Trotz der wirtschaftlichen Tragweite will May das Parlament nicht über die Scheidung von der EU abstimmen lassen. Sie argumentiert, dass die Entscheidung zum Rückzug ein Kronrecht sei, das von der Regierung stellvertretend für Königin Elizabeth II. wahrgenommen werde.
Im Juni hatten die Briten mehrheitlich für einen Brexit gestimmt. May hat angekündigt, bis Ende März den Austritt zu beantragen. Danach beginnt der zweijährige Austrittsprozess. Sollten die Kläger in London Recht bekommen, könnte sich der Zeitplan wegen des dann erforderlichen parlamentarischen Verfahrens verzögern. Zudem ist unklar, ob May im Parlament eine Mehrheit zusammenbekommen würde, um den Austrittsantrag durchzubringen. Die meisten Abgeordneten hatten sich gegen einen Brexit ausgesprochen.
Ob die Briten weiter Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit zollfreiem Warenverkehr bekommen, muss in den Verhandlungen geklärt werden. Für das Londoner Finanzzentrum ist vor allem der sogenannte EU-Pass wichtig, der den Banken ungehinderten Zugang zu den Kapitalmärkten der EU ermöglicht.
IMMOBILIENPREISE IN LONDON FALLEN
Frankfurt hofft, von einem Abzug großer Banken zu profitieren. Experten erwarten allerdings, dass die US-Banken in London ihr Geschäft eher nach New York als auf den europäischen Kontinent verlagern. Die Unsicherheit über die künftige wirtschaftliche Verankerung Großbritanniens in Europa hat bereits dazu geführt, dass die Immobilienpreise in London gegen den nationalen Trend fallen.
Seit dem Brexit-Votum hat zudem die Währung zum Dollar rund 18 Prozent verloren. Das Pfund bereitet den Aktionären britischer Einzelhandelsunternehmen zunehmend Kopfzerbrechen. Papiere der Supermarktkette Tesco und des Konsumgüterkonzerns Unilever gaben deutlich nach. "Ein schwächeres Pfund kann nur höhere Preise für die Verbraucher bedeuten oder niedrigere Margen für Lieferanten und Einzelhändler oder eine Kombination von alldem", sagte Analyst Neil Wilson von ETX Capital. Die Supermärkte schreckten davor zurück, die Preise anzuheben.
In Großbritannien ist angesichts solcher Entwicklungen eine Debatte darüber entbrannt, wie die Austrittsverhandlungen geführt werden sollten, um den Schaden zu begrenzen. Die Finanzmärkte rechnen inzwischen eher mit einem sogenannten "harten" Brexit mit einem Verzicht auf Zugang zum Binnenmarkt als Preis für stärkere Einwanderungskontrollen.
Der Außenminister und prominente Brexit-Befürworter Boris Johnson hält den Begriff EU-Binnenmarkt sogar für "zusehends wertlos". Die proeuropäische schottische Regionalregierung sieht dies anders: "Es gibt keinen rationalen Grund, das Vereinigte Königreich aus dem Binnenmarkt herauszulösen, und es gibt dazu auch keine Vollmacht", betonte Regierungschefin Nicola Sturgeon. Die Schotten hatten im Juni mehrheitlich für den Verbleib in der EU votiert. 2014 hatten sie sich zudem gegen eine Loslösung von Großbritannien ausgesprochen. In der kommenden Woche soll ein Gesetzentwurf veröffentlicht werden, der ein neues Referendum ermöglicht.
rtr