Warum die Nobelautobauer Lamborghini und Bentley im neuen Jahr Porsches wegweisendem IPO folgen dürften und Spin-offs den IPO-Markt anschieben werden. Die Aussichten für Börsengänger 2023. Von Klaus Schachinger
Es ist ein Kräftemessen im obersten Segment der Luxussportwagen, das auch Anleger beeindrucken soll. Vor Kurzem zog Lamborghini mit fast 30 Prozent Rendite an Ferrari vorbei. Die hohe Profitabilität der Sportwagenikone aus dem italienischen Maranello war bisher der Maßstab im Luxussegment, genauso wie beim Börsenerfolg: Seit dem Debüt 2015 hat sich Ferraris Börsenwert vervierfacht. Die Luxusflitzer und die Aktie sind begehrt.
Unter der Regie von VW-Chef Oliver Blume werden nun auch bei der Konzerntochter Automobili Lamborghini, gegründet 1963 in Sant’Agata Bolognese in der Provinz Bologna, Pläne für ein IPO im kommenden Jahr geschmiedet: „Ein Börsengang ist notwendig, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wie solide wir sind und wie sehr wir an die Zukunft glauben“, sagt Stephan Winkelmann, Chef des Ferrari-Konkurrenten.
Die Neun-Monats-Bilanz lieferte eine gute Vorlage für die Börsenpläne. Lamborghini setzte mit 7430 Fahrzeugen 1,93 Milliarden Euro um, gut 30 Prozent mehr als im Vorjahr. 4834 Urus-SUVs wurden ihren Besitzern übergeben, zwei Drittel der Auslieferungen. SUVs sind sehr profitabel. Ihr Anteil an den Auslieferungen dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass der operative Gewinn (Ebita) deutlicher stärker als der Erlös zulegte, nämlich um 68 Prozent auf 570 Millionen Euro. Die Marge lag mit 29,6 Prozent über der des bisherigen Leaders Ferrari.
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Porsche war nur der Anfang
Sportwagen und Autos im Luxussegment bleiben begehrt. Obwohl die Inflation, höhere Energiekosten und Sorgen vor einem Wirtschaftsabschwung viele umtreiben, schmälert das die Kauflust der gut betuchten Klientel bei Luxus mit Prestige nicht im Geringsten. Lamborghinis Aventador mit dem V12-Verbrennertriebwerk ist seit November ausverkauft. Mit limitierten Countach-Modellen für 2,25 Millionen Euro pro Stück und dem Urus dürfte Lamborghini in diesem Jahr insgesamt 28,5 Prozent operative Marge schaffen.
Bei Ferrari werden 24,9 Prozent erwartet. Der Nachfolger der Aventador-Baureihe soll in den ersten Monaten des neuen Jahres vorgestellt werden. Ein Elektrohybrid soll den beliebten Zwölfzylinder ersetzen, das legendäre Röhren des Motors aber bleiben. Wie das gelingt, dürfte Lambo-Fans besonders interessieren. Elektromobilität sollte sich für die Sportwagenikone lohnen.
Bloombergs Analysten trauen Lamborghini ab 2025 mehr als 38 Prozent operative Marge zu. Der Wert des Konzerns wird auf zehn bis 15 Milliarden Euro geschätzt. Ferrari liegt bei 36,7 Milliarden, Porsche bei 85,9 Milliarden Euro. Die Aktien des DAX-Aufsteigers Porsche haben seit dem Debüt im September um rund 14 Prozent zugelegt.
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Optionen für Bentley und Maserati
Bestärkt durch Porsches Börsenerfolg dürfte Volkswagen 2023 auch Bentley aufs Parkett schicken. Die operative Rendite der Luxusautomarke von 23,1 Prozent zwischen Januar und September ist die zweithöchste im Konzern nach Lamborghini. Der britische Autobauer wird auf 17 Milliarden Euro geschätzt. Auch VW-Konkurrent Stellantis mit Peugeot und FiatChrysler unter seinem Dach prüft ein IPO — das von Maserati. Die Luxussportwagen-Marke könnte eines Tages „auf eigenen Beinen stehen“, sagte Stellantis-Finanzchef Richard Palmer.
Dass Luxusautos auf dem Parkett keine Selbstläufer sind, zeigt Aston Martin. Der von James Bond bevorzugte britische Sportwagenbauer büßte seit dem IPO 2018 mehr als 95 Prozent des Börsenwerts ein. Porsche hingegen war einer der wenigen Lichtblicke im schwachen IPO-Jahr 2022. Das globale Volumen der Börsendebüts seit Januar liegt bei 160,2 Milliarden Dollar. Im Rekordjahr 2021 waren es 604 Milliarden. In den USA schrumpfte das Volumen gegenüber dem Vorjahr um gut 93 Prozent, in Europa um rund 83 Prozent. Viele Kandidaten, auch Thyssenkrupps Wasserstofftochter Nucera, haben ihren Börsengang verschoben.
