Es ist noch nicht allzu lange her, dass Cannabisaktien zu den absoluten Börsenlieblingen gehörten. Als sich zunächst in Kanada und dem bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Kalifornien die Freigabe für Cannabis als Genussmittel abzeichnete, gingen die Aktienkurse vieler Unternehmen durch die Decke. Der Marihuana-Index konnte sich von November 2017 bis Januar 2018 mehr als verdreifachen, zahlreiche Börsenneulinge stellten in schönen Powerpoint-Präsenta­tionen ihre ambitionierten Pläne vor, wie man im künftigen Milliardenmarkt kräftig mitverdienen könne.

Inzwischen hat die Realität die Branche eingeholt, der nordamerikanische Marihuana-­Index notiert mittlerweile wieder auf dem gleichen Niveau wie im Herbst 2017 und fast zwei Drittel unterhalb seiner 2018er-Rekordhochs.

Branchenexperten führen mehrere Gründe für die momentanen Probleme der Branche an. So ist Cannabis mittlerweile zwar in 33 US-Bundesstaaten zumindest für den medizinischen Gebrauch legalisiert, auf Bundesebene wird der Stoff allerdings weiterhin als illegale Droge eingestuft. Für Cannabisunternehmen ist es daher mitunter extrem schwierig, an Kredite zu gelangen, Bankkonten zu eröffnen, oder Kreditkartenzahlungen anzubieten.

Studie verstärkt Absatzprobleme


Einen weiteren Dämpfer musste die Branche vergangenen Oktober hinnehmen, als die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erstmals vor dem Gebrauch von E-Zigaretten mit dem Cannabiswirkstoff THC warnte. Eine Studie hatte einige der Produkte als mögliche Ursache von schweren Lungenschäden identifiziert, an denen bis Ende des vergangenen Jahren mehr als 2600 Menschen in den USA erkrankt und fast 60 gestorben sein sollen.

Seit der Konsum von Cannabis im Herbst 2018 komplett freigegeben wurde, hat die Branche im Nachbarland Kanada zwar mit geringeren administrativen Hürden zu kämpfen, dafür ist die Nachfrage bislang deutlich hinter den Erwartungen geblieben. Umfragen zufolge besorgte sich zuletzt nicht einmal jeder dritte Cannabiskonsument seinen Stoff über legale Kanäle, wo die Preise aufgrund hoher Steuern und Kosten oftmals doppelt so hoch liegen wie auf dem Schwarzmarkt.

Viele Produzenten sitzen deshalb mittlerweile auf riesigen Lagerbeständen, während die Umsätze und Erträge bei weitem nicht an frühere Prognosen heranreichen. Inzwischen bringt die Entwicklung vor allem kleinere Unternehmen in Existenznöte, aber auch einige der großen Gesellschaften sahen sich zuletzt zu einem radikalen Personalabbau oder dem Austausch des Managements gezwungen. Dazu zählt auch Branchenprimus Canopy Growth, bei dem schon vergangenen Sommer Mitgründer Bruce Linton seinen Hut nehmen musste. An der Spitze der Gesellschaft steht mit David Klein nun der ehemalige Finanzchef von Großaktionär Constellation Brands. Vergangenen Freitag konnte er fürs abgelaufene Quartal einen Anstieg der Nettoumsätze um starke 62 Prozent und eine Verringerung des Ebitda-Verlusts von 156 Millionen auf 92 Millionen kanadische Dollar berichten. Beim kanadischen Hersteller Aphria wird der bisherige Interimschef Irwin ­Simon nun fest den Vorstandsposten bekleiden. Das Unternehmen kalkuliert für das laufende Jahr mit Erlösen zwischen 575 Millionen und 625 Millionen kanadischen Dollar und einem positiven Ebitda von 35 Millionen bis 42 Millionen kanadischen Dollar. Im Peergroupvergleich gehört die Aktie damit zu den günstigeren Produzenten. Erst vor Kurzem sicherte sich das Unternehmen eine Finanzspritze in Höhe von 100 Millionen kanadischen Dollar. Ein nicht genannter Investor erwarb mehr als 14 Millionen Aktien zum Preis von 7,12 kanadischen Dollar je Stück und ließ sich weitere Bezugsrechte zusichern.

Aktuell ist die Aktie an der Börse mehr als 20 Prozent günstiger zu haben. Wirklich benötigt hat die Gesellschaft die frischen Mittel übrigens nicht, man saß zum Ende des Quartals noch auf einem Liquiditätsbestand von knapp 500 Millionen kanadischen Dollar.

Erster europäischer Cannabis-ETF


Wer antizyklisches Geschick und etwas Geduld mitbringt, kann bei diesen großen, finanzstarken Cannabistiteln auf ein Comeback spekulieren. Sie dürften als Erste davon profitieren, wenn das Interesse der Investoren am Sektor zurückkehrt. Wachstumspotenzial ist innerhalb des Sektors in den kommenden Jahren reichlich vorhanden. Während weitere US-Bundesstaaten vor einer Lockerung ihrer Verbote stehen, dürften sich die Legalisierungsbemühungen auch in Europa, das als größter Markt für medizinisches Cannabis gilt, fortsetzen.

Mit dem Medical Cannabis and Wellness UCITS ETF ist seit Mitte Januar Europas erster börsengehandelter Cannabisfonds am Markt notiert. Von der kanadischen Fondsgesellschaft Purpose Investments und dem britischen ETF-Emittent Hanetf aufgelegt, investiert der ETF in Aktiengesellschaften, die im Bereich medizinischer Cannabisanwendungen tätig sind.

Einige Börsenprofis haben den Cannabismarkt zuletzt mit den volatilen Anfängen des Biotechsektors verglichen, wo es zu Beginn ebenfalls hohe Schwankungen gab. Wiederholt sich die Geschichte, könnte nun ein guter Einstiegszeitpunkt gekommen sein.