EINE GANZ ALTE GESCHICHTE

Emile Zolas Roman "Das Geld" erschien 1891. Die Übersetzung von Leopold Rosenzweig, die 1916 erstmals vorgelegt wurde, überzeugt nach wie vor durch süffige Sprache und plastische Details. Wenn dort gleich auf den ersten Seiten ein Spekulant schimpft: "Woher wissen Sie zum Teufel, dass das Kaiserreich krank ist? Ist im Januar die 300-Millionen-Anleihe nicht mehr als 15-fach überzeichnet worden? Lassen Sie uns jetzt zufrieden, alles steht gut", dann könnte man das - ähnlich - auch vor der Frankfurter Börse 130 Jahre später aufschnappen. Das Buch zeigt geltungssüchtige Bankiers, Makler und Spekulanten, kleine Sparer und verarmte Adlige, die mit dem "sicheren Tipp" die Reste ihres Vermögens verlieren. Aber auch eine mangelhafte Regulierung, die die listigen und hinterlistigen Manipulationen erst ermöglicht. Merken Sie etwas? Wirecard ist eine alte Geschichte - eine ganz, ganz alte. wr

Emile Zola: Das Geld | Insel Verlag, 584 Seiten, 12,00 € | ISBN: 978-3-45836-227-2

ALLES DREHT SICH UM DAS EINE

Das Logistikunternehmen PLAN, das seine kleinen Transporter im Roman "Ganze Arbeit" von einem Lager zum anderen schickt, hat eigentlich nur einen Zweck: für Vollbeschäftigung zu sorgen. Da Vollbeschäftigung aber nicht bedeutet, immer voll beschäftigt zu sein, bleibt auch im PLAN Zeit für Sinnfragen: Unaufhörlich brodelt die Gerüchteküche, Angestellte sind auf der Suche nach dem eigenen Vorteil, und es entspinnt sich sogar ein ideologischer Grabenkampf um die Frage, ob es angebracht ist, auch mal etwas früher Feierabend zu machen. Mit knochentrockenem Humor, lakonischem Stil und vordergründig harmlos wirkenden Dialogen nimmt der Brite Magnus Mills hier die Absurdität der Wirtschafts- und Arbeitswelt aufs Korn. Das Buch ist zwar derzeit vergriffen, auf Plattformen wie Amazon oder Momox gibt es aber immer genug gut erhaltene Exemplare zum kleinen Preis. höß

Magnus Mills: Ganze Arbeit | Suhrkamp Verlag, 188 Seiten | ISBN: 978-3-51841-754-6


 
GUTER MOND

Passend zur dunklen Winterzeit bietet der vorliegende Gedichtband eine angenehme Reise durch fünf Jahrhunderte deutscher Lyrik. Eine systematische Führung durch die Literaturgeschichte sollte der Leser hier zwar nicht erwarten - das ist aber auch gar nicht der Anspruch des Buchs. Es geht vielmehr darum, eine lockere Sammlung von Gedichten zu bieten, in denen der Mond eine Haupt- oder Nebenrolle als "einsamer Held, als Tröster oder […] stiller Beobachter" einnimmt. Schon allein die Wahl der Autoren lässt auf ausgeprägte Vielfalt und Kontrastreichtum des Repertoires schließen: von Goethe, Eichendorff und Fallersleben über moderne Autoren wie Lasker-Schüler bis hin zu Rio Reiser. Gestützt wird die Lyrik durch Illustrationen, die manchen Gedichten einen neuen Anstrich geben oder in ihrer Zurückhaltung zu kreativer Reflexion anregen. Ein Buch, das bestens geeignet ist, um an den langen Abenden des Winters zum Träumen und zum Nachdenken anzuregen. mf

U. Maske/F. Harvey: Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst | Goya Verlag, 225 Seiten, 25,00 € | ISBN 978-3-83373-135-8


 
BAD BANKS

Ein Star-Trader, der sich zwischen Zürich und Basel aus dem Intercity stürzt, ein frustrierter Videojournalist und zwei Hundert-Franken-Scheine mit denselben Seriennummern: Das sind die wichtigsten Zutaten für Martin Suters Thriller, der in der Welt der Schweizer Banken und Hochfinanz spielt. Suter, einst Werbetexter, inzwischen der erfolgreichste Schriftsteller der Eidgenossen, entwirft mit "Montecristo" ein perfides Bild der Verflechtung von Finanzindustrie, Notenbank und Politik. Die "geldige" Schweiz eignet sich als Schauplatz dafür hervorragend. Aber Suter macht nicht an den Landesgrenzen halt, sondern beschwört in dem Plot eine weltweite Finanzkrise herauf. Zwischenzeitlich droht dem Protagonisten das Schicksal, wie der Graf von Monte Christo in Alexandre Dumas’ berühmtem Roman im Kerker zu landen. Der Verhaftung in Thailand kann er sich zwar entziehen, den Fängen des Finanzsystems letztlich nicht. Heiß-kalter Lesegenuss. ah

