Gekauft haben vor allem Ausländer. Gut 5,9 Milliarden Real steckten Investoren aus den USA und Europa in den zurückliegenden zwei Monaten in Aktien, die an der Börse São Paulo notiert sind, also umgerechnet 1,4 Milliarden Euro. Die Brasilianer selbst, die verkauften eher. Doch nicht nur am Aktienmarkt ging es nach oben, auch die Anleihen und der Real legten zu. Bei der Währung waren es immerhin zehn Prozent. Im vergangenen Jahr noch hatte der Real massiv verloren.
Doch warum die Kehrtwende? Gerade politisch ist doch einiges im Argen im größten Land Lateinamerikas. Und die Proteste dagegen werden immer lauter. Jüngst gab es in São Paulo die bislang größte Protestversammlung seiner Geschichte. Mehr als 1,4 Millionen Bürger demonstrierten gegen die Korruption im Land, in die zahlreiche Politiker verwickelt sind. Das grundlegende Misstrauen zeigte sich in den vergangenen Monaten auch in der Finanzwelt: Alle drei Ratingagenturen stuften nacheinander die Bonität Brasiliens auf Ramschstatus herab.
Auf Seite 2: Mehr Risikoappetit
Mehr Risikoappetit
An den Märkten wurde zuletzt dennoch eine andere Klaviatur gespielt. Die Kurse kletterten vor allem deswegen, weil die Rohstoffpreise zugelegt haben - gut für den Rohstoffexporteur Brasilien, dessen wichtigster Handelspartner China ist. Profitiert haben davon die Kurse so bekannter Unternehmen wie Vale oder Petrobras. Von Letzterer sollte man dennoch die Finger lassen. Wurde doch gerade der schlimmste Jahresabschluss der Firmengeschichte vorgelegt; zudem ist das Unternehmen in diverse Korruptionsskandale verwickelt. Noch deutlicher nach oben ging es mit den Kursen von Eisen- und Stahlerzeugern wie Gerdau oder CIA Siderurgica - beide Unternehmen mit etwas über zwei Milliarden Euro Marktkapitalisierung und höchst volatilem Kursverlauf. Also auch nur was für Hartgesottene.
Auch der wieder wachsende Risikoappetit der internationalen Anleger ist ein guter Grund für das Plus. Generell steigen Aktien aus allen Schwellenländern in der jüngeren Vergangenheit wieder an. Und schon traditionell profitieren Werte aus Brasilien immer dann überdurchschnittlich, wenn die Risikoneigung zunimmt.
Und dann sind da natürlich noch die politischen Verschiebungen in den vergangenen Wochen, die zumindest in einem Teil der Bevölkerung für bessere Stimmung sorgten. Man hofft schlicht auf ein Ende des seit Monaten andauernden politischen Stillstands. Und gleichzeitig auf Maßnahmen, welche die lahmende Wirtschaft beleben sollen. Denn die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt steckt in der schwersten Rezession seit 25 Jahren. 2015 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent, und auch in diesem Jahr könnte es ein Minus von über drei Prozent geben. Dazu kommt die hohe Arbeitslosigkeit, die binnen eines Jahres von 6,5 auf neun Prozent anstieg - der höchste Stand seit 2012.
Indes ist es gar nicht so sicher, inwieweit sich politisch tatsächlich etwas ändert. Die Forderungen nach einem Rücktritt von Staatspräsidentin Dilma Rousseff werden jedenfalls immer lauter. Doch trotz der miesen Bilanz ihrer bisherigen Amtszeit will Rousseff nicht abdanken. Ein Rücktritt würde die ökonomische Talfahrt beschleunigen - sagt sie. Mit Händen und Füßen wehrt sie sich daher gegen ein bereits eingeleitetes Amtsenthebungsverfahren.
An Pikanterie ist das ganze derweil kaum mehr zu überbieten, machte Rousseff doch zuletzt ihren Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva zum Kabinettschef der Regierung, obwohl oder gerade weil auch gegen ihn ermittelt wird. Durch den neuen Posten soll er besser geschützt sein vor dem Zugriff der Justiz. Der Ex-Präsident kann jetzt nur noch vom obersten Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Offiziell dagegen soll der Ex-Staatschef dabei helfen, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Rousseff dürfte auf Lulas immer noch große Beliebtheit bei ärmeren Schichten setzen, für die er in seiner Amtszeit, die von 2003 bis Anfang 2011 dauerte, umfassende Sozialprogramme gestartet hatte. Die Armut war damals spürbar zurückgegangen und Brasilien legte einen fulminanten Wirtschaftsaufschwung hin.
Negativ ist indes die extrem ungünstige Schuldendynamik. Das nominale Haushaltsdefizit beträgt elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und steigt weiter. Was Brasilien braucht, sind weitreichende Fiskalreformen und Sofortmaßnahmen, um das Defizit zu senken. Angesichts der schrumpfenden Wirtschaftsleistung ist das aber eine Herkulesaufgabe - selbst wenn das politische Umfeld ruhiger sein sollte als es derzeit ist.