Am Marktplatz in Jena ist großes Geschäfterücken angesagt. Ein Drogeriediscounter zieht aus, Fielmann räumt ein. Motto: zentraler, größer, moderner. Jena steht exemplarisch für viele deutsche Städte. Die Optikerkette Fielmann schließt kleine Läden und eröffnet neue mit mehr Verkaufsfläche in besseren Lagen. Dass rund um den Marktplatz die Konkurrenz logiert, kümmert das Unternehmen nicht. Konkurrenz belebt das Geschäft und "Brillen - das ist wohl ein Riesenmarkt", sagt der Bürgermeister.

Bisher ist es so, dass der deutsche Optikermarkt aus vielen kleinen Optikergeschäften und zwei großen Ketten besteht. Eine davon ist Fielmann. Ihr Siegeszug begann 1972 in Cuxhaven. Damals versprach Firmenpatriarch Günther Fielmann jedem eine Brille zum Nulltarif ohne Kassengestell-Optik. Den Aktionären prophezeite der Macher zum Börsengang im Jahr 1994 "steigende Umsätze, steigende Erträge und steigende Aktienkurse".

Er hat nicht zu viel versprochen. Fielmann wurde eine Erfolgsgeschichte. Der Aktienkurs hat sich seitdem verzehnfacht. 2015 setzte die Optikerkette 1,3 Milliarden Euro um. Der Jahresüberschuss stieg um 4,4 Prozent auf 170 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr verdiente Fielmann trotz eines Dämpfers Anfang des Jahres 660 Millionen Euro. Für das gesamte Jahr bleibt der Blick ungetrübt. Die Expansionsstrategie läuft. Bei den 695 Filialen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien soll es nicht bleiben. Neben vielen weißen Flecken in Süddeutschland hat Fielmann auch ein Auge auf 1-a-Lagen in Polen geworfen.

Doch wozu die kostspielige Expansion? Der globale Markt für Brillen, Gläser, Sonnenbrillen und Kontaktlinsen wächst jährlich um 5,5 Prozent. Eben ein Riesenmarkt. Fielmann erzielt seine Umsätze aber in der vergleichsweise kleinen Region Mitteleuropa. In Deutschland betrug das Wachstum zuletzt drei Prozent. Tendenz abnehmend. Denn die Käufer der margenstarken Gleitsichtbrillen, die Babyboomer, kommen in die Jahre. Die Kauffrequenz bei neuen Sehhilfen sinkt. Fielmann muss sich gegen die demografische Falle rüsten (siehe Grafik auf Seite 4). Dabei steht die erfolgsverwöhnte Firma selbst vor einem Generationenwechsel. Der könnte die Innovationsfreude, die Kritiker bei Fielmann vermissen, befeuern. Auch weil die Konkurrenz nicht schläft.

Seit zehn Jahren in der Nische



Nächstes Jahr feiert Mr. Spex seinen zehnten Geburtstag. Der Online-Brillenhändler hat eine Nische besetzt. Weil die Mehrheit beim Brillenkauf die persönliche Beratung schätzt, kooperiert Mr. Spex im deutschsprachigen Raum mit 550 lokalen Augenoptikern. Beim Onlinekauf von Linsen oder Sonnenbrillen ist das nicht notwendig. Gerade die jüngere Generation bevorzugt Kontaktlinsen und ist zudem online-affin. Wenn also Mr. Spex mit 65 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2014 derzeit noch keine wirkliche Bedrohung für Fielmann ist, so ist das Potenzial dafür dennoch vorhanden.

Das weiß auch Apollo. Der Filialist aus Süddeutschland wurde ebenfalls 1972 gegründet. Mit mehr als 800 Filialen, die sowohl konzerneigen als auch als Franchise geführt werden, ist Apollo-Optik der deutsche Platzhirsch. Auch Apollo eröffnet neue Filialen, um zu wachsen. Gleiche Kundschaft, gleiches Problem, könnte man meinen. Doch Apollo hat eine grandiose Fernsicht. Die Firma gehört seit 1998 zur weltweit tätigen Optikergruppe GrandVision. Die Niederländer sind mit rund 6110 Filialen in über 43 Ländern präsent und gemessen an den Verkaufsstellen der größte Brillenhändler der Welt. Größe zählt. Je höher das Einkaufsvolumen, desto günstiger ist der Preis.



34 Marken auf dem ganzen Globus



GrandVision notiert erst seit Februar 2015 an der Börse. Für Kleinanleger der ersten Stunde hat sich das Investment gelohnt. Die Aktie notiert deutlich über dem Ausgabepreis von 20 Euro. Das IPO spielte 1,17 Milliarden Euro ein. Geld, um das weltweite Wachstum des Optikergeschäfts voranzutreiben. Die Niederländer besitzen 34 Brillenmarken rund um den Globus. Etwa die Hälfte des Umsatzes erzielt GrandVision im alten Europa. Mit den Gewinnen wird die Wachstumsstrategie in den Schwellenländern und nicht konsolidierten Märkten finanziert. Die Wachstumsaussichten in Afrika und Asien sind zweistellig (siehe Grafik auf der Seite 4). Zu den Verkaufsknüllern zählen Kontaktlinsen und Sonnenbrillen, auch online. GrandVision baut seinen Multikanal-Vertrieb aus und integriert die jüngsten Zukäufe. 2015 wurde die US-Optikerkette "For Eyes" mit 116 Läden und einem Umsatz von 92 Millionen Dollar gekauft, zuvor ein Onlinehändler in Großbritannien.

