Wer an diesem Wochenende über die Messe Invest in Stuttgart schlendert, wird auf viele Trader stoßen. Äußerlich unterscheidet sich diese Spezies nicht von gewöhnlichen Anlegern. Allenfalls könnten ihre Vertreter ein wenig blasser sein, denn schließlich verbringen sie unzählige Stunden vor dem Rechner, um Kurse, Charts und Nachrichten zu verfolgen. Diese Leidenschaft verfolgt das Ziel, mit dem kurzfristigen Handel von Wertpapieren möglichst hohe Renditen einzufahren. Die Invest trägt der steigenden Beliebtheit dieser Anlageform Rechnung. Trading zählt in diesem Jahr zu den sechs Themenschwerpunkten der Stuttgarter Finanzmesse. Bei Vorträgen, Seminaren und Live-Demonstrationen können sich die Besucher ausführlich informieren und den Profis über die Schultern schauen.

Um die Gunst der Trader buhlen dabei nicht nur Onlinebroker und Zertifikateemittenten. Auch mehrere Anbieter sogenannter Contracts for Difference (CFD) sind vertreten. Mit einem CFD setzen Anleger auf die absolute Differenz zwischen dem Ein- und dem Ausstiegskurs. Dazu halten sie den zugrunde liegenden Wert nicht direkt. Vielmehr reicht eine kleine Sicherheitsleistung, die im Fachjargon Margin genannt wird, um die volle Positionierung zu erreichen. Durch diese Gestaltung entsteht ein kräftiger Hebeleffekt, der für viele Trader den Reiz des CFD ausmacht.

Entsprechend nahm die Zahl der Anbieter in den vergangenen Jahren deutlich zu. Allerdings fehlt dem Sektor bislang eine gemeinsame Stimme - so wie im Zertifikategeschäft, wo sich der Deutsche Derivate Verband (DDV) als Sprachrohr etabliert hat. Er liefert Zahlen zu Marktgröße und Marktanteilen. Diesbezüglich war die Informationslage im CFD-Bereich lange Zeit dürftig. Zwar befasst sich das australische Forschungsinstitut Investment Trends regelmäßig mit dem deutschen Markt. Doch es legt einen Schwerpunkt auf Marktanteile sowie die Charakterisierung der Nutzer. Zahlen zum Handelsvolumen gibt es nicht. Die letzte Erhebung dieser Art stammt vom März 2010.

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Frische Zahlen zum deutschen Markt

Das soll sich nun ändern. Der CFD-Verband hat sich neu aufgestellt. Zu den elf Mitgliedern zählt auch Branchenkrösus CMC Markets. Bei der Invest laden die Verantwortlichen zu einem Pressegespräch. Der Vorstandsvorsitzende René Diehl (siehe Interview auf Seite 5) wird dabei eine druckfrische Studie im Gepäck haben. Im Auftrag des Verbands hat das Münchner Research Center for Financial Services die Entwicklung des deutschen Marktes unter die Lupe genommen.

Dazu befragten die Wissenschaftler mehrere CFD-Anbieter und übertrugen die Ergebnisse auf Basis von deren Größe auf den Gesamtmarkt. BÖRSE ONLINE konnte vorab einen Blick auf die Zahlen werfen. Es zeigt sich, dass der Differenzkontrakt in Deutschland enorm an Bedeutung gewonnen hat. Im vergangenen Jahr durchbrach das Handelsvolumen erstmals die Schallmauer von einer Billion Euro (siehe Grafik).

Dabei handelt es sich allerdings nicht um das tatsächlich in CFDs angelegte Geld. Vielmehr beruft sich die Studie auf die Summe, die über die hinterlegten Sicherheitsleistungen bewegt wird.

Wie auch immer: Die Wachstumsraten sind enorm. Zwischen 2011 und 2013 nahm das Volumen um annähernd zwei Drittel zu. Die Zahl der getätigten Transaktionen hat sich seit 2010 verdoppelt.

"CFDs sind heute ein etabliertes Produkt", erklärt erfreut Verbandschef Diehl. Er geht davon aus, dass Handelsvolumen und Transaktionen weiterhin zweistellig zulegen. Bei der Zahl der bestehenden Konten erwartet der Experte dagegen eine langsamere Gangart. Für die vergangenen drei Jahre haben die Marktforscher diesbezüglich mehr als eine Verdoppelung festgestellt. Derzeit bestehen in Deutschland knapp 100 000 CFD-Accounts. Das ist allerdings deutlich weniger als der 2011 erreichte Spitzenwert von 120 000 Konten.

Hier könnte der Fall der insolvent gegangenen FXdirekt eine Rolle spielen. Er verdeutlichte Ende 2012 die Verwundbarkeit des Anlagesektors, als die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin die Bank dicht machte und ein Veräußerungsund Zahlungsverbot verhängte.