Martin Suter: Montecristo | Diogenes Verlag, 320 Seiten, 13,00 € | ISBN: 978-3-25724-366-6


 
VIEL MEHR ALS NUR KARTOFFELMARKT

Schon mit dem ironischen Titel setzt Ulrike Herrmann den Ton ihres Buchs. Sie nimmt ihre Leser mit auf eine faszinierende, fordernde, aber auch amüsante Bildungsreise durch die Wissenschaft der Ökonomie. Sie präsentiert große Theoretiker wie Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes als Menschen und intelligente Analysten von Markt, Macht und Gesellschaft. Demgegenüber hat sie wenig übrig für denkfaule Ökonomen, die sich den Kapitalismus auch heute wie einen Kartoffelmarkt vorstellen. Herrmann hat den Blick für Überraschendes. Würde Adam Smith, den Wirtschaftsliberale für sich reklamieren, heute leben, wäre er wohl Sozialdemokrat, schreibt sie. Und zu Ludwig Erhard: Nicht er habe das deutsche Wirtschaftswunder erzeugt, "sondern der Aufschwung war so stark, dass sogar ein ahnungsloser Wirtschaftsminister und Kanzler nicht störte". Viel Vergnügen! bb

Ulrike Herrmann: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung | Piper Verlag, 288 Seiten, 11,00 € | ISBN: 978-3-49231-159-5


 
DIE WELT IST BESSER ALS WIR GLAUBEN

Es wird alles immer schlimmer, eine schreckliche Nachricht jagt die andere: Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Es gibt mehr Kriege, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen. Viele Menschen tragen solche beängstigenden Bilder im Kopf. Doch sie liegen damit falsch, wie "Factfulness" (auf Deutsch: "Faktenfülle") zeigt. Hauptautor Hans Rosling, ein schwedischer Gesundheitsforscher, starb im Jahr 2017, Sohn und Schwiegertochter haben das Werk vollendet.

Anhand einer Fülle von statistischen Daten zeigen sie, dass es der Menschheit in vielerlei Hinsicht immer besser geht (außer in Bezug auf den Klimawandel, wie die Autoren einräumen). So hat sich der Anteil der in extremer Armut Lebenden binnen 20 Jahren mehr als halbiert - vermutlich der schnellste entsprechende Rückgang in der Weltgeschichte. 80 Prozent aller einjährigen Kinder sind in der Zwischenzeit geimpft, und in Ländern mit niedrigem Einkommen besuchen inzwischen 60 Prozent der Mädchen die Grundschule. Die Roslings untersuchen zugleich, worauf die Fehleinschätzungen zurückzuführen sind. Dazu identifizieren sie zehn menschliche Grundreflexe: etwa Negativität, Angst und Schuldzuweisung. Und sie geben Tipps, wie man Denkfallen umgehen kann. Ergebnis: Die Welt ist besser, als wir glauben. mrm

H. Rosling/A. Rosling Rönnlund/O. Rosling: Factfulness | Ullstein Taschenbuch, 400 Seiten, 16,00 € | ISBN: 978-3-54806-041-5


 
DIE SPINNEN DIE RÖMER

Die Umstände sind den meisten bekannt: 50 vor Christus, und die Römer schaffen es einfach nicht, die Bewohner dieses kleinen gallischen Dorfs an der Nordküste zu unterwerfen. Cäsar ist ratlos. Da kommt der junge Technokratus des Weges. Der ehrgeizige Betriebswirt überzeugt den Feldherren, die Gallier mit Geld dekadent und schließlich schwach zu machen. Die Römer kaufen alle Hinkelsteine auf, die die Gallier, allen voran Obelix, produzieren. Im Dorf entsteht ein Wettlauf, wer mehr Wildschweine produzieren kann, um sich luxuriöse Dinge wie Seide aus Lutetia leisten zu können. Die Asterix-Schöpfer Goscinny und Uderzo packen in diesen schmalen Comic eine witzige wie lehrreiche Geschichte von Boom und Bust, an deren Ende die römische Staatskasse leer ist, und die Gallier, nachdem sie das Römerlager mal wieder verwüstet haben, ein großes Fest feiern. hm

