Am vergangenen Freitag führte das Nein der Briten zum EU-Verbleib zu einem deutlichen Rückschlag bei den Ölpreisen. Das ist vor dem Hintergrund der Unsicherheiten zu sehen, die mit dem ablehnenden Votum für die weiteren Aussichten der Weltwirtschaft einhergehen. Die möglicherweise bis auf weiteres höhere Risikoaversion könnte nach Ansicht mancher Analysten ein baldiges Wiedererreichen der Marke von 50 Dollar je Barrel erschweren. Zumal laut Commerzbank nach wie vor viele spekulative Finanzanleger auf Long-Positionen sitzen und wegen der Unsicherheit eher geneigt sein dürften, sich von diesen zu trennen als weitere aufzubauen.

Gleichzeitig ist es aber auch so, dass sich das Angebots-Nachfrage-Verhältnis am Ölmarkt deutlich verbessert hat. Dauerhaft wieder fallende Preise sind deshalb fundamental auch nicht unbedingt zu erwarten. Nicht zuletzt aufgrund der abgebauten Ölschwemme hat sich der Ölpreis seit den im Januar markierten Tiefs mehr als verdoppelt.

Geht es nach den Analysten von Barclays, dann hat der Ölpreis mittelfristig noch weiter Luft nach oben. Für 2017 wurde die Prognose jüngst von 55 Dollar auf 57 Dollar je Barrel erhöht. Ab 2018 seien dann sogar auch Preise von 80 Dollar das Barrel denkbar. Gehen diese Prognosen auf, dürften auch einige Ölaktien über weiteres Kurspotenzial verfügen.

Unter den von der britischen Investmentbank beobachteten Öl-Aktien verfügen insbesondere fünf europäische Branchenvertreter über einige Luft nach oben gemessen an den hauseigenen Kurszielen. Auf den nächsten Seiten werden diese fünf Werte etwas näher vorgestellt. Theoretisch bewegen sich die Kursziele dabei zwischen 25 Prozent und 57 Prozent über den beim Schreiben dieses Artikels gültigen Notierungen.

Auf Seite 2: Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer eins





Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer eins: ENI S.p.A. (WKN: 897791, 13,23 Euro, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 27.06.)



Beim ersten Mitfavoriten handelt es sich mit ENI um einen Titel, der die Erholung des Ölpreises in den vergangenen Wochen und Monaten nur etwas zögerlich mitgemacht hat. Vom Jahrestief bei 10,93 Euro hat sich der Wert zwar gelöst, aber der Anstieg ist im Branchenvergleich eher unterdurchschnittlich ausgefallen. Nach einem kräftigen Rücksetzer am vergangenen Freitag in Reaktion auf das Brexit-Votum ist inzwischen auch der zuvor fast schon als gelungen erscheinende Ausbruch aus dem seit Mitte 2014 bestehenden Abwärtstrend gefährdet.

Was den operativen Geschäftsverlauf angeht, hatte der italienische Ölkonzern zuletzt aber auch nicht allzu viel zu bieten. Für das erste Quartal 2016 beispielsweise stehen tief roten Zahlen zu Buche. Unter dem Strich wurde ein Verlust von 792 Millionen Euro nach einem Nettogewinn von 832 Millionen Euro im Vorjahr. Begründet wurde das neben den niedrigen Ölpreisen auch mit veräußerungsbedingten Veränderungen bei der Bilanzierung. Im fortgeführten Geschäft fiel gleichzeitig ein Nettoverlust von 803 Millionen Euro an, nach einem Gewinn von 617 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

Die Fördermenge erhöhte sich im Auftaktquartal unter anderem dank des Produktionsstarts neuer Projekte um 3,4 Prozent auf 1,75 Millionen Barrel pro Tag. Im Gesamtjahr dürfte die Produktion aber laut Prognose weitgehend auf dem Vorjahresniveau verharren. Zudem wurde bekräftigt, im laufenden Jahr rund ein Fünftel weniger für Investitionen ausgeben zu wollen als noch im Vorjahr. Fitch hat dennoch unlängst bei einem als stabil bezeichneten Ausblick die Bonitätseinstufung auf A- von A gesenkt. Als Grund für die Abstufung wurde der niedrigere Ölpreis genannt, weil dieser das Fördergeschäft belaste. Die Annahme dahinter lautet, dass es ENI im Vergleich zu anderen Konkurrenten wegen einer schwächeren vertikalen Integration der Geschäfte weniger gut gelingen könnte, den Ölpreisverfall mit einem besseren Downstream-Geschäft zu kompensieren.

