Blicken wir zunächst auf den Chart. Seit Anfang 2014 pendelt der Kurs, abgesehen von einem Fehlausbruch im Oktober vergangenen Jahres, in einer Spanne zwischen 29 bis 39 Euro. Aktuell werden rund 31 Euro aufgerufen, Anleger können daher im unteren Bereich der Range einsteigen und so ein sehr gutes Chance-Risiko-Verhältnis nutzen. Abgesichert mit einem Stopp bei 27,50 Euro bleibt das theoretische Verlustpotenzial stark begrenzt. Nach oben hin sind hingegen Gewinne von mindestens acht Euro je Aktie zu erwarten. Bei einem längerfristigen Anlagehorizont kann auch auf einem Ausbruch über 40 Euro spekuliert werden. Charttechnisch wären dann Kurse von rund 52 Euro möglich. Warburg Research siedelt das Kursziel bei 47 Euro an, was einem Potenzial von rund 50 Prozent entspricht. Da der seit 2009 laufende Aufwärtsimpuls noch intakt ist und die Aktie bisher nur auf hohem Niveau konsolidiert, bleibt ein Ausbruch auf der Oberseite der Range das wahrscheinlichere Szenario.
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Wolken-Leader 2015
Flankiert wird die technische Einschätzung von den fundamentalen Rahmendaten. Die Zahlen für die ersten sechs Monate zeigen bereits klar, wohin die Reise in Zukunft gehen wird. Derzeit befindet sich der IT-Dienstleister noch in einer Restrukturierungsphase, in der die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt werden. Als eines der größten IT-Systemhäuser Deutschlands mit dem Fokus auf den Mittelstand sind die Münchner vor allem im Bereich Produkt- und Dienstleistungen stark vertreten. Mit Hardware, Software und Verbrauchsmaterialien aller großen Anbieter und ergänzenden IT-Dienstleistungen wie Wartung, Betrieb und Konzeption von IT-Systemen erzielt Cancom rund 85 Prozent vom Umsatz, die Ebitda-Marge liegt in dem Bereich allerdings nur bei ungefähr fünf Prozent. Im Vergleich dazu sind die Wachstumszahlen der zweiten Säule "Cloud Solutions" in ganz anderen Regionen anzusiedeln. Während das klassische Geschäft im ersten Halbjahr um gut 14 Prozent stieg, wuchs der Umsatz mit den Cloud-Angeboten um knapp 35 Prozent. Bisher werden mit dem jungen Bereich aber erst 15 Prozent der Erlöse erzielt, die Ebitda-Marge liegt aber bei über 20 Prozent. Mit der konsequenten Fokussierung auf das Cloud Business setzt Cancom auf ein Megathema der Zukunft und zählt bereits jetzt zu den "First Movern". Die Auszeichnung zum "Cloud Leader 2015" in sieben Marktkategorien unterstreicht die überdurchschnittliche Wettbewerbsstärke und Portfolioaktivität des Konzerns.
Dabei spielt natürlich das Thema Datensicherheit eine zentrale Rolle. Auch hier kann Cancom gleich doppelt punkten. Von Cisco erhielten die Münchner zuletzt den "Security Partner of the Year Award" für Deutschland und Europa und damit eine begehrte Auszeichnung für die Cloud Expertise und die IT-Sicherheitslösungen. Umfragen zeigen, dass besonders die AHP Private Cloud von Cancom bevorzugt wird. Mit diesem Angebot steht Kunden unabhängig von Zeit und Ort eine sichere virtuelle Arbeitsplatzumgebung zur Verfügung. Die Lösung läuft auf Cancoms Server oder dem Server der Kunden sowie in jedem anderen Rechenzentrum. Während anderen Wettbewerber wie Google nur als Anbieter von Speicherkapazität im Markt aktiv ist, bietet Cancom weitere Service-Vereinbarungen an wie kurze Reaktionszeiten und eine Garantie, die IT-Infrastruktur in Betrieb zu halten. Besonders im Bereich der Mittelstandsunternehmen gibt es hier keinen vergleichbaren Anbieter.
Auch wenn die Nachfrage nach Cloud-Lösungen seit Monaten stark zunimmt, ist dies erst der Anfang. Besonders die von Cancom adressierte Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen, die bisher ihre IT meistens in Eigenregie betreiben, dürften schon bald aufgrund der zunehmenden Komplexität und der damit verbundenen Kosten zu alternativen, modernen Lösungen wechseln. Hier bietet sich die Cloud an, denn die Kapazitäten können beliebig erweitert werden, zudem stehen die Daten jederzeit zur Verfügung. Gerade der zunehmende Trend zur Internationalisierung und der Einsatz von Laptops, Smartphones und Tablets wird die Entwicklung in den kommenden Monaten und Jahren weiter beschleunigen. Unternehmen, die bereits jetzt mit einem etablierten und verlässlichen Partner auf Cloud-Lösungen setzen, erzielen oft Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz, was sich wiederum positiv auf die Geschäftsentwicklung von Cancom auswirkt. Aufgrund der vielfach seit Jahren bestehenden engen Beziehungen mit Produkten und Dienstleistungen hat das TecDAX-Unternehmen bereits oft einen sehr engen Kontakt zum Kunden. Damit ist die Transformation von neuen Cloud-Nutzern aus dem bestehenden Kundenstamm wesentlich einfacher als über Neuausschreibungen.
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Rückzug der Konkurrenz
In die Karten spielt Cancom auch die Tatsache, dass verstärkt kleinere Anbieter aus dem IT-Markt aussteigen. Als eines der größten Systemhäuser Deutschlands profitiert Cancom nicht nur über günstigere Einkaufsmöglichkeiten und einem breiteren Produkt- und Dienstleistungssektrum, sondern auch durch die Kundennähe mit 30 Standorten in Deutschland, Österreich und den USA. Kleinere Anbieter sind oft nicht in der Lage, die immer komplexeren Aufgaben zu erfüllen. Cancom kann somit recht schnell Marktanteile gewinnen und Kunden an sich binden. Abwanderungsquoten von null Prozent für die AHP Private Cloud und nur drei bis fünf Prozent in den Pironet-Rechenzentren zeigen deutlich die Zufriedenheit der Kunden.
Da zudem rund die Hälfte des Umsatzes im Segment Cloud wiederkehrender Natur ist, steigt mit dem Wachstum im Cloud-Geschäft zugleich auch die Visibilität für die künftige Geschäftsentwicklung. Schätzungen von Warburg Research zufolge wird bereits im Jahr 2017 der Beitrag des Cloud-Bereichs zum Konzern-Ebitda bei rund 50 Prozent liegen.
Natürlich beinhaltet das stark auf Wachstum ausgerichtete Geschäftsmodell auch Risiken. Bisher investiert Cancom noch viel Geld in die Zukunft, was sich natürlich negativ auf die Profitabilität auswirkt. Mit dem stetig wachsenden Anteil wiederkehrender Umsätze, sinkenden Ausgaben und damit steigenden Margen bleibt die Aktie für mittel- bis langfristige Anleger aber ein ganz heißes Eisen. Für 2015 rechnet Börse Online mit einem Ergebnis je Aktie von 1,47 Euro, im kommenden Jahr dürften bereits 2,37 Euro hängen bleiben. Aufgrund der zuletzt vergleichsweise schwächeren Kursentwicklung ist die Aktie mit einem 2016er-KGV von 12,7 als günstig einzustufen. Auch eine Übernahme durch einen größeren Cloud-Anbieter kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. www.index-radar.de