Nach der öffentlichen Kritik eines Großaktionärs bläst der weltgrößte Chemikalien-Händler Brenntag die geplante Übernahme des US-Konkurrenten Univar Solutions ab. An der Börse sorgt der geplatzte Deal für einen Kurssprung der Brenntag-Aktie an die Spitze der Tagesgewinner im Deutschen Aktienindex Dax.
Der weltgrößte Chemikalien-Händler Brenntag wird vorerst nicht noch größer. Die Übernahme des US-Rivalen Univar Solutions wurde nach öffentlicher Kritik eines seiner Großaktionäre abgesagt. Brenntag hatte erst Ende November bestätigt, an einer Übernahme interessiert zu sein. Das Unternehmen habe "heute beschlossen, diese Gespräche nicht fortzuführen", hieß es in einer am Montagabend verbreiteten Ein-Satz-Mitteilung. Aktionär PrimeStone Capital hatte sich einen Monat nach dem Bekanntwerden öffentlich gegen die Pläne gestemmt.
Viele Nachteile nach einer Übernahme
Die britische Investmentfirma, die etwa zwei Prozent der Brenntag-Anteile hält, äußerte in einem BÖRSE ONLINE vorliegendem Brief ihre Opposition zu den Übernahmeplänen. So sei etwa die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bei einem Zusammenschluss der Nummer eins und Nummer zwei der Branche die Kunden beider Firmen sich neue Lieferanten-Beziehungen suchen würden. Gespräche, die PrimeStone mit Branchenexperten geführt haben, würden darauf hindeuten, dass diese Dis-Synergien rund zehn bis 20 Prozent des Rohertrags des neuen Konzerns betreffen könnten. Das sei etwa beim Zusammengehen bei anderen großen Branchenunternehmen der Fall gewesen.
Wenn diese Einschätzung zuträfe, würde schon ein Großteil der möglichen Synergieeffekte komplett verpuffen. Außerdem erwartete PrimeStone eine langwierige kartellrechtliche Freigabe. In der Tat sind beide Unternehmen global vertreten und in vielen Ländern hätten die Behörden zustimmen müssen. Das hätte Management-Kapazitäten gebunden, die vielleicht in der Optimierung der eigenen Aktivitäten besser eingesetzt wären.
Brenntag-Aktie springt erleichtert hoch
Aktien-Anleger reagieren nun total erleichtert auf das Einstampfen der Übernahme-Pläne. Die Brenntag-Aktie zieht am Dienstag im Xetra-Handel von 60,72 Euro gestern auf nun 64,56 Euro an (siehe Chart) und nimmt mit der Tagesperformance von über sechs Prozent plus die Führung im Dax ein.
Von einem Händler hieß es, mit den abgeblasenen Plänen sei auch das Risiko einer Kapitalerhöhung vom Tisch, die Aktie sei zudem günstiger zu haben als die von Branchenrivalen. Im vergangenen Jahr hatte der Kurs sich unterdurchschnittlich entwickelt, das Minus lag 2022 bei fast einem Viertel, der deutsche Leitindex selbst gab gut zwölf Prozent ab.
Barclays-Analyst Alex Stewart hatte sich skeptisch gegenüber der nun abgesagten Pläne gezeigt. Eine Übernahme von Univar würde strategisch gesehen eine Kehrtwende bedeuten bei den Prioritäten des Chemikalienhändlers, welche er als unerwünschte Ablenkung betrachte in einer ansonsten überzeugenden Anlagestory. Aus finanziellem Blickwinkel hätte der Deal sinnvoll sein können, notierte der Experte. Die strategische Logik dahinter sei gleichwohl zu hinterfragen.
Brenntag-Aktie kaufenswert
Nun kann sich Brenntag statt auf eine "risikoreiche" Übernahme vielmehr auf die Verbesserung des Kerngeschäfts konzentrieren. PrimeStone forderte dazu auch eine Aufspaltung des Unternehmens. Für BÖRSE ONLINE ist die Beendigung der Übernahmegespräche ein guter Grund, den Dax-Wert ins Portfolio
aufzunehmen. Die Brenntag-Aktie dürfte in den kommenden Wochen die 70-Euro-Marke ins Visier nehmen. Dann wäre auch der seit einem Jahr anhaltende Abwärtstrend überwunden. Das längerfristige Kursziel sieht BÖRSE ONLINE bei 88 Euro.