Als Hintergrundinformation rund um diesen Titel sollte man wissen, dass es sich hierbei um die Nummer vier unter den europäischen Öl- & Gas-Konzernen handelt. Die Anteilsscheine befinden sich dabei noch zu 30 Prozent im Staatsbesitz. ENI ist neben den klassischen Sparten Upstream (Exploration & Produktion) und Downstream (Raffinerien u. Tankstellennetz) außerdem im Gasbereich über mehrere Tochterunternehmen aktiv. Die Reservebasis befindet sich vor allem in Nicht-OECD-Ländern und ist folglich höheren politischen Risiken ausgesetzt, wie die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg zu bedenken geben. ENI verfügt über eine Reservebasis von sieben Milliarden Barrel, die sich etwa hälftig aus Öl und Gas zusammensetzt, was einer Reservedauer von über zehn Jahren entspricht. Die tägliche Förderung beträgt aktuell rund 1,8 Millionen Barrel pro Tag.

Barclays sieht die Bewertung von ENI auf KGV-Basis für 2017 etwas über dem Branchenschnitt, dafür bewegt sich aber das Verhältnis von Unternehmenswert zum EBIDA unter dem Durchschnitt. Die freie Rendite auf den Cash-Flow wird als überdurchschnittlich hoch angegeben. Die geschätzte Dividendenrendite wird für 2016 und für 2017 auf jeweils fast sechs Prozent taxiert. Als Kursziel werden 16,50 Euro anvisiert, was um fast 25 Prozent über den derzeitigen Notierungen liegt. Trotzdem wird dieser Titel nur mit gleichgewichten eingestuft.



Auf Seite 3: Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer zwei





Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer zwei: Repsol S.A. (WKN: 876845, 10,21 Euro)



Auch der zweite Öl-Aktien-Favorit von Barclays kommt mit Repsol aus Südeuropa. Vielleicht hat es auch mit der Herkunft aus dieser nach wie vor als krisengefährdet eingestuften Region zu tun, dass auch hier der Aktienkurs zuletzt nur relativ moderat bis durchschnittlich zugelegt hat. Nachdem auch in diesem Fall vergangenen Freitag die Notierungen abgesackt sind, steht verglichen mit dem Januar-Tief von 8,02 Euro noch ein Plus von gut 27 Prozent angeschrieben. Das Chartbild sieht vor diesem Hintergrund noch immer nicht wirklich überzeugend aus.

Wie bei ENI und bei vielen anderen Wettbewerbern musste auch Repsol im ersten Quartal einen Gewinneinbruch um 43 Prozent auf 434 Millionen Euro hinnehmen. Am Tag der Bekanntgabe dieser Ergebnisse legte der Kurs dennoch zu, weil Analysten noch Schlimmeres befürchtet hatten. Der um Wertsteigerungen/-minderungen bei Lagerbeständen sowie Sondereffekte bereinigte Gewinn sank um 38 Prozent auf 572 Millionen Euro. Wobei im ersten Quartal 2015 der Nettogewinn durch eine Entschädigung Argentiniens für die Verstaatlichung der Repsol-Tochter YPF SA begünstigt worden war. Zudem hieß es, die Sparanstrengungen sollen ausgeweitet werden, die Investitionen gekürzt und an der Effizienz gearbeitet werden.

Zu beachten ist mit Blick auf Repsol auch, dass sich der Konzern mit einer milliardenschweren Schadensersatzforderung aus China konfrontiert sieht. Der von dort kommende staatliche Energiekonzern Sinopec fordert 5,5 Milliarden Dollar, wobei es um ein britisches Joint Venture der Chinesen und einer kanadischen Firma geht, die Repsol im Vorjahr übernommen hat. Gefordert wird die Rückzahlung eines Investments in ein Joint Venture im Jahr 2012. Die Beschwerde umfasst zudem eine Forderung nach Entschädigung für anschließende Investitionen in das britische Geschäft und die dadurch verpassten Möglichkeiten. Der spanische Konzern weist die Klage allerdings als unbegründet zurück.