Vor Kurzem teilte die Entschädingungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) mit, dass sie an rund 1650 betroffene Kunden einen Ausgleich überwiesen hat. Insgesamt ist demnach eine Summe von 6,1 Millionen Euro geflossen. FXdirekt war nicht der einzige Dämpfer. Schon vor dem Oberhausener Institut war der britische Broker Worldspreads in Schieflage geraten.

Als sich die Wogen nach den beiden Pleiten gerade zu glätten schienen, holte die EU-Bankenaufsicht EBA zu einem Rundumschlag aus. Vor gut einem Jahr veröffentlichte sie gemeinsam mit der Marktaufsicht ESMA eine Warnung vor CFDs. Die beiden Behörden zeigten sich besorgt, dass unerfahrene Privatanleger im derzeitigen Tiefzinsumfeld versucht sein könnten, mit solchen Instrumenten die Renditen aufzupeppen. Ein klare Ansage enthielt die Publikation auch mit Blick auf die Broker: "Bedenken Sie, dass CFDs manchmal von nicht zugelassenen und nicht beaufsichtigten Unternehmen angeboten werden."

Der CFD-Verband begrüßte die Warnung als einen Beitrag zu mehr Transparenz und Verbraucherschutz. Als ein Ziel nennt Vorstandschef Diehl die Einführung eines Qualitätskodex, an dem sich die Mitglieder orientieren sollen. Neueinsteigern rät er, die verschiedenen Anbieter auf Herz und Nieren zu prüfen. Kein leichtes Unterfangen, da in Deutschland mittlerweile mehr als 30 CFD-Häuser aktiv sind. Vor allem die klassischen Direktbanken stoßen zusehends in das Gehege der Spezialisten vor. S-Broker, Flatex und Comdirect bieten seit Längerem CFDs an. Ende vorigen Jahres zog die DAB Bank nach und führte Differenzkontrakte auf 20 Indizes und 100 Einzelaktien ein.

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Worauf Anleger achten sollten

Neben der Kapitalstärke eines Instituts stellen die Kosten ein wichtiges Auswahlkriterium dar. Eine zentrale Komponente ist dabei der Spread. Dabei gilt: Je näher sich Geld- und Briefkurs kommen, desto attraktiver ist ein Kontrakt. Der Wettbewerb führt dazu, dass die Spanne bei bedeutenden Börsenbarometern wie dem DAX mitunter nur noch bei einem Indexpunkt liegt.

Im Währungsbereich wird der Spread in PIPs ausgedrückt. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich die kleinste Preiseinheit eines Devisenkurses und damit die vierte Nachkommastelle. Bei wichtigen Währungspaaren, allen voran Euro und US-Dollar, stellen viele CFD-Anbieter Spreads von rund einem PIP und weniger.

Neben der Geld-/Briefspanne können je nach Basiswert Ordergebühren anfallen. Während das bei CFDs auf Indizes, Rohstoffe und Währungen meist kein Thema ist, müssen Trader im Aktienbereich häufig einen Obolus entrichten. Beispielsweise ruft die DAB Bank eine Pauschalgebühr von 4,50 Euro auf. Damit grenzt sie sich von der Comdirect ab. Die Konkurrentin arbeitet im Bereich Aktien und Futures mit einem Satz von 0,1 Prozent des Kontraktvolumens, wobei jedoch mindestens eine Provision von 9,90 Euro je Trade fällig ist. Ein ähnliches, jedoch etwas günstigeres Modell verfolgt CMC Markets bei Aktien-CFDs. Eine weitere Komponente kommt ins Spiel, sobald eine Position nicht im Tagesverlauf geschlossen wird. In diesem Fall muss der Anleger Overnight-Kosten in Kauf nehmen. Hintergrund ist, dass die Bank dem Kunden beim CFD dann Fremdkapital zur Verfügung stellt, um eine gehebelte Positionierung zu ermöglichen. Dafür fällt naturgemäß ein Zins an. Die Höhe der Overnight-Kosten variiert in Abhängigkeit von der Währung, auf die ein Differenzkontrakt lautet.

Um die verschiedenen Parameter zu verstehen und ein Gefühl für das CFDGeschäft zu bekommen, lohnt es sich, ein Demo-Konto zu eröffnen. Dabei zeigt sich schnell, was den Reiz, aber auch die Gefahren dieses Anlagesegments ausmachen. Testmöglichkeiten zählen in der Branche mittlerweile zum Standard. Der steigende Konkurrenzdruck zwingt die Anbieter, immer umfangreichere und vor allem schlagkräftigere Handelssysteme zu entwickeln. Grundsätzlich unterscheiden sich diese zwischen fest installierten Programmen und webbasierten Applikationen. Längst hat der Sektor auch das Thema Mobile-Trading für sich entdeckt und zahlreiche Apps aufgesetzt. Das kommt bei der Kundschaft an: Laut einer Untersuchung von Investment Trends ordern 60 Prozent der CFD-Nutzer in Deutschland auch via Smartphone und Tablet.

