft gewesen, aber ohne die Zugeständnisse an die Investoren wäre der Nfon-Börsengang wohl gescheitert, sagt ein Investmentbanker. "Investoren unterziehen Börsengänge einer strengen Prüfung, sie treten gegen die Reifen und schauen unter die Haube", sagt Craig Coben von der Bank of America. "Anleger wollen sichergehen, dass die Bewertungen attraktiv genug sind, um eine nachhaltige Entwicklung nach der Platzierung sicherzustellen."

Bei allen Moll-Tönen: Dank der Milliardenemissionen von DWS und Healthineers war 2018 bislang eines der stärksten Jahre für Börsengänge in Deutschland, mit dem Fahrzeugzulieferer Knorr-Bremse steht ein weiterer milliardenschwerer Kandidat in den Startlöchern. Listing-Experte Martin Steinbach von der Unternehmensberatung EY erwartet weiterhin 13 bis 18 Börsengänge in Deutschland in diesem Jahr. Mehr waren es zuletzt nur 2007: Vor der aufziehenden Finanzkrise hatten 44 Firmen aus Deutschland den Sprung geschafft, ehe der Markt wegen der Finanzkrise für Jahre zusammenbrach.

"Der Anlagedruck der Investoren ist infolge der niedrigen Zinsen nach wie vor hoch, die Konjunktur läut gut", sagt Steinbach. Zumindest für Deutschland könne man nicht von einem Überangebot sprechen - ganz im Gegenteil. "Deutschland hat Nachholbedarf", sagt Steinbach. Europas größte Volkswirtschaft vertrage 40 Börsengänge im Jahr. Die durchwachsene Bilanz der Börsenneulinge dürfe man nicht überbewerten. "Erst nach rund einem Jahr kann man bewerten, ob ein Unternehmen die beim Börsengang gegebenen Versprechungen erfüllt hat."