Bei Repsol handelt es sich um den größten spanischen Öl- und Gaskonzern. Man verfügt über ein integriertes Geschäftsmodell und Ende 2015 beliefen sich die nachgewiesenen Öl- und Gas-Reserven auf 2,37 Milliarden Barrel Öläquivalent. Im Mai 2015 hat Repsol das kanadische Öl- und Gasunternehmen Talisman Energy übernommen, was erst einmal verkraftet sein will, weil der Ölpreis nach dem milliardenschweren Zukauf noch einmal kräftig zurückgefallen war. Repsol ist außerdem mit 30,01 Prozent an dem Energieversorger Gas Natural SDG beteiligt.

Barclays stuft die Bewertung von Repsol als unterdurchschnittlich im europäischen Branchenvergleich ein. Das KGV für 2017 wird bei gut acht gesehen und das Verhältnis von Unternehmenswert zum EBIDA bei rund vier. Besonders aufhorchen lassen aber die Dividendenschätzungen. Denn wenn diese aufgehen, dann würde sich die Dividendenrendite für 2016 bei rund 6,4 Prozent bewegen und für 2017 sogar bei 9,1 Prozent. Das Anlageurteil lautet übergewichten und das Kursziel beträgt 16,00 Euro. Das lässt der Notiz theoretisch 56,7 Prozent Luft nach oben.



Auf Seite 4: Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer drei





Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer drei: Total S.A. (WKN: 850727, 40,33 Euro)



Ebenfalls noch Nachholbedarf bei der Entwicklung des Aktienkurses hat Total. Das aktuelle Plus gegenüber dem Jahrestief von 35,33 Euro hält sich in Grenzen. Wobei aber auch fairerweise angemerkt werden muss, dass sich dieser Titel zuvor während der Einbruchphase des Ölpreises noch einigermaßen gehalten hat. Das ändert aber nichts daran, dass dieser Titel letztlich nun schon seit dem Jahr 2000 nur in einer Seitwärtsrange festhängt.

Zum Geschäftsverlauf kann vermutlich wenig überraschend Ähnliches geschrieben werden wie zuvor zu Repsol und zu ENI. Auch bei dem französischen Ölkonzern ist der Gewinn im Auftaktquartal eingebrochen. Unter dem Strich nur noch 1,61 Milliarden Dollar verdient, nach 2,66 Milliarden vor einem Jahr. Mit 2,48 Millionen Barrel Öl pro Tag wurde zudem ein Zehnjahresrekord gemeldet. Zum Vergleich: Analysten hatten im Konsens beim Nettogewinn mit 1,14 Milliarden Dollar gerechnet und mit einer Ölförderung von 2,39 Millionen Barrel. Mit Blick auf den Gewinn scheinen sich somit die vorgenommenen Einsparungen positiver als angenommen bemerkbar gemacht zu haben.

Nicht zu beirren lassen von den Ausschlägen bei den Ölpreisen scheinen sich die Franzosen bei der Umsetzung ihrer Firmenstrategie. Zumindest sprechen dafür die zuletzt getätigten Übernahmen. So wurde mit dem Kauf von Lampiris für 150 bis 200 Millionen Euro das Portfolio im Bereich Stromerzeugung ergänzt. Die Belgier beliefern rund eine Million Kunden mit Gas und Strom, wobei der Strom vor allem aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Das passt zu dem im Mai verkündeten Plan, eine Sparte für Gas, erneuerbare Energien und Stromhandel gründen zu wollen. Das dahinterstehende Ziel lautet, die Einnahmenbasis unabhängiger von den sehr stark schwankenden Ölpreisen zu machen. Zuvor wurde außerdem im Zuge dieses Vorhabens auch noch für 950 Millionen Euro die Saft Groupe erworben - ein französischer Hersteller von Batterien für Telekommunikations-, Schienenverkehrs- und Luftfahrtbranche.

Neben der neuen Sparte, die binnen 20 Jahren zu einem der größten Anbieter von erneuerbarer Energie und Stromhandel werden soll, gibt es bei Total die drei Bereiche Exploration und Produktion, Marketing und Dienstleistungen sowie Raffinerien und Chemie. Allgemein gilt der französische Konzern als der viertgrößte nicht-staatliche vertikal integrierte Ölkonzern weltweit mit Operationen in über 130 Ländern. Der in Paris ansässige Verbund ging aus dem Zusammenschluss von Total Fina und Elf hervor. Hauptertragsbringer ist laut Landesbank Baden-Württemberg das Upstream-Geschäft, das in normalen Zeiten über 80 Prozent des operativen Ergebnisses liefert. Manko ist allerdings eine hohe Zyklik aufgrund der volatilen Ölpreisentwicklung. Der Konzern verfügt über Reserven von rund 11,5 Milliarden Barrel, die bei konstanter Förderung eine Lebenszeit von rund 14 Jahren aufweisen. Die tägliche Förderung beträgt derzeit 2,3 Millionen Barrel und teilt sich etwa hälftig in Öl und Gas auf.

