Die Hoffnungen waren zumindest in Teilen der Bevölkerung groß, als der Rechtsnationalist Jair Bolsonaro am 28. Oktober in Brasilien die Stichwahl mit 55 Prozent gewann. Damit ist er seit Januar offiziell Staatspräsident und Nachfolger von Michel Temer. Insgesamt ist der "Trump Lateinamerikas" zwar kein Sympathieträger, in Wirtschaftskreisen wird er aber durchaus geschätzt. Vor allem traut man ihm als Einzigem zu, das Haushaltsdefizit zu senken, damit Brasilien in keine Schuldenkrise rutscht.

Der anfänglich überbordende Optimismus ist derweil allerdings doch etwas verflogen. Zuletzt gab es sogar einen Generalstreik im Land. Und es ist noch lange nicht sicher, ob Bolsonaro die geplante Haushaltsdisziplin wie ursprünglich erhofft tatsächlich umsetzen kann. Immerhin gibt es aber gute Signale aus der Wirtschaft, wo die Erholung im verarbeitenden Gewerbe an Fahrt gewinnt - so steigt das Produktionsvolumen, und es werden wieder Leute eingestellt.

Auch die Börse hat sich passabel entwickelt. Seit der Wahl hat der Leitindex Ibovespa immerhin gut zweistellig zugelegt. Und auch schon davor war es trotz vieler Demonstrationen und politischer Querelen und Skandale erstaunlich deutlich nach oben gegangen.

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"Das Land der Zukunft"


Optimistisch ist man in Wirtschaftskreisen auch deswegen, weil schon Amtsvorgänger Temer die Steuer- und Wirtschaftspolitik in Brasilien grundlegend gewandelt hat. Er brachte eine Reihe von Reformen auf den Weg, die sich in den anstehenden Quartalen positiv auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen auswirken sollten: So wurden beispielsweise Infrastrukturkonzessionen vergeben, Privatisierungen gestartet, die Importzölle gesenkt und das Steuersystem reformiert. Das Potenzial des Landes ist jedenfalls enorm. Nicht umsonst gibt es die alte Redensart, dass Brasilien mit seinem Reichtum an natürlichen Ressourcen und talentierten Menschen "das Land der Zukunft ist - und es auch immer sein wird".

Gelingen die Reformen, kann man für die brasilianische Binnenkonjunktur positiv gestimmt sein. Dann dürften einige Basiseffekte greifen: Denn noch ist die Kapazitätsauslastung der Industrie gering - immerhin hat Brasilien vor nicht allzu langer Zeit die schwerste Rezession seiner Geschichte durchlebt. Dazu kommt das steigende Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern in Politik und Wirtschaft. Allerdings gibt es auch warnende Stimmen: "Bolsonaro ist eine Bedrohung für die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas", sagt etwa der Ökonom Kenneth Rogoff. Nicht umsonst sei der ehemalige Militärhauptmann, der die Bürger des Landes bewaffnen und große Teile des Amazonas-Regenwalds vernichten wolle, zur Zielscheibe der Proteste von Studenten, Umweltschützern und Schwulenrechtsaktivisten geworden.

Trotzdem sollte man Brasilien als In­vest­ment nicht außer Acht lassen, auch wenn die Kurse extrem schwanken. Die Aktie von Vale etwa, eines der drei größten Bergbauunternehmen der Welt, bewegte sich seit Oktober - auch bedingt durch die Schlammlawinen-Katastrophe, die Hunderte Menschenleben forderte - zwischen 9,60 Euro und 13,80 Euro; das ist eine Spanne von gut 40 Prozent! Wer also investiert ist, sollte eine Kurssicherung nicht zu eng setzen - und starke Nerven mitbringen. Vale sollte jedenfalls davon profitieren, dass der Eisen­erzpreis zuletzt auf ein neues Fünfjahreshoch gestiegen ist. Allein seit Jahresbeginn sind die chinesischen Importpreise für Erz mit 62 Prozent Eisenanteil - das ist der Rohstoff, der für die Stahlherstellung genutzt wird - um 52 Prozent gestiegen.

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Proteine für die Welt


Von gestiegener Nachfrage aus dem Ausland profitiert auch BRF (Brasil Foods), der größte Geflügel- und Schweinefleischproduzent des Landes. Weil in China die Schweinepest ausgebrochen ist, sind die Preise für Fleisch im Allgemeinen enorm gestiegen. Und Brasilien, das bisher kaum als Fleischexporteur in Erscheinung getreten ist, muss und will in die Bresche springen. Wenige Unternehmen seien so gut vorbereitet wie die aus Brasilien, um die Lücke für tierisches Protein zu füllen, heißt es bei Morgan Stanley.

Weiter spannend ist auch Gerdau, ein Stahlkonzern, der nach mehreren Akquisitionen in den USA und Kanada auf dem amerikanischen Kontinent inzwischen größter Hersteller von Langstahl ist, also von Stahlprodukten wie Profilen, Stäben und Drähten, die vor allem für die Bau- und die Landwirtschaft benötigt werden. Doch auch hier sollte man als Anleger gute Nerven mitbringen: Seit Oktober hat der Kurs wie bei Vale stark geschwankt: zwischen 2,80 und 4,00 Euro. Da fährt man mit "Abstauberlimits" sicher nicht schlecht.

Wem brasilianische Einzelaktien dennoch zu riskant sind, der ist alternativ mit dem seit Jahren ausgezeichneten Aktienfonds DWS Brazilian Equities hervorragend bedient.

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