Er war einer der "Corporate Raider", die in den 80er-Jahren, der "Dekade der Gier", wie Piraten ihre größten Schlachten schlugen. Die Raider griffen Konzerne an, zerlegten und verkauften sie und zogen mit dreistelligen Millionengewinnen weiter. Die Strategie war fast immer die gleiche: Sie kauften sich ein kleines Aktienpaket ihres Opfers, erzeugten dann öffentlichen Druck, um andere Aktionäre und gleich gesinnte Investoren für sich zu gewinnen, attackierten die Vorstandschefs, die sie als träge und überbezahlt bezeichneten und erzwangen so eine Kampfabstimmung in der Hauptversammlung. Die Schlacht endete oft mit der Kapitulation der Firma. Oder sie zahlte Rekordsummen, um die Angreifer loszuwerden. Allein die Meldung, dass Icahn einen Anteil von fünf Prozent übernommen habe, reichte normalerweise aus, um das Management in Panik zu versetzen.

Zu Icahns Opfern gehörten so renommierte Firmen wie der Mineralölkonzern Texaco, der Stahlgigant US Steel und der Zigaretten- und Nahrungsmittelhersteller RJR Nabisco. Eines der wenigen Unternehmen, bei denen Icahn die operative Kontrolle übernahm, war die legendäre Fluggesellschaft TWA. Allerdings meldete der Konzern später Insolvenz an. Ein Einstieg bei General Motors misslang, da der Autohersteller Icahns Pläne öffentlich machte.

Icahn war, zusammen mit dem Junk- Bond-König Mike Milken, eines der Vorbilder für den Finanzhai Gordon Gekko im Filmklassiker "Wall Street". "Wenn du einen Freund brauchst, dann kauf dir einen Hund" ist einer jener in die Filmgeschichte eingegangenen Sprüche Gekkos. So hatte sich Icahn einmal gegenüber einem Mitarbeiter von TWA geäußert.

Seine Büros im General-Motors-Wolkenkratzer hoch über Manhattan gleichen sind dekoriert mit Trophäen seiner berühmtesten Übernahmen: Modellflugzeuge von TWA, Spielzeugeisenbahnen von ACF Industries und gerahmte Aktien erzählen seinen Kampf um Firmen, die zu den größten des 20. Jahrhunderts in Amerika gehörten. Von MGM bis Motorola, von Texaco bis Nabisco.

Duelle statt langweiliger Dinnerpartys

Mit 77 hätte sich Icahn längst zur Ruhe setzen können, um sich allein seinen Hobbys zu widmen. Er sammelt Kunst, vor allem Impressionisten, spendet für wohltätige Organisationen. Dennoch geht er noch immer keinem Fight aus dem Weg. "Was soll ich denn tun? Auf langweiligen Dinnerpartys rumsitzen?", fragte er einen "Forbes"-Reporter. In etwas über einem Jahr hat er Anteile an 14 Firmen erworben, hatte den Computerhersteller Dell im Visier und duellierte sich im Business-Sender "CNBC" mit dem Hedgefondsguru Bill Ackman, den er "eine Heulsuse auf dem Schulhof" nannte. Der halbstündige Schlagabtausch der beiden verfeindeten Alphatiere verschlug selbst hartgesottenen Börsianern die Sprache. Die Website "Business Insider" nannte das Duell "den größten Augenblick in der Geschichte des Finanzfernsehens".

Früher attackierte Icahn Unternehmen mit fremdem Geld, heute aber setzt er sein eigenes Vermögen ein, nachdem er 2011 alle Anleger seines Hedgefonds ausbezahlt hatte. In einem Brief an seine Kunden erklärte er, er wolle im Falle einer erneuten Krise an den Börsen nicht mehr für ihr Vermögen verantwortlich sein. Nach Schätzungen von "Forbes" verfügt Icahn über ein Vermögen von 20 Milliarden Dollar. Damit ist er der reichste Player an der Wall Street. Das Geld oder die Hilfe anderer braucht er damit nicht mehr - und das macht ihn so gefährlich.

Dass er allein zurechtkommen kann, war früh klar. Icahn wuchs als Sohn einer Lehrerin und eines Synagogenkantors (ein "frustrierter Opernsänger", wie Icahn seinen Vater beschrieb) im New Yorker Stadtteil Queens auf. Eine Arbeitergegend, in der mit harten Bandagen gekämpft wurde. Hier wohnten meist Iren, von denen der introvertierte und nachdenklich wirkende Junge oft verprügelt wurde. Den typischen Akzent von Queens hat Icahn bis heute behalten. Seine Kritiker belächeln ihn deshalb - er wirke bei öffentlichen Auftritten trotz seiner teuren Kleidung eher wie ein Textilvertreter.

Eigentlich wäre Icahn am liebsten Opernsänger geworden. Stattdessen schrieb er sich in Princeton an der Philosophischen Fakultät ein. Er schrieb 1957 eine Abschlussarbeit über Empirismus - eine philosophische These, wonach Theorien bedeutungslos sind, wenn sie nicht durch reale Beweise gestützt werden. "Ich habe an diesem verdammten Ding zwölf oder 14 Stunden täglich gearbeitet", sagte Icahn später. Er ließ sich sogar einen Bart wachsen, damit er die Zeit nicht mit Rasieren verschwenden musste. Seine Schlussfolgerung in der preisgekrönten Arbeit beeinflusste auch sein späteres Leben als Investor, wenn er in komplizierten Bilanzen zwischen den Zeilen nach Fakten suchte: "Wissen basiert nur auf dem, was man sehen kann", so Icahn.

Es war der Wunsch seiner Mutter, der ihn dazu bewegte, anschließend Medizin zu studieren. Aber nach wenigen Semestern gab Icahn auf und meldete sich beim Militär. Er nahm seinen Kameraden beim Pokern Zehntausende Dollar ab, die er an der Börse investierte und 1962 beim Crash gleich wieder verlor. Eine existenzielle Erfahrung für den 26-Jährigen. Er habe seitdem "wie ein Wahnsinniger gearbeitet".

Sein nächstes Ziel war die Wall Street. Er lernte bei Dreyfus & Company den Arbitrage- und Optionshandel, lieh sich 1968 von seinem einzigen wohlhabenden Verwandten 400 000 Dollar und kaufte sich damit einen Maklerstand an der New Yorker Börse. 1976 dann sein erster großer Coup: Für zwei Dollar pro Aktie kaufte er 30 Prozent des Finanzunternehmens Highland auf. Dessen Manager fürchteten eine feindliche Übernahme und kauften den Anteil zurück - für sechs Dollar pro Aktie.

Nach weiteren Spekulationserfolgen lagen in seiner Kriegskasse 100 Millionen Dollar. Er gehörte zum Establishment der "Räuberbarone", zu Leuten wie T. Boone Pickens oder Sir James Goldsmith. Aber Icahn wollte mehr. Er machte jetzt Jagd auf die ganz großen Tiere. Das "Wall Street Journal" rechnete 2013 aus, dass er in den vorangegangenen zehn Jahren 68 Übernahmekämpfe ausgefochten hatte. Heute führt er sein Geschäft mit einem Team von 20 Investmentprofis und Anwälten. Er bezeichnet sich längst nicht mehr als "Firmenjäger", sondern als "Aktionärsaktivist", der für eine Demokratisierung der Unternehmen kämpft.

PEB