Für Barclays bewegt sich das KGV für 2016 weitgehend im Einklang mit dem europäischen Branchenschnitt, beim Verhältnis von Unternehmenswert zum EBIDA wird für das gleiche Jahr dagegen eine etwas unterdurchschnittliche Bewertung konstatiert. Die Schätzungen für die Dividendenrendite im laufenden und im kommenden Geschäftsjahr bewegen sich bei jeweils rund sechs Prozent. Das Anlageurteil heiß übergewichten und das Kursziel beträgt 55,00 Euro. Geht die Rechnung auf, müsste der Kurs immerhin um gut 36 Prozent zulegen.



Auf Seite 5: Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer vier





Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer vier: Royal Dutch Shell B (WKN: A0ER6S, 19,225 britische Pfund, 23,70 Euro)



Am besten unter den bisher besprochenen Barclays-Favoriten hat sich gemessen an den Jahrestiefs Royal Dutch Shell geschlagen. Denn dieser Titel kommt seitdem auf ein Kursplus von gut 50 Prozent. Allerdings war diese Erholung auch bitter nötig, denn zuvor war die Notiz kräftig abgeschmiert. Immerhin ist es durch die jüngste starke Aufwärtsbewegung gelungen, den mittelfristigen Abwärtstrend zu überwinden. Das Chartbild hat sich dadurch merklich aufgehellt.

Der Gewinn zu Wiederbeschaffungskosten schrumpfte jedoch im Auftaktquartal um hohe 83 Prozent auf 800 Millionen Dollar. Damit ist das Minus prozentual noch stärker ausgefallen als im vierten Quartal 2015. Den Aktienkurs hat das dennoch nicht aus der Bahn geworfen, weil der um Einmaleffekte bereinigte Gewinn im Jahresvergleich mit einem Rückgang von 3,7 Milliarden auf 1,6 Milliarden Dollar weniger stark als von Analysten gesunken ist. Diese hatte im Vorfeld sogar nur mit 1,5 Milliarden Dollar gerechnet.

Die Verantwortlichen streben zudem wie fast überall in der Branche üblich weitere Ausgabenkürzungen an und es wird auch eifrig nach zusätzlichen Einsparmöglichkeiten gesucht. Zudem hieß es mit Blick auf die wegen dem ungünstigen Zeitpunkt kritisch beäugte Übernahme der BG Group, man rechne daraus mit größeren Vorteilen als bislang angenommen. Aus dem 50 Milliarden Dollar schweren Deal seien auf Vorsteuerbasis Synergien von 4,5 Milliarden Dollar ab 2018 denkbar, statt wie bisher geplant 3,5 Milliarden Dollar. Die Grundidee lautet, sich mit BG stärker auf den wachsenden Markt mit Flüssigerdgas und auf Tiefseeprojekte zu konzentrieren.

Bisher lag bei dem weltweit operierenden Öl- und Gaskonzern der Schwerpunkt auf der Suche und Förderung von Öl und Gas, deren Verarbeitung; Vertrieb und Transport sowie Petrochemie. Der Konzern verfügte Ende 2015 über nachgewiesene Öl- und Gasreserven von 11,75 Milliarden Barrel Öläquivalent und 2015 wurden insgesamt am Tag durchschnittlich 2,954 Millionen Barrel Öläquivalent gefördert. Zu beachten ist ein durch die Übernahme von BG auf knapp 70 Milliarden Dollar gestiegener Schuldenberg. Die Vorgabe lautet aber, diesen bis 2018 durch den Verkauf von Unternehmensteilen im Wert von 30 Milliarden Dollar abzubauen.

Die Bewertung fällt nach Angaben von Barclays auf Basis der beiden Kennziffern geschätztes KGV und erwartetes Verhältnis von Unternehmenswert zum EBIDA vergleichsweise niedrig aus. Die freie Cash-Flow-Rendite wird dagegen über dem europäischen Branchenschnitt gesehen. Aus Basis einer konstanten Ausschüttung wird die Dividendenrendite auf immerhin rund 7,3 Prozent taxiert. Die Übergewichten-Empfehlung ist mit einem Kursziel von 24,50 Pfund verbunden. Daraus ergibt sich ein Kurspotenzial von 27,40 Prozent. Abzuwarten bleibt, wie sich auf die britisch-niederländische Gruppe der Brexit auswirken wird. Denn wenn das Pfund wie zuletzt zum Dollar fällt, müssen für die Zahlung der in Dollar ausgeschütteten Dividenden mehr Pfund ausgezahlt werden.



