Britische Lebensversicherer raten ihren mehr als 500 000 deutschen Kunden, ihre Policen auf Gesellschaften in EU-Ländern zu übertragen. Welche Folgen dies für die Versicherten hat. Von Ulrich Lohrer

Am 29. März 2019 um 23 Uhr britischer Zeit soll der Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) rechtskräftig werden. Weil das britische Unterhaus am 15. Januar 2019 den von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelten Vertragsentwurf zum Brexit ablehnte, droht ein ungeregelter Austritt. Betroffen wären nach Schätzungen auch mehr als eine halbe Million Deutsche, die eine britische Lebensversicherung haben und nun verunsichert sind.

Vermittelt wurden die Policen von der Insel häufig als rentable Alternative zur deutschen Lebensversicherung. Beliebt waren insbesondere sogenannte Unitised-with-Profit-Policen (UWP), die geringere und nur endfällige Garantien haben und mittels höherer Aktienanteile potenziell mehr Rendite erzielen können. Aktuell werden hierzulande aber kaum noch UWP-Verträge angeboten, sondern vor allem Fondspolicen.

Im vergangenen Herbst erhielten deutsche Kunden Post der Versicherung Standard Life. Darin wurden sie informiert, "dass britische Versicherer mit einer Niederlassung in Deutschland nach dem Brexit die Zulassungsrechte für die EU (‚EU-Passporting-Rechte‘) verlieren werden". Weiter hieß es: "Wenn wir nichts unternehmen, ist es wahrscheinlich, dass Standard Life Assurance nicht länger in der Lage sein wird, die von uns bereits abgeschlossenen Verträge in der EU zu betreuen oder neue Verträge in der EU abzuschließen."

Um die EU-Passporting-Rechte zu bewahren, beabsichtigt Standard Life, die Policen dem Tochterunternehmen in Dublin zu übertragen und wie bisher über eine deutsche Niederlassung vor Ort zu betreuen. Von dem EU-Mitgliedsstaat Irland dürfen weiterhin Policen über die deutsche Niederlassung in Deutschland vermittelt werden. Zu den britischen Versicherern mit deutschen Kunden zählen auch Clerical Medical, Friends Provident (Aviva) und Royal London.

Auf die Übertragung kommt es an



"Mit dem Wegfall des EU-Passporting kann die Erlaubnis zum EU-weiten Geschäftsbetrieb nur mit der Zulassung im jeweiligen Herkunftsstaat erfolgen. Dadurch entsteht das Problem der Vertrags- und Servicekontinuität", erläutert Axel Kleinlein, Vorstandsprecher des Bundes der Versicherten. Britische Versicherer könnten in Deutschland keine Policen mehr vertreiben. Aber auch Deutsche mit britischen Policen könnten betroffen sein, wenn sie ihre Verträge ändern wollen. "Die Betreuung bestehender Verträge ohne jede Vertragsänderung ist aber möglich, auch die Auszahlung im Rahmen des bestehenden Vertrags", sagt Kleinlein.

Weil aber Verträge auch mal angepasst werden müssen und die britischen Versicherer weiter Policen verkaufen wollen, möchten sie sich den EU-Pass durch die Übertragung der Policen aus Großbritannien zu Tochterunternehmen nach Irland (Friends Provident, Royal London, Standard Life) oder Luxemburg (Clerical Medical) erhalten. Ein britisches Gericht entscheidet, ob die Übertragung zulässig ist. Dabei berücksichtigen die Richter Stellungnahmen von Gutachtern, den betroffenen Aufsichtsbehörden sowie von Kunden.

Im Fall von Standard Life würde statt der britischen Prudential Regulatory Authority künftig die Central Bank of Ireland für die Finanzaufsicht zuständig sein. "Dies hätte für die Versicherungsnehmer keine unmittelbaren Auswirkungen. Ungeachtet eines möglichen Umzugs behielten die abgeschlossenen Versicherungsverträge selbstverständlich ihre Gültigkeit", so Norbert Pieper von der Finanzaufsicht Bafin. Entsprechend blieben den Versicherungsnehmern ihre Ansprüche gegenüber dem Unternehmen erhalten.

"Das Gericht wird seine Entscheidung zur Bestandsübertragung nach derzeitiger Planung im März 2019 vor dem Brexit-Termin am 29. März 2019 fällen", sagt Nils Wein, Head of Legal von Standard Life. Aufgrund des positiven Gutachterberichts werden die Chancen für eine Übertragung als gut eingeschätzt. Nach dem Übertrag werden die deutschen (und österreichischen) Verträge nach wie vor von einer hiesigen Niederlassung unter deutschem Vertrags- und Steuerrecht betreut. Auch die Rechtsaufsicht der Bafin bleibt bestehen. Lediglich die Finanzaufsicht wechselt von der britischen zur irischen.

Für den Fall, dass die Übertragungen vor dem Brexit nicht zustande kommen sollten, hat der deutsche Gesetzgeber vorgesorgt: Durch eine sich im parlamentarischen Verfahren befindliche Gesetzesänderung (VAG) kann die Bafin bis 21 Monate nach dem Brexit-Termin Übergangsregelungen zugunsten der Versicherungsnehmer und Begünstigten aus Versicherungsverträgen festlegen. Britischen Versicherern wird damit in Deutschland für die Übertragung also noch eine Gnadenfrist zugestanden.

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Kein Kündigungsrecht wegen Brexit



Mit dem Wechsel nach Irland oder Luxemburg würde allerdings der in Großbritannien seit 2001 bestehende gesetzliche Entschädigungsfonds FSCS (Financial Services Compensation Scheme) für deutsche Anleger entfallen. Deshalb sollte aber keine Police vorschnell gekündigt werden. "Wegen des Brexits gibt es nach vorherrschender juristischer Auffassung ohnehin kein außerordentliches Kündigungsrecht", erklärt Kleinlein.

Aufgrund des Brexit ergibt sich für Anleger also kein Entscheidungsdruck. Es empfiehlt sich allerdings die britische Police wie jede andere Lebensversicherung zu überprüfen, ob sie bedarfsgerecht und rentabel ist. Bei der Entscheidung, ob eine Police weitergeführt, beitragsfrei gestellt oder gekündigt werden soll, sollte berücksichtigt werden, dass die UWP-Garantien nur endfällig gelten. Das heißt, wer die Police vor Ablauf kündigt, kann viel Geld verlieren.

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