Von einem Rekordhoch zum nächsten ist der europäische Aktienmarkt 2021 geklettert. Seit Jahresanfang hat der Stoxx Europe 600 Index knapp 20 Prozent zugelegt. Viele Anleger fragen sich, ob der Höhenflug im neuen Jahr weitergehen kann. Schließlich gibt es etliche Unsicherheiten für die Konjunktur, gerade was den Export betrifft.
So dämpft die hohe Inflation das Wachstum der US-Wirtschaft, während gleichzeitig die US-Notenbank Fed mit dem Auslaufen des Anleihekaufprogramms im März 2022 kräftig bremst. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Risiken durch die Omikron-Variante ist der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone, den die englische Researchfirma IHS Markit veröffentlicht, im Dezember auf 53,4 Punkte eingebrochen und signalisiert damit eine starke Abkühlung des Wirtschaftswachstums. Zudem will die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihekäufe ab dem zweiten Quartal 2022 schrittweise drosseln. EZB-Chefin Christine Lagarde will die Konjunktur aber nicht bremsen, zumal sich der französische Ministerpräsident Emmanuel Macron im April zur Wiederwahl stellen wird. In einem konjunkturell und damit börsentechnisch etwas unsicheren Umfeld setzen Investoren üblicherweise auf Qualitätsaktien wie aus dem MSCI Europe Quality Index. Die in ihm enthaltenen Unternehmen überzeugen mit gutem Gewinnwachstum und niedriger Verschuldung.
Zu den Schwergewichten aus dem Index zählen Roche, Novo Nordisk, Nestlé und ASML Holding, einer der kleineren Werte ist AXA. Der Schweizer Pharmariese Roche hat nach der Vorlage guter Neunmonatszahlen die Umsatzprognose für 2021 erhöht, zumal die Nachfrage nach Corona-Tests stark war. Vorstandschef Severin Schwan erwartet für das Gesamtjahr ein währungsbereinigtes Erlösplus im mittleren einstelligen Prozentbereich. In den nächsten Jahren soll die Einführung neuer Produkte das Wachstum ankurbeln, etwa des Alzheimerpräparats Gantenerumab nach einer möglichen Genehmigung durch die US-Arzneimittelbehörde FDA. Zuletzt hat der Konzern einen 33-Prozent-Anteil an Roche-Aktien von seinem heimischen Wettbewerber Novartis für 19 Milliarden Schweizer Franken zurückgekauft. Der Deal gibt Roche mehr strategische Flexibilität.
Der dänische Diabetesspezialist Novo Nordisk meldete zuletzt eine starke Nachfrage nach seinem Präparat Wegovy gegen Übergewicht. Vorstandschef Lars Fruergaard Jørgensen überlegt daher, den Ausblick für den Bereich anzuheben. Zuletzt hatte der Firmenlenker gesagt, dass die Umsätze in dem Segment bis 2025 auf rund 1,8 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt werden sollen gegenüber 2019. Zudem übernimmt das Unternehmen die US-Biotechfirma und den bisherigen Partner Dicerna Pharmaceuticals für 3,3 Milliarden Dollar, um Zugang zur RNA-Technologie zu bekommen und damit neue Medikamente entwickeln zu können. Nestlé ist unterdessen einer der Nahrungsmittelhersteller, der mit den steigenden Agrarpreisen gut zurechtkommen dürfte. Die Schweizer können diese aufgrund ihrer beliebten Marken gut an die Kunden weitergeben. Vorstandschef Mark Schneider will vom durch die Pandemie veränderten Einkaufsverhalten profitieren und den Anteil der Online-Umsätze bis 2025 auf 25 Prozent der Konzernerlöse steigern, gegenüber 13 Prozent für 2020. Dazu sollen die Ausgaben für digitale Werbung und die IT-Investitionen aufgestockt werden.
Heiß begehrte Maschinen
Von der Knappheit bei Halbleitern und der steigenden Nachfrage sollte ASML profitieren. Der niederländische Zulieferer für die Chipindustrie hat zwar aufgrund des Materialmangels für das laufende Quartal einen Umsatz prognostiziert, der unter den Schätzungen der Analysten lag. Allerdings hat der Konzern seine Umsatzprognose für 2025 auf 24 bis 30 Milliarden Euro kräftig angehoben, gegenüber 15 bis 24 Milliarden Euro zuvor. Zudem soll die Bruttomarge dann stattliche 54 bis 56 Prozent erreichen.
Beim französischen Versicherungskonzern AXA floriert das Geschäft ebenfalls - bei Lebensversicherungen und Sparprodukten ebenso wie bei Schadens- und Unfallversicherungen und im Bereich Gesundheit. Zudem hat er eine Solvency-II-Kapitalquote von stattlichen 214 Prozent. Sie spiegelt die Kapitalstärke eines Versicherers wider. Der Konzern startete zuletzt ein Aktienrückkaufprogramm von bis zu 1,7 Milliarden Euro und kündigte an, 2022 ein weiteres von 0,5 Milliarden Euro auflegen zu wollen.
In einem unsicheren Konjunkturumfeld sollten Investoren zudem Growth-Aktien bevorzugen, nach dem Motto: Je schwächer das Wirtschaftswachstum ist, umso mehr sollten Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz, gefragt sein. Zu ihnen gehören die beiden französischen Unternehmen Air Liquide und Schneider Electric. Der Industriegasehersteller Air Liquide hat im dritten Quartal den Umsatz um 17,2 Prozent gesteigert. Der Konzern verspürt eine starke Nachfrage aus der Elektronikindustrie, etwa nach Gasen in Halbleitern. Wegen der Pandemie sind außerdem medizinischer Sauerstoff und Atemdruckluft für Krankenhäuser gefragt. Die Firma hat zudem zahlreiche Partnerschaften geschlossen, unter anderem mit dem Öl- und Gasmulti Totalenergies, um am Wachstum des Wasserstoffmarktes und an der Energiewende zu partizipieren.
Schneider Electric ist in den Bereichen elektrische Energieverteilung und industrielle Automatisierung tätig, wobei erstgenannter knapp 80 Prozent der Konzernerlöse liefert. Die Lösungen zur Energieverteilung werden in Krankenhäusern, Logistik- und Rechenzentren oder in Infrastrukturprojekten, etwa bei Netzbetreibern, genutzt.
Der Konzern spürt zwar die höheren Materialkosten. Doch will Vorstandschef Jean-Pascal Tricoire den Umsatz von 2022 bis 2024 organisch, also bereinigt um Währungseffekte und Zukäufe, um durchschnittlich fünf bis acht Prozent pro Jahr steigern. Die bereinigte operative Marge soll jährlich um 0,3 bis 0,7 Prozentpunkte verbessert werden.