Der Bericht zur Weltaugengesundheit, den die Weltgesundheitsorganisation WHO vor rund zwei Jahren erstmals vorlegte, hat vielen Marktteilnehmern sprichwörtlich die Augen geöffnet. Rund 2,2 Milliarden Menschen müssen dem Bericht zufolge mit einer Sehbehinderung oder gar mit Blindheit leben, obwohl geschätzt eine Milliarde dieser Fälle vermeidbar oder therapierbar wären. Als häufigste Ursachen für diese Sehbehinderungen sind Weit- und Kurzsichtigkeit sowie die Augenerkrankungen grauer und grüner Star aufgeführt. Rund 800 Millionen Menschen, vor allem in den ärmeren Regionen der Welt, haben keinen Zugang zu notwendigen Operationen, Sehhilfen oder Rehabilitationsmaßnahmen.
Aufgrund der zunehmenden Bevölkerungszahlen und des demografischen Wandels in vielen westlichen und fortschrittlichen Ländern der Erde wird die Zahl der Menschen mit einer Sehschwäche in den kommenden Jahren deutlich ansteigen - und mit ihr das Marktvolumen der Branche. Das Internetportal Statista skizziert aktuell eine knappe Verdopplung des weltweiten Brillen- und Kontaktlinsengeschäfts von 138,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf 258,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2027.
Ähnlich konstant wie die Umsatzpotenziale des Sektors entwickelt sich auch der Aktienkurs des US-amerikanischen Unternehmens The Cooper Companies. Als einer der international führenden Anbieter im Optikgeschäft blickt die Gesellschaft auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent im Bereich weicher Kontaktlinsen - insgesamt steuert die Sparte etwa drei Viertel zum Konzernumsatz bei. In diesem Jahr dürfte der Gewinn je Aktie auf über 13 US-Dollar steigen und 2022 auf knapp 15 US-Dollar zulegen. Zwar ist der Aktienkurs der Entwicklung zuletzt etwas vorausgeeilt, auf der anderen Seite sprechen die langfristigen Wachstumstrends aber klar für den Titel.
Anspruchsvolles Corona-Jahr 2020
"Uns spielt die Alterspyramide die nächsten 25 Jahre in die Karten, ältere Menschen werden automatisch zu Kunden", heißt es auch bei Spectaris, einem Industrieverband mit mehr als 400 Mitgliedsunternehmen in den Innovationsbranchen Augenoptik, Photonik, Analyse- und Medizintechnik. Im jährlichen Branchenreport "Augenoptik" konnte Spectaris seit 2011 von einem ungebrochenen Wachstumstrend berichten: Im Jahr 2019 verbuchte die deutsche Augenoptikbranche das erfolgreichste Geschäftsjahr des vergangenen Jahrzehnts.
Corona hat allerdings auch in der Optikerbranche für einen tiefen Einschnitt gesorgt, im vergangenen Jahr musste ein Umsatzrückgang um knapp zehn Prozent verbucht werden. Filialunternehmen wie Fielmann können davon ein Lied singen. Zusammen mit Apollo Optik dominiert das Unternehmen die Branche, in der die zehn größten Filialketten rund die Hälfte des Marktes unter sich aufteilen. Vor allem die in der Pandemie angeordneten vorübergehenden Ladenschließungen und Beschränkungen der Kundenzahl pro Filiale haben bei Fielmann 2020 zu einem Umsatzrückgang um 1,76 Milliarden auf 1,63 Milliarden Euro geführt, das Vorsteuerergebnis ging binnen zwölf Monaten von 254 Millionen auf knapp 170 Millionen Euro zurück.
Die Rückkehr auf den Wachstumspfad in diesem Jahr macht Hoffnung, dass mittelfristig auch der Aktienkurs seine jahrelange Konsolidierung abschließen kann. Anleger bekommen die Wartezeit immerhin mit einer Dividende von 2,9 Prozent versüßt.
Dekade großer Innovation im Blick
Deutlich dynamischer entwickelte sich in den zurückliegenden Monaten der Aktienkurs von EssilorLuxottica, die 2018 aus dem Zusammenschluss des Brillenherstellers Essilor mit der italienischen Luxottica entstanden war. Mit einer unternehmenseigenen Brillen- und Linsenherstellung sowie einem Filialnetz, zu dem auch Apollo Optik gehört, deckt der Konzern die komplette Wertschöpfungskette ab. Nachdem er im zweiten Quartal seinen Umsatz im Vorjahresvergleich auf 4,7 Milliarden Euro verdoppeln konnte, hat das Management um Konzernchef Francesco Milleri auch die Gesamtjahresziele nach oben angepasst und will nun bereits die Umsätze des Vorkrisenjahres 2019 übertreffen.
Ein starkes US-Geschäft, die jüngste Übernahme der niederländischen Filialkette Grandvision sowie ein rasant wachsendes Onlinegeschäft lassen den Konzern optimistisch in die Zukunft blicken. Wie sehr die Franzosen auch das Internetgeschäft forcieren, zeigt die Beteiligung am Börsengang von Mister Spex, an dem sie derzeit rund 11,5 Prozent der Aktien halten.
Das Berliner Unternehmen Mister Spex, 2007 gegründet, gilt mit einem Vorjahresumsatz von 169 Millionen Euro als Marktführer der Online-Brillenhändler. Wegen der klaren Fokussierung auf eine schnelle Expansion schreibt er voraussichtlich jedoch auch in den nächsten Jahren noch rote Zahlen. Mit der Vision, die Vorteile des E-Commerce, nämlich ein größeres, sofort verfügbares modisches Sortiment sowie transparente Preismodelle in die Augenoptik zu bringen und damit eine neue Art des Brillenkaufs zu etablieren, dürfte der Newcomer den Markt für Sehhilfen aufmischen. Für diesen erwartet der Branchenverband Spectaris ohnehin eine Dekade großer Veränderungen.
Noch klingt das ein wenig nach Zukunftsmusik, aber Augenwerte sollen in Zukunft einfach mit der Kamera des Smartphones gemessen werden können - Blutdruck- oder Herzfrequenzmessungen sind ja heute schon mit sogenannten Fitnesstrackern möglich. Anschließend wählt der Kunde gleich die passenden und typgerechten Brillenfassungen aus einer Riesenauswahl auf seinem Smartphone oder PC aus und bekommt die Brille dann nach Hause geschickt.
Neben dem generell immer weiter perfektionierten Sehen werden Brillen und Kontaktlinsen auch Teile der Smartphone-Funktionen übernehmen und viele zusätzliche Informationen bereithalten. Investoren mit Weitsicht bietet das große Chancen.