Die jüngste Nachricht, die Andreas Mundt aus Düsseldorf bekommen hat, war alles andere als schön. Die Richter des dortigen Oberlandes­gerichts hatten eine Anordnung des Bundeskartellamts an den amerikanischen Internetkonzern Facebook regelrecht zerpflückt.

Mundt und seine Beamten wollen den amerikanischen Webriesen dazu bringen, Daten seiner Kunden nur auf jenen Plattformen zu nutzen, wo er sie auch sammelt. Bislang vereint das Unternehmen alle Daten, die ein Nutzer auf Facebook sowie auf den zum Konzern gehörenden Diensten wie WhatsApp oder Instagram hinterlässt, zu einem Profil. Aus Sicht der Kartellwächter entsteht eine übergroße Marktmacht, die es anderen Wettbewerbern nicht möglich mache, vergleichbare Dienste anzubieten. Zudem müssten die Nutzer die Wahl haben, wo ihre Daten ausgewertet würden. Facebook wollte sich den Eingriff der Bonner Behörde nicht gefallen lassen und zog in Düsseldorf vor Gericht. In der ersten Instanz hatten die Kartellwächter um Mundt recht bekommen, das Oberlandesgericht hat die Entscheidung nun kassiert.

Doch Andreas Mundt ist keiner, der sich von solch einer Niederlage vor Gericht entmutigen lässt. Als Jurist weiß er allzu gut, dass er nach einem Urteil eines Oberlandesgerichts vielleicht eine Schlacht verloren hat, aber noch nicht den Krieg. Schon in der Pressemitteilung des Kartellamts war zu lesen, dass man weiter an den Bundesgerichtshof ziehen werde. Mundt sieht den Prozess als Präzedenzfall. "Wir sind dabei, kartellrechtliche Leitplanken in die Internetökonomie einzuziehen", sagte er seinerzeit, als er die Öffentlichkeit über seine Anordnung gegenüber Facebook informierte. Markige Worte, die Mundt von seinen Vorgängern im Amt unterscheiden.

Leiser Medienprofi


Während etwa sein Vorgänger Bernd Heitzer bestenfalls Eingeweihten bekannt war und dem Bundeskartellamt der Ruf einer angestaubten Behörde mit Sitz im ehemaligen Bonner Regierungsviertel anhaftete, weiß Mundt nicht nur, wie man das Kartellrecht, sondern auch wie man die Medien für sich nutzt. Trotzdem ist der 59-Jährige keine Rampensau, die man etwa mit dem ehemaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans vergleichen könnte. Dieser hatte den Kampf gegen Steuerhinterzieher wie eine Art persönlichen Kreuzzug geführt und bei öffentlichen Auftritten kaum ein Mikrofon unbesprochen gelassen.

Wer Andreas Mundt auf der Straße sieht, würde den mittelgroßen Mann mit dem vollen, leicht grauen Haar als eher unauffällig beschreiben. Die Statur ist weder dick noch dünn, die Kleidung, sprich Anzug und Krawatte, ist für einen Spitzenbeamten korrekt, wobei eher Grautöne dominieren. Es ist eben sein Stil. Bei der Onlinekonferenz Re:publica kokettierte er sogar mit seinem Äußeren: "Ich bin hier wohl der Einzige mit Krawatte und ohne Turnschuhe."

Doch Andreas Mundt hinterlässt Eindruck. Das beginnt bei seinem ausgesprochen festen, aber keineswegs groben Händedruck. Wer mit ihm spricht, kann sich sicher sein, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben. Im Bundeskartellamt herrscht im engeren Kreis um den Präsidenten das "Du" statt einem förmlichen "Sie", das den Amtsstuben in der Villa Hammerschmidt wohl angemessener wäre. Mundts größte Stärke ist aber zweifelsohne die Fähigkeit, Sachverhalte so zu erklären, dass sie jeder versteht. Seine Art zu reden ist ruhig und ohne missionarischen Eifer. Der Kartellamtschef hat eine klare Vorstellung davon, wie der Wettbewerb in einer Marktwirtschaft funktionieren soll. Wird ein Unternehmen in seinem Markt zu mächtig, schreitet er ein.

Mit einem Vater als Medizinprofessor hätte ihm sicher auch eine Laufbahn als Arzt offengestanden, doch der Zivildienst in einer Klinik - während dem er seine Frau kennenlernte - war sein letzter Ausflug ins Gesundheitswesen. Mundt studierte Jura, zunächst zu Hause in Bonn, dann im schweizerischen Lausanne. Nach den beiden Staatsexamina arbeitete er in den frühen Neunzigern als Referent zu Fragen des Aufbaus Ost im damals FDP-geführten Bundeswirtschaftsministerium. Nach einigen Jahren als Mitarbeiter der FDP-Bundestagsfraktion wechselte er ins Team der liberalen Abgeordneten Gisela Babel.

Diese erinnerte sich vor Jahren an einer weitere bemerkenswerte Eigenschaft Mundts. Wer ihm freitagabends oder samstags eine E-Mail schreibt oder ihn anderweitig auf dem Dienstweg zu erreichen versucht, muss sich bis Montagmorgen gedulden. Seine Freizeit und seine Familie sind dem dreifachen Vater, auch wenn die Kinder langsam das Elternhaus verlassen, heilig. Eine Einstellung, von der auch seine rund 330 Mitarbeiter beim Bundeskartellamt profitieren.

