Für die Musikindustrie war es ein Albtraum: Massenhaft saugten Konsumenten über illegale Adressen Lieder und komplette Alben aus dem Internet, ohne dafür zu bezahlen. Innerhalb eines Jahrzehnts verlor die Branche mehr als ein Drittel ihres Umsatzes.
Len Blavatnik, ein amerikanischer Geschäftsmann mit ukrainischen Wurzeln, investierte trotzdem: Für 3,3 Milliarden Dollar kaufte er im Jahr 2011 Warner Music, den drittgrößten Musikkonzern der Welt. Was damals nur wenige realisierten: Die Branche stand am Beginn einer neuen Revolution - und eines spektakulären Comebacks.
In jenem Jahr, in dem Blavatnik kaufte, setzte die Musikindustrie weltweit knapp 15 Milliarden Dollar um, im letzten Jahr waren es mehr als 20 Milliarden. Über die vergangenen fünf Jahre ist der Umsatz um durchschnittlich neun Prozent im Jahr gewachsen - deutlich stärker als die Weltwirtschaft.
Auch Warner Music profitiert von dem Boom: Seit 2015 hat der Konzern seinen Umsatz um 50 Prozent gesteigert. Geholfen haben Stars wie der britische Popsänger Ed Sheeran, US-Rapperin Cardi B und R & B-Künstler Bruno Mars. Blavatnik nutzt den Erfolg: In der vergangenen Woche platzierte er einen Teil seiner Aktien an der Börse. Jetzt wird Warner Music dort auf mehr als 15 Milliarden Dollar taxiert. Blavatnik hat sein Investment also mehr als vervierfacht.
Erst Zerstörer, dann Erlöser
Musik ist plötzlich wieder ein Hit: Das Internet, zunächst der Zerstörer, ist zum Erlöser geworden. Auch die rasant wachsende Verbreitung von Smartphones kurbelt das Geschäft an, weil Geräte wie das iPhone auch mobile Musikspieler sind. Fast zwei Drittel ihrer Umsätze erzielt die Branche inzwischen digital. Vor allem Streaming bringt Geld in die Kasse. Dienste wie Spotify, Apple, Amazon oder auch Tencent bieten Musik als Abo. Kunden kaufen nicht mehr einzelne Lieder oder Alben, sondern bekommen gegen Gebühr Zugang zur gesamten Bibliothek des Anbieters. Bezahlt wird entweder ein Monatsbeitrag, der in etwa so viel kostet wie ein Album, oder man lässt Werbespots über sich ergehen. Im April hat Warner einen neuen Lizenzvertrag mit Spotify geschlossen. Die Plattform ist inzwischen der wichtigste Kunde des Konzerns. Im vergangenen Geschäftsjahr steuerte Spotify 14 Prozent des Gesamtumsatzes von Warner bei. Apple folgt mit einem Umsatzanteil von 13 Prozent knapp dahinter.
Das Geschäft mit physischen Tonträgern schrumpft nur noch leicht: Enthusiasten kaufen Alben in Vinyl; diejenigen, die noch einen CD-Player besitzen, schaffen Nachfrage nach den Silberscheiben. Das Wachstum aber wird auch künftig aus dem Internet kommen. Der Branchenverband IFPI kalkuliert, dass die Zahl der Abonnenten bei Streamingdiensten im vergangenen Jahr um 34 Prozent auf 341 Millionen gestiegen ist. Der Finanzdienst Bloomberg kalkuliert, dass sich die Einnahmen aus diesem Geschäftsbereich bis zum Jahr 2025 verdoppeln können.
Analysten sehen weiter Wachstumspotenzial vor allem in China. Dort hatten im vorvergangenen Jahr erst zwei Prozent der Bevölkerung ein Abo bei einem Musikdienst, argumentiert Warner. Die Analysten der Schweizer Bank UBS sehen Musik als eine langfristige, strukturelle Wachstumsstory.
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Das Virus gibt den Ton an
Corona trifft auch die Musik. Konzerte werden abgesagt, Künstler verschieben Neuveröffentlichungen. Der Verkauf physischer Tonträger geht zurück, weil weniger Leute in die Läden kommen. Krisenfest ist dagegen das margenstarke Streaming-Geschäft. Warners Umsatz schrumpfte im April um zwölf Prozent. Analysten kalkulieren, dass der Umsatz 2020 in etwa auf Vorjahresniveau und der Konzern profitabel bleibt. Schwächere Tage der Aktie bieten Kaufgelegenheiten.