Für Banken war das IPO-Jahr bitter, Anlegern lieferte es dennoch attraktive Investments. Leser des IPO-Radars von €uro am Sonntag wissen das. Die Tabelle auf Seite 30 zeigt lohnende Investments. Ob das neue IPO-Jahr schon wegen des Vergleichs mit dem sehr schwachen 2022 besser wird, ist nicht ausgemacht. Das Umfeld bleibt schwierig. „Wir gehen davon aus, dass sich der IPO-Markt erst in der zweiten Hälfte des Jahres erholen wird“, sagt Henrik Johnsson, Co-Chef des globalen Kapitalmarktgeschäfts der Deutschen Bank.
Im gegenwärtigen Umfeld begehrt bleiben dürften hingegen Debüts von Geschäftsbereichen, die aus Firmenverbünden gelöst werden, um als Spin-offs gelistet zu werden. Im Gegensatz zum klassischen IPO fließen dem Mutterkonzern dabei keine finanziellen Mittel zu. Auch die Werbetour bei möglichen Zeichnern entfällt. Die Aktien des Spin-offs werden den bisherigen Anteilseignern in die Depots gebucht. Die Marktstimmung beeinflusst die Erstnotierung deshalb weniger als bei einem IPO.
Achtung: Diese Aktien sollten Sie besser verkaufen.
IPOs 2023: Welle von Spin-Offs erwartet
Bei zahlreichen US-Schwergewichten laufen die Vorbereitungen für Spin-offs auf Hochtouren, so bei den Industriekonglomeraten General Electric (GE), Danaher und 3M, beim Pharmariesen Johnson & Johnson und beim Frühstücksflocken-Konzern Kellogg.Anleger sollten sich diese Unternehmen notieren. Spin-offs ausländischer Unternehmen werden in Deutschland als Sonderdividende gewertet und besteuert. Der Einstieg lohnt sich deshalb erst nach dem Börsendebüt.
Bereits am 4. Januar werden die Aktien von General Electric Healthcare erstmals gehandelt. Der Hersteller von Magnetresonanztomografen (MRT) und Konkurrent von Siemens Healthcare erlöste 2021 mit 18 Milliarden Dollar knapp ein Viertel des Gesamtumsatzes von GE. Das nächste GE-Spin-off soll Anfang 2024 folgen mit der Sparte für Gas- und Windturbinen sowie Software zur Industrie-Automatisierung, Stichwort Industrie 4.0. Aktuell erlöst diese Einheit etwas mehr als 40 Prozent des Gesamtumsatzes. Die neue General Electric ist dann ein Entwickler von Flugzeug-Triebwerken einschließlich der Wartungssparte.
In der Schweiz plant der Pharmariese Novartis die Abspaltung von Sandoz. Die Generikasparte lieferte fast ein Fünftel von umgerechnet knapp 49 Milliarden Euro Umsatz für 2021. Sandoz’ Börsenwert wird auf 39 Milliarden Euro geschätzt. €uro am Sonntag wird im wöchentlichen IPO-Radar über die Entwicklungen bei den Spin-offs und den regulären Börsengängen berichten.
Begehrt dürften auch die Debüts vom US-Lebensmittelliefer- und Abholdienst Instacart und des britischen Chiparchitektur-Entwicklers ARM Holdings sein. ARMs Technologie ist der globale Standard für Energieeffizienz in mobilen Geräten wie Smartphones und Tablets und künftig wohl auch in allen digital vernetzen Geräten darüber hinaus.
Hierzulande treibt Ralph Dommermuth, Gründer und Chef des Telekom- und Internetdienstleisters United Internet (UI), das IPO der Webhosting-Tochter Ionos voran. In einem besseren Umfeld könnte sich auch Thyssenkrupp Nucera, Entwickler großer Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff, aufs Parkett wagen. Im Geschäftsjahr bis Ende September hatten die Dortmunder den Umsatz um ein Fünftel auf 383 Millionen Euro erhöht. Der Markt für Elektrolyse, der für Nucera besonders interessant ist, soll in zehn Jahren auf 40 Milliarden Euro zulegen.
Dieser Artikel erschien zuerst in €uro am Sonntag 52/2022. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.