Unabhängig davon, wo und wie ein Trade seinen Lauf nimmt, zeigt die neue Studie des Branchenverbands klare Vorlieben. Heimische Anleger wenden Differenzkontrakte vor allem auf Basis von Aktienbenchmarks an (siehe Grafik). Dabei dominiert der DAX - 70 Prozent des Volumens sämtlicher Index-CFDs entfallen auf das heimische Bluechip-Barometer.

Auf Seite 4: Trading-Beispiele mit DAX und Dow

Trading-Beispiele mit DAX und Dow

Zurzeit dürfte so mancher Trader dabei einen Angriff auf die 10 000er-Marke ins Kalkül ziehen. Bei einen DAX-Stand von 9600 Punkten und einem Margin-Satz von einem Prozent beläuft sich die Sicherheitsleistung auf 96 Euro. Die Position ist also mit einem Hebel von 100 ausgestattet. Jede Indexbewegung um einen Punkt führt beim Anleger zu einem Gewinn respektive Verlust von einem Euro. Sollte der DAX tatsächlich in den fünfstelligen Bereich vorstoßen, würde der Kontrakt vor Kosten und Steuern ein Plus von 400 Euro aufweisen. Geht diese Long-Wette nicht auf, rutscht der CFD schnell ins Minus.

Brenzlig wird es, sobald die Margin aufgebraucht ist, der DAX in unserem Beispiel also in Richtung 9500 Punkte abtaucht. Dann kann die Bank auf eine Nachschusspflicht pochen. Kommt der Anleger dem Margin Call nicht nach, schließt der Broker die Position zwangsweise. Umgehen lässt sich dieses Extrembeispiel durch eine spezielle Vereinbarung, in der Kunde und Bank das Risiko eingrenzen.

Zweitbeliebtester Index der CFD-Community ist der Dow Jones. Er bietet sich derzeit zur Demonstration eines Short-Trade an. Schließlich ist der Index mehrmals an dem Versuch gescheitert, aus einem kurzfristigen Abwärtstrend auszubrechen. Eine Spekulation auf fallende Kurse ist bereits für eine Margin von 0,2 Prozent, aktuell knapp 24 Euro, möglich. Angenommen, ein Indexpunkt entspricht einem US-Dollar. Dann würde der Trade bei einem Rückgang des Dow Jones auf die 16 000er-Marke brutto mehr als 200 Euro abwerfen. Setzt er dagegen seine Rekordjagd fort, drohen auch hier rote Zahlen.

Wie schnell sich ein Chartsignal zerschlagen kann, demonstriert gerade der Euro. Vor Kurzem sah es danach aus, als könnte das Währungsduo aus Euro und USDollar (EUR/USD) nach dem Sprung über einen markanten Widerstand erstmals seit Herbst 2011 die 1,40er-Marke erklimmen. Doch der erste Anlauf ist gescheitert. Viele CFD-Trader dürften den weiteren Verlauf gebannt verfolgen - EUR/USD ist der mit Abstand meistgehandelte Basiswert im FXBereich. Bei den Trading-Vorträgen der Invest dürfte das Duo daher ein heiß diskutiertes Thema sein.

Auf Seite 5: Interview mit René Diehl, Geschäftsleitung von Cefdex und Vorstandschef des CFD-Branchenverbands

"Möchten Vertrauen in CFDs stärken"

Börse Online: Wird sich das rasante Wachstum des CFD-Markts fortsetzen?

René Diehl: Wir rechnen bei Umsatz und Transaktionen mit zweistelligen Steigerungsraten. Beim Kundenwachstum dürfte das Tempo moderater ausfallen. Letztlich hängt die Entwicklung auch maßgeblich davon ab, ob weitere Onlinebroker ihre Produktpalette um CFDs erweitern.

Stichwort Anbieter: Worauf sollten Anleger bei der Auswahl achten?

Wer sich für CFDs interessiert, sollte sich im Vorfeld darüber im Klaren sein, wem er sein Geld anvertraut. Daher raten wir als Verband dazu, Anbieter, Produkte und die angebotenen Technologien sorgfältig zu prüfen. Dabei sollten ein Blick ins Impressum sowie Recherchen zur Historie des Unternehmens sowie zur Qualifikation des Managements ausreichen, um sich ein erstes Bild zu machen. Darüber hinaus können Informationen zur Regulierung, Einlagensicherung und Eigenkapitalausstattung über den jeweiligen Kundenservice angefragt werden.

In puncto Sicherheit warf die Pleite von FXdirekt einen Schatten auf Ihre Branche. Wie wollen Sie das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen?

Bei dem genannten Unternehmen handelt es sich nicht um irgendeinen Newcomer, sondern um ein etabliertes Devisenhandelshaus mit einer langen Historie. Ungeachtet dessen wurde der Fall auf die gesamte CFD-Branche projiziert. Für unser noch relativ junges Produkt bedeutete das natürlich einen Rückschlag. Umso mehr möchten wir als Verband nun Standards etablieren, die allgemein gültig sind und an denen sich die Mitglieder im Sinne eines Qualitätskodex orientieren. Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, das Vertrauen in CFDs zu stärken.

WH