Johnson will Großbritannien aber schon Ende Oktober aus der EU führen. Noch am Montagabend rief er die Parlamentarier auf, ihn in seinem Vorhaben zu stützen. "Wir verlassen die Europäische Union, aber wir werden immer Europäer bleiben", teilte der Premierminister mit. "Lasst uns den Brexit am 31. Oktober vollziehen."
Das Europaparlament wird in dieser Woche nicht mehr über den Brexit-Vertrag mit Großbritannien abstimmen, wie der portugiesische Parlamentsvize Pedro Silva Pereira am Montagabend mitteilte. Damit wird der Zeitplan für Johnsons Vorhaben allerdings noch enger.
Die Abgeordneten können noch Änderungsanträge einbringen, die das Abkommen im Kern verändern würden - zum Beispiel eine dauerhafte Zollunion mit der Europäischen Union. Denkbar ist auch eine Vorgabe, den Deal den Briten in einem zweiten Referendum vorzulegen. In einer ersten Abstimmung über das Gesetz könnte sich dann vielleicht schon abzeichnen, ob die Brexit-Pläne Chancen auf eine Mehrheit haben.
Der Vorsitzende des Unterhauses, Jacob Rees-Mogg, gab sich am Montagabend mit Blick auf den ehrgeizigen Zeitplan optimistisch: Das Gesetz solle bis Donnerstag das Unterhaus passiert haben. Danach muss es aber noch in das Oberhaus, wie eine Parlamentssprecherin erklärte.
Auch am Montag musste Johnson eine Niederlage hinnehmen: Parlamentspräsident John Bercow ließ eine Abstimmung über den neuen Brexit-Deal nicht zu. Er begründete seine Ablehnung damit, dass der Entwurf der Regierung in seinem Inhalt der gleiche wie der vom Samstag sei. Auch die Umstände hätten sich nicht geändert.
Das Unterhaus sollte eigentlich am Samstag in einer Sondersitzung über den Deal abstimmen. Die Abgeordneten votierten aber dann dafür, die Entscheidung über das Abkommen zu verschieben. Ziel der Vertagung war es, einen Chaos-Brexit auszuschließen.
Das Votum zwang Johnson, eine Fristverlängerung bei der EU zu beantragen. Mit der Entscheidung darüber wollen die 27 bleibenden EU-Staaten noch warten, bis die Lage in London klarer wird. Ein Ja zu einem Aufschub gilt aber als wahrscheinlich, wenn er benötigt wird.
Der konservative Brexit-Experte Nile Gardiner warnte trotzdem, ein ungeregelter EU-Austritt sei nach der Entscheidung Bercows wieder wahrscheinlicher. Zusammen mit parlamentarischen Manövern der Labour-Partei könne die Situation dazu führen, dass die Regierung ihr Ratifizierungsgesetz für den mit Brüssel vereinbarten Deal wieder zurückziehen müsse, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Das wäre etwa dann der Fall, wenn es der Labour-Partei gelänge, eine Mehrheit für den Verbleib Großbritanniens in einer Zollunion zu organisieren. "Das würde das ganze Abkommen verändern", sagte der frühere Thatcher-Berater und Leiter des Margaret Thatcher Centers for Freedom bei der erzkonservativen Heritage Foundation in Washington./si/DP/zb