Mit Brasilien hat in den vergangenen Wochen auch ein wirtschaftliches Schwergewicht Probleme bekommen. Die Landeswährung Real hat deutlich abgewertet. Und das, obwohl sich die für das Land so wichtigen Rohstoffpreise erholt haben. Für einen Dollar müssen die Brasilianer derzeit wieder vier Real hinlegen - so wenig wert war die Währung zuletzt Anfang 2016, als Brasilien eine scharfe Rezession durchstehen musste.

Dass die Zentralbank deswegen aggressive Interventionen am Devisenmarkt ankündigt, ist Indiz für die Nervosität. Der rasche Wertverfall der Währung sorgt für Unruhe - auch an der Börse: Dort gab der Leitindex Ibovespa deutlich nach. Inzwischen notieren die Aktienkurse so niedrig, dass sogar große und bekannte Konzerne wie Telefônica Brasil, der Mischkonzern Itausa, der Versicherer BB Seguridade und auch das Kreditkartenunternehmen Cielo Dividendenrenditen von über sechs Prozent abwerfen.

Doch nicht alles stürzte ab. Die im Dezember 2017 empfohlene Aktie des Stahlherstellers Gerdau hält sich hervorragend. Das Kursziel von 3,60 Euro wurde mit tatsächlich erreichten 4,30 Euro locker übertroffen, bevor es zur Korrektur kam. Und auch einer der Dauerbrenner auf der Empfehlungsliste von BÖRSE ONLINE, der für die Weltwirtschaft so wichtige Rohstoffproduzent Vale, hält sich nach wie vor gut. Wer hier Aktien hält, sollte sich dennoch mit einem Stop-Loss absichern.

Gründe für die Verwerfungen - vor allem am Devisenmarkt - gibt es derweil genug. Die US-Zinsen legen zu, da steigt naturgemäß der Dollar im Wert. Viele Investoren überdenken dann ihre Positionen  - mit der Folge, dass der Risikoappetit auf Schwellenländeranlagen weniger wird und Geld vermehrt aus den Emerging Markets in den Dollarraum zurückfließt.

Ein weiterer Grund ist die Schwäche des argentinischen Peso. Denn immer wenn die Währung eines Nachbarlands so stark abwertet wie gerade in Argentinien, verursacht das auch Druck auf die anderen Währungen der Region.

Generell gilt auch, dass Länder mit schwachen Fundamentaldaten besonders betroffen sind. Und Brasilien wird anscheinend zu dieser Kategorie gezählt. Die Leistungsbilanz ist mit einem Defizit von weniger als einem Prozent der Wirtschaftsleistung zwar fast ausgeglichen, doch dafür klafft in der Staatskasse ein großes Loch. Das Haushaltsdefizit liegt in diesem Jahr bei geschätzt sieben Prozent, wodurch die Staatsverschuldung auf 77 Prozent des Bruttosozialprodukts steigt. Zum Vergleich: 1995 betrug die Verschuldung der öffentlichen Hand noch weniger als 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.



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Für die Wahl gehen die Kandidaten aus



Die Sanierung der öffentlichen Finanzen war daher ein vorrangiges Ziel der Regierung von Michel Temer. Doch ohne kräftiges Wirtschaftswachstum wird es schwierig werden, einen weiteren Anstieg der Schuldenquote zu verhindern. Und genau hier hapert es: Brasiliens Wirtschaft findet seit der Rezession nicht mehr richtig in die Spur. Im ersten Quartal legte die Konjunktur nur um magere 1,2 Prozent zu, nach 2,1 Prozent im Vorquartal.

Zudem ist die Fortsetzung der Sparmaßnahmen ungewiss. Im Oktober finden Wahlen statt - Ausgang offen. Der in eine Reihe von Korruptionsaffären verwickelte rechtskonservative Amtsinhaber Temer tritt nicht mehr an. Und Lula da Silva, Ex-Präsident von Brasilien, sitzt wegen einer Schmiergeldaffäre im Gefängnis und darf nicht kandidieren. In Umfragen liegt er aber vorn. Bei der UNO und beim Obersten Gerichtshof des Landes will er das Verbot seiner Kandidatur nun anfechten. Und zu guter Letzt wurde Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro gerade erst bei einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer verletzt. Alles nicht gerade gut für eine Stärkung des Vertrauens.

Dem Land gehen die Trucker aus



Auch die Krise von Petrobras passt ins Bild. BÖRSE ONLINE hat regelmäßig vor einem Kauf der Aktie gewarnt. Zu Recht. Wegen Preiserhöhungen für Diesel kam es zuletzt zu Streiks der Lkw-Fahrer, was die Logistik des Landes lahmlegte. Die Ökonomen von Oxford Economics befürchten, dass Brasiliens Wirtschaft allein deswegen im zweiten Quartal schrumpft.

Was also tun als Anleger? Wer bereits investiert ist, sollte seine Investments mit einem Stop-Loss absichern. Für Wagemutige, die darauf setzen, dass es schlimmer nicht kommen kann, bieten sich zwei Anlagen an: ein ETF-Investment in den Leitindex Ibovesta oder eine Brasilien-Anleihe, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) begeben wurde. Letztere hat zwar nur noch eine Restlaufzeit von gut einem Jahr, dafür winkt aber eine Rendite von fast sieben Prozent. Die Rückzahlung steht angesichts der Topbonität der KfW außer Frage. Die besondere Chance  - aber gleichzeitig auch ein großes Risiko - liegt indes darin, dass die Anleihe in Real begeben wurde. Erholt sich Brasiliens Währung, gibt es Zusatzgewinne. Fällt sie weiter, schmälert das die Rendite.



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