Im Jahr 2000 kam Mundt dorthin. Die Behörde war gerade wieder von Berlin nach Bonn umge­zogen. Mundt findet die Ferne zum politischen Berlin übrigens gut. Das unterstreiche die Unabhängigkeit seines Amts, das rein organisatorisch dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt ist.

Zurück in Bonn war Mundt zunächst für Kreditinstitute und Lotteriewesen, kartengestützte Zahlungssysteme zuständig, als Leiter des Referats "Internationale Wettbewerbsfragen". 2005 wurde er Leiter der Grundsatzabteilung. Im Dezember 2009, also vor fast zehn Jahren, folgte der Ruf an die Spitze. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle holte Kartellamtschef Bernd Heitzer als Staatssekretär nach Berlin, und Andreas Mundt bezog in Bonn das Präsidentenbüro des Bundeskartellamts, in dem in den Anfangsjahren der Republik Bundespräsident Theodor Heuss gearbeitet hatte. Seitdem verteidigt Mundt den freien Wettbewerb zum Wohl der Gesamtwirtschaft und zum Wohl der Verbraucher. "Denn Wettbewerb", so Mundt, "ist der beste Verbraucherschutz."

Erfolge gegen Amazon


Vor allem die Macht der Internet­riesen sieht er als gefährlich an. ­Facebook hat seiner Ansicht nach derzeit eine Marktmacht, die ihresgleichen sucht. Menschen, die sich online mit anderen vernetzen wollen, kommen schier nicht an den Diensten der Kalifornier vorbei. Das Gleiche gilt nach seiner Auffassung für Händler, die ihre Waren auf Amazon feilbieten. Gegen den weltgrößten Onlinehändler hat Mundt schon einige Erfolge erzielt. So haben Händler deutlich mehr Rechte und müssen auch gegenüber Amazon nicht mehr garan­tieren, auf der Plattform der Amerikaner den besten Preis für ihre Ware zu bieten.

Auch Google rückt immer mehr in den Fokus von Mundt: "Google hat von mir eine 20-jährige Suchhistorie und wird mich immer besser bedienen, denn Google weiß, was ich in der Vergangenheit gesucht habe. Als Verbraucher werde ich also immer zu Google gehen. Ein Newcomer wird Probleme haben, sich zu etablieren", erklärt er seine eigene Google-Geschichte.

Zügeln statt zerschlagen


Doch Mundt geht es nicht darum, Facebook, Amazon und Co zu zerschlagen - wie es einige US-Politiker derzeit fordern. "Ein Unternehmen zu zerschlagen kann immer nur die Ultima Ratio sein", sagt er. Mundt sieht das Kartellrecht in der Lage, die Unternehmen zu zügeln. Ein Schlüssel dafür kann das Recht der Nutzer an ihren Daten sein, so wie er es gegen Facebook erstreiten will. Dabei hat er mit der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine mächtige Verbündete. Mundt selbst ist bestens mit den ­übrigen Kartellwächtern Europas vernetzt und gilt den amerikanischen Internetkonzernen als einer der härtesten Kontrolleure.

Sein Blick richtet sich auch auf Fernost. Baidu, Alibaba und Tencent, die drei Internetgrößen Chinas, haben hierzulande noch kaum Marktanteile, aber der Kartellamtschef sieht bei ihnen eine mindestens so große Datensammelwut wie bei den Amerikanern.

Auch der Bezahldienst Apple-Pay oder Facebooks Pläne einer eigenen Währung sind ein Thema in Bonn. Mundt denkt an eine vorbeugende Missbrauchsaufsicht. "Wenn große Internetplattformen sich neue Geschäftsfelder erschließen möchten, könnten wir dies kritisch prüfen, dem Gedanken folgend: Ihr habt noch keinen großen Marktanteil, aber Ihr bringt Abermillionen Kunden mit all deren Daten mit und habt das Potenzial, diesen Markt aufzurollen", erklärt er.

Es bleibt als noch viel zu tun für Mundt, der bald 60 wird und keinen Gedanken an einen irgendwie gearteten Vorruhestand verschwendet. Dabei gibt es neben der Familie einiges, was seine Freizeit erfüllt. Etwa die Berge, zig Urlaube hat er bereits in den Alpen verbracht. Eine weitere Leidenschaft: "Kleine, schnelle Autos, die einem den Kontakt mit der Straße bieten." Konkret denkt er dabei an den Alfa Romeo Spider, den er zehn Jahre lang besaß oder den Fiat Panda seiner Studentenzeit.

Kurzvita

Hart, aber höflich
Andreas Mundt wurde 1960 in Bonn geboren und studierte dort und in Lausanne Jura. Zunächst arbeitete er ab 1991 als Referent im Bundeswirtschaftsministerium. Danach war er als Mitarbeiter der FDP- Bundestagsfraktion und der Abgeordneten Gisela Babel tätig. Im Jahr 2000 kam er zurück nach Bonn ins Bundeskartellamt, wo er Ende 2009 zu dessen Präsidenten ernannt wurde. Er ist der erste Kartellamtspräsident, der die Verfahren seiner Behörde regelmäßig in die Öffentlichkeit trägt. Mundt gilt als unaufgeregt, überaus höflich, aber hart in der Sache.