Auf Seite 6: Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer fünf





Europäische Öl-Aktien-Favoriten von Barclays, Nummer fünf: BP Plc. (WKN: 850517, 3,95 britische Pfund, 4,80 Euro)



Mit diesem Devisen-Dividenden-Problem muss sich auch BP herumschlagen, weil auch diese Gesellschaft ihre Dividenden in Dollar festzurrt. Weil in Pfund ausgezahlt wird, müssen bei einer Abwertung mehr von der britischen Währung aufgewendet werden, um bereits angekündigte Dividendenzahlungen zu erfüllen, gibt RBC Capital Markets zu bedenken. Von Unternehmensseite hieß es dazu am vergangenen Freitag, Unsicherheit sei niemals hilfreich für ein Geschäft wie das von BP. Der Konzern erwarte aber nicht, dass der Brexit sich wesentlich auf das Geschäft oder die Investitionen von BP in Großbritannien und Kontinentaleuropa auswirken werde.

Allerdings ist das nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist die, dass bei Gesellschaften wie BP oder Shell die Bewertung weiter Teile des Upstream- und Downstream-Geschäfts auf Dolar-Basis erfolgt. Bezogen auf den Wechselkurs zwischen britischem Pfund und US-Dollar habe eine Veränderung um 10 Cent eine Wirkung von 27 bzw. 130 Pence oder sieben bzw. neun Prozent auf den fairen Wert von BP und Shell, rechnet Kepler Cheuvreux vor.

Losgelöst davon läuft es bei BP noch immer längst nicht rund. Die zuletzt vorgelegten Zahlen erweckten den Eindruck, als ob der Konzern nach wie vor unter den Folgen des Umweltdesasters 2010 im Golf von Mexiko leide. Im ersten Quartal hat das Unternehmen jedenfalls rote Zahlen geschrieben, nachdem bereits im vierten Quartal wegen der niedrigen Ölpreise ein Verlust verbucht werden musste. Konkret belief sich dieses Mal der Verlust auf Wiederbeschaffungsbasis auf 485 Millionen Dollar nach einem Gewinn im Vorjahreszeitraum von 2,1 Milliarden Dollar. Bereinigt um Sondereffekte wie Verkäufe von Unternehmensteilen und außerordentlichen Belastungen betrug der Gewinn dagegen 532 Millionen Dollar und fiel damit deutlich höher aus als erwartet.

Trotz einer zunächst positiven Reaktion darauf, tut sich die Aktie insgesamt nach wie vor eher schwer. Von den Jahrestiefs könnte sich zwar auch hier die Notiz absetzen, von einem entscheidend verbesserten Chartbild kann aber noch nicht die Rede sein. Um das zu erreichen müssen die Verantwortlichen bei den Marktteilnehmern mit Sicherheit noch mehr Überzeugungsarbeit leisten. Bei den Analysten von Barclays hat man aber bereits Gehör gefunden. Denn dort hält man die Aktivitäten des britischen Ölkonzerns ebenso für unterschätzt wie das Portfolio. Aus der Mischung von Kosteneinsparungen, Cash-Flow-Wachstum und einer verbesserten Effizienz ergebe sich einiges an Potenzial, das im aktuellen Kursniveau nicht adäquat zum Ausdruck komme.

In diesem Zusammenhang wird auf Bewertungsebene auch auf ein im Branchenvergleich unterdurchschnittliches Verhältnis von Unternehmenswert zum EBIDA verwiesen. Ähnliches gelte auch für das geschätzte KGV, das sich für 2017 im knapp einstelligen Bereich bewege. Hinzu komme außerdem eine Dividendenrendite von rund sieben Prozent. Die Anlageempfehlung steht auch übergewichten und darüber hinaus wird der Titel als der Top Pick aus dem europäischen Öl-Sektor bezeichnet. Das kommt auch im Kursziel von 5,50 Pfund zum Ausdruck, denn dahinter verbirgt sich zumindest theoretisch ein Aufwärtspotenzial von gut 39 Prozent.