Wenn der Prozess abgeschlossen ist, verfügt GrandVision über ein effizientes Einkaufs- und Verkaufsprogramm, sowohl stationär als auch online. Die Folge sind Kosteneinsparungen und bessere Margen. Die Analysten der Investmentbank UBS sehen GrandVision für die Zukunft besser gerüstet als Fielmann. Ihr Kursziel für GrandVision lautet 26,50 Euro - und da notiert die Aktie auch schon fast.

Das freut Ankeraktionär HAL Trust, der 21,5 Prozent der Grand-Vision-Aktien an die Börse gebracht hat. Hinter der börsennotierten HAL Trust steht die Familie van der Vorm, die Erben der Holland-Amerika-Linie, die über Jahrzehnte Auswanderer per Schiff in die USA brachte. Die Familie hat ein gutes Händchen bei ihren Investments. Der Aktienkurs von HAL Trust legte auf Sicht der vergangenen zehn Jahre um 225 Prozent zu.

2015 trug das Optikergeschäft 5,1 Milliarden Euro zum Umsatz von HAL bei, was einem Anteil von 62 Prozent entspricht. GrandVision repräsentiert 40 Prozent des Net Asset Value der Holding. Seit 2010 gehört auch eine Beteiligung am italienischen Nobelbrillen-Designer Safilo dazu. HAL stieg mit 41,6 Prozent ein, als Safilo wegen Missmanagements und infolge der Finanzkrise 2008 den Durchblick verloren hatte. Die Aktie stürzte von 65 Euro auf das Tief von rund vier Euro ab. 2015 belief sich der Nettoverlust auf 52,7 Millionen Euro bei einem Umsatz von 1,27 Milliarden Euro. Die Restrukturierung greift jedoch inzwischen: Im ersten Halbjahr 2016 gab es einen Gewinn von 16,3 Millionen Euro bei einem Umsatz von 651 Millionen Euro.

Safilo stellt Gläser, Gestelle und Sonnenbrillen her. Cash-Bringer waren die Lizenzerlöse. Von den ehemaligen Nobelemblemen Armani, Gucci und Dior ist das französische das einzig verbliebene Zugpferd. Gucci wird von der Beteiligungsgesellschaft Kering in einen neuen Sektor Brillengeschäft eingegliedert. Safilo bleibt wahrscheinlich der Lieferant, muss dafür aber mit geringeren Margen rechnen als im direkten Lizenzgeschäft. Deshalb wollen die Italiener neben ihren eigenen Marken Carrera, Smith und Polaroid weitere Marken einführen. Mit der Schweizer Swatch macht Safilo bereits gemeinsame Sache. Mit dem brasilianischen Flip-Flop-Hersteller Havaianas und dem Luxuslabel Givenchy sowie Elie Saab wird verhandelt.



Hyperaktive Italiener



Der Turnaround ist eingeleitet. Vor dem Hintergrund des stark gefallenen Aktienkurses wird an der Börse wild spekuliert. GrandVision ist ein großer Safilo-Kunde. HAL könnte beide Firmen fusionieren und die italienische Eigentümerfamilie von Safilo auszahlen. Zum anderen könnte sich auch die französische Essilor nach Safilo umsehen. Essilor ist der weltgrößte Brillengläserproduzent und bei selbsttönenden Gläsern der Weltmarktführer. Die Franzosen verfolgen eine aggressive Wachstumsstrategie und dringen zunehmend in die gesamte Wertschöpfungskette ein. Allein 2015 wurden 19 Akquisitionen getätigt, vom Onlineverkäufer bis zur Filialkette, von Australien, Brasilien, Polen über China bis Neuseeland.

Das bringt auch die Nummer 1 bei Brillengestellen, die italienische Luxottica, unter Druck. Das "Merger & Acquisitions"-Team sei hyperaktiv", heißt es in der Branche, Luxottica sei so richtig in Kauflaune. Nach einem Rekordjahr 2015 investiert der Hersteller von Ray-Ban-, Persol- und Oakley-Gestellen bis 2018 gut 1,6 Milliarden Euro in Entwicklung, Online-geschäft und Expansion in neue Märkte. Das bietet viel Raum für Spekulationen. Wer schnappt sich Safilo? Oder nehmen die beiden führenden Unternehmen der Branche, Essilor und Luxottica, gar wieder ihre Gespräche über eine engere Zusammenarbeit auf? Die wurden vor einigen Jahren von Luxottica beendet, weil die Italiener zu wenig Vorteile für sich sahen. Das könnte sich inzwischen geändert haben. Wie der Markt für Sehhilfen. Brillen sind ein Riesengeschäft, weltweit.