Nach der Rekordjagd an den Börsen dürfte in der neuen Woche vorweihnachtliche Ruhe einkehren. "Die Aktienkurse werden bei sinkenden Umsätzen wohl leicht steigen", sagt Anlagestratege Matthias Thiel von MM Warburg. "Dabei kann der Dax durchaus neue Höchststände erklimmen, aber zu großen Kursbewegungen wird es angesichts der wenigen Konjunktur- und Unternehmensdaten wohl nicht kommen." Spekulationen auf weitere Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) hatten den Leitindex am Donnerstag kurzzeitig auf ein Rekordhoch von 10.084 Punkten getrieben. In der alten Woche trat der Dax dennoch auf der Stelle - am Freitagnachmittag notierte er bei 9975 Zählern.
Optimistisch zeigt sich auch Jörg Rahn, Chefstratege bei Marcard, Stein & Co.: "Ich erwarte eine positive Woche, weil die Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi letztlich zu negativ gesehen wurden." In den kommenden Tagen dürfte sich am Markt die Einschätzung durchsetzen, dass der von Investoren heiß ersehnte Kauf von Staatsanleihen durch die EZB bereits im Januar anstehen könnte. Die Nachfrage nach zweckgebundenen Billig-Krediten der EZB, im Fachjargon TLTRO genannt, dürfte laut Rahn am Donnerstag niedriger als erhofft ausfallen. Daher dürfte die EZB kaum um Staatsanleihekäufe herum kommen. Auch IG-Markets-Analyst Gregor Kuhn setzt daher auf steigende Kurse: "Die Phantasie bleibt weiter am Köcheln, die Lockerungsmaßnahmen für die Euro-Zone sind nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben."
Allerdings teilen nicht alle Börsianer diese Zuversicht. "Jenseits des Ölpreisrückgangs und der lockeren Geldpolitik sind global keine wirklichen Wachstumstreiber auszumachen", gibt Helaba-Experte Markus Reinwand zu bedenken. "Das fundamentale Kurspotenzial ist nach dem jüngsten deutlichen Anstieg der Notierungen ausgereizt."
Der Kauf von Staatsanleihen ist unter Experten höchst umstritten: Vor allem für die Bundesbank wäre ein solcher Schritt ein rotes Tuch. In den USA wiederum wurden solche Geldspritzen schon eingesetzt und haben geholfen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Mit ihnen kann auch künstlich für Inflation gesorgt werden, damit sich keine Abwärtsspirale aus fallenden Preisen, sinkendem Konsum und nachlassenden Investitionen der Unternehmen in Gang setzt. Zuletzt sank die Teuerung in den Euro-Ländern auf 0,3 Prozent, in manchen Ländern fallen die Preise seit Monaten. Die EZB peilt eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an - quasi als Sicherheitsabstand zur sogenannten Deflation, also auf breiter Front fallenden Preisen.
An Konjunktur- und Unternehmensdaten stehen nur wenige Highlights auf der Agenda: Aus Deutschland stehen am Montag die Industrieproduktion für Oktober und am Donnerstag die Verbraucherpreise November an. An diesem Tag wird aus den USA der Einzelhandelsumsatz im November erwartet. Vor allem der US-Online-Handel konnte nach Thanksgiving vom Start ins Weihnachtsgeschäft profitieren. "Daher werden sich einige Investoren diese Daten genau ansehen", sagt Experte Rahn.
Reuters