René Goscinny/ Albert Uderzo: Obelix GmbH & Co. KG | Egmont Comic Collection, 48 Seiten, 12,00 € | ISBN: 978-3-77043-623-1


 
INFLATION & CO VERSTEHEN

Auf einmal ist sie wieder da, die Inflation, die Geldentwertung, die gerade die Deutschen so fürchten. Oder ist es nur eine Teuerung? Und was ist dann Stagflation? Und was kann dagegen getan werden? Diese Fragen und noch viele mehr rund um Notenbanken, Anleihekäufe, Außenhandelsdefizite und wirtschaftspolitische Staatsziele beantwortet das Buch des kanadischen Wirtschaftsjournalisten Greg Ip. Zwar nutzt er dabei Beispiele aus den USA, doch weil Volkswirtschaft rund um den Globus gleich funktioniert - selbst die Kommunisten in China kommen ihr nicht aus -, ist dieses Sachbuch nach wie vor hochaktuell. Zudem gelingt es Ip wunderbar, auch kompliziertere Zusammenhänge einfach und verständlich zu erklären. Wer verstehen will, was die Zentralbanker derzeit so treiben und in welchem wirtschaftlichen Wolkenkuckucksheim so mancher Politiker wandelt - dieses Buch erklärt es. bat

Greg Ip: Volkswirtschaft - Was ist das eigentlich? | Börsenmedien AG, 256 Seiten, 27,90 € | ISBN: 978-3-86470-182-5


 
ALLES ÜBER DEN HANDEL MIT KRYPTOWÄHRUNGEN

Der Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co ist ein neuer und aufstrebender Markt, für den sich auch immer mehr Trader begeistern. Tatsächlich lassen sich hier mit der passenden Strategie richtig hohe und nachhaltige Renditen erzielen.

Sascha Huber, selbst erfahrener Kryptotrader, führt in diese Welt ein und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen: Wie erkenne ich interessante Coins und Tokens? Wie vermeide ich sogenannte Shitcoins? Zudem stellt er verschiedene Methoden für erfolgreiches Trading vor, zeigt Chancen und Risiken der Kryptobörsen auf und gibt relevante Tipps zum Thema Steuern. Huber gilt als profunder Kenner der Hightechbranche. Er erkannte als einer der Ersten das große Potenzial von Aktien wie Apple, Amazon sowie zuletzt Netflix und Tesla. Zudem ist er einer der bekanntesten Experten für Kryptowährungen im deutschsprachigen Raum. Seit November 2017 betreut er den Trading-Service Krypto Trader auf der Analyse- und Handelsplattform Guidants. Außerdem managt er fünf börsennotierte Zertifikate, darunter das sehr erfolgreiche Stockpicking Worldwide. ks

Sascha Huber: Kryptotrading | FinanzenBuch Verlag, 240 Seiten, 29,99€ | ISBN: 978-3-95972-194-3


 
SPÖTTISCH UND SCHONUNGSLOS OFFEN

Manche Dinge sind so unwahrscheinlich wie ein schwarzer Schwan und geschehen dennoch. Auf dieser These beruht das Buch "Der Schwarze Schwan", das Nassim Taleb 2007 veröffentlichte und das ihn berühmt machte. Denn wer wollte, konnte darin im Nachhinein eine treffsichere Prognose zur Finanzkrise 2007/2008 lesen, die in der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers gipfelte. Vorstellen möchte ich hier jedoch "Narren des Zufalls", das erste Buch von Taleb. Schon 2001 schrieb der damalige New Yorker Börsenhändler so kenntnisreich, schonungslos offen und unterhaltsam über die Kapitalmärkte, dass Kenner sein Buch früh rühmten. Auch den "Schwarzen Schwan" erwähnte Taleb damals schon. Mich hat "Narren des Zufalls" fasziniert. Taleb verspottet darin immer wieder Betriebswirte, Finanzjournalisten, Fondsmanager und Wissenschaftler, die er meist für unfähig hält, das Wesen des Zufalls zu verstehen. Paradoxerweise dürfte dies genau jene Zielgruppe sein, die er mit seinem Buch erreicht und begeistert hat. Denn Taleb spottet auf hohem Niveau, sodass man ihn mit Vergnügen liest. "Narren des Zufalls" ist kein Börsenratgeber, der seinen Lesern Tipps gibt. Taleb vermittelt vielmehr ein tieferes Verständnis für die Börse, was langfristig mehr wert sein dürfte. rf

Nassim Taleb: Narren des Zufalls | Pantheon Verlag, 352 Seiten, 14,00 € | ISBN: 978-3-57055-390-9