Die Briten stimmen am 23. Juni ab. Nach aktuellen Umfragen ist der Ausgang völlig offen. Dies sorgt für ein Maß an Unsicherheit, das Anlegern Furcht einjagt. Ein EU-Austritt des Landes mit dem global wichtigen Finanzplatz London dürfte für Schockwellen sorgen: Die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrieländer halten einen "Brexit" sogar für eine Gefahr für die Weltwirtschaft.
Dass die Fed angesichts des massiv drohenden Störfeuers von außen auf Nummer sicher geht, hat sie voriges Jahr bereits bewiesen: Nach einem Börsenbeben in China sagte sie die für September 2015 ins Auge gefasste Zinswende ab und wagte den Schritt erst im Dezember. Es war die erste Anhebung seit fast zehn Jahren. Seither hält sie den Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,5 Prozent.
ARBEITSMARKT ENTTÄUSCHT
Die Notenbank, die Vollbeschäftigung und stabile Preise fördern soll, hat noch weitere Gründe, um zu zögern. Der jüngste Arbeitsmarktbericht für Mai blieb mit einem Stellenzuwachs von 38.000 weit hinter den Erwartungen der Experten zurück.. Er lässt Zweifel an der Stabilität des Aufschwungs aufkommen, zumal die US-Wirtschaft zu Jahresbeginn kaum zulegte. Sie wurde sogar von der lange Zeit lahmenden Euro-Zone in puncto Wachstum überflügelt. Zudem ist die Inflationsrate aus Fed-Sicht zu niedrig: Mit 1,6 Prozent lag sie zuletzt unter dem Zielwert der Notenbank von 2,0 Prozent.
Die Währungshüter dürften nach Ansicht des langjährigen Fed-Beobachters Harm Bandholz von der Großbank UniCredit erst im Juli die Zügel anziehen: "Insgesamt erwarten wir nur zwei Erhöhungen in diesem Jahr." Die Fed hat laut dem Chefökonomen der deutschen Förderbank KfW, Jörg Zeuner, dafür zeitlich nur begrenzten Spielraum: "Die Fenster für eine Anhebung sind nicht so lange offen." Es sei unwahrscheinlich, dass es kurz vor der Präsidentschaftswahl im November dazu kommen werde. "Es kämen dafür wohl nur die Sitzungen im Juli und September sowie jene im Dezember in Frage."
Aufschluss darüber, wie viele Erhöhungen in diesem Jahr noch zu erwarten sind, erhoffen sich Fachleute von den am 15. Juni anstehenden Prognosen der Währungshüter. Im März hatten sie im Mittel für Ende 2016 ein Zinsniveau von 0,875 Prozent veranschlagt, was zwei kleinen Schritten nach oben entspricht.
FED MUSS GEGEN DEN STROM SCHWIMMEN
Doch in einem Jahr, in dem weltweit bereits mehr als 50 Zentralbanken die Zinszügel gelockert haben, fällt es der Fed schwer, gegen den Strom zu schwimmen. Warnende Stimmen kommen auch von jenseits des Atlantiks: EZB-Vize Vitor Constancio sagte jüngst, ein Vorpreschen der US-Währungshüter könne eine Gefahr für Schwellenländer bedeuten. Dahinter steht vor allem die Sorge, dass bei einer Zinserhöhung in den USA Investoren auf der Jagd nach Rendite vermehrt Kapital aus Ländern wie China, der Türkei oder Brasilien abziehen und es zu Verwerfungen an den Märkten kommt.
Diese Furcht war auch einer der ausschlaggebenden Gründe für die Fed, die Erhöhung im September 2015 abzublasen. Dass sie diesen Sommer eine Anhebung wagen wird, ist also ungewiss. Yellen hatte zwar jüngst einen Schritt "innerhalb der nächsten Monate" in Aussicht gestellt. In ihrer letzten Rede vor dem Zinsentscheid kassierte sie diese Formulierung jedoch - auch mit Blick auf das "Brexit"-Votum ein geschickter Schachzug, wie Ökonom Michael Arone vom Beratungshaus State Street Global Advisors meint: "Yellen lässt sich alle Optionen offen und manövriert sich damit nicht in eine Ecke."
rtr