Im September ging die Meldung durch die Fachmedien, dass das Vergleichsportal Check24 bei der Bafin eine Banklizenz beantragt hat. Dieser Schritt des auf Preisvergleiche jeder Art - vom Strom über Urlaubsreisen, Mietautos, Kfz-Versicherungen bis hin zur Handwerkersuche - spezialisierten Portals war eigentlich schon länger zu erwarten. Der Entschluss von Check24 hat mich also nicht verwundert, schon eher die Reaktion der heimischen Bankenlandschaft. Die war nämlich - zumindest nach außen hin - nahezu gleich null. Und das, obwohl der Online-Vergleichsriese die hiesigen Geldhäuser nun offensichtlich noch deutlicher angreift.

Wenn aber von den Banken keine ­adäquate und nachhaltige Gegenreaktion auf die Pläne von Check24 kommt, könnten sie mittelfristig ihre Daseinsberechtigung verlieren. Bei Kredit-, Girokonto- oder Tagesgeldvergleichen haben Banken in vielen Bereichen schon die Kundenschnittstelle an Vergleichs­portale verloren. Wenn Check24 nun auch das Bankgeschäft komplett übernimmt, marginalisieren sich die Banken zur Produktwerkbank - ähnlich, wie es in der Versicherungsbranche zu beobachten ist.

Lange hieß es, die Versicherungen hätten die Digitalisierung im Vertrieb verschlafen. Dabei wurde auch immer wieder Check24 genannt, an das die Assekuranzbranche ihre Kundenschnittstelle im großen Stil verloren hat. Kein Wunder, denn Check24 hat sich von ­Beginn an sehr clever und effizient in ­einem relevanten Punkt der Wertschöpfungskette positioniert und sich hinsichtlich Kunden- und Datenmanagement in der Neukundengewinnung vorbildlich aufgestellt. Das Vergleichsportal war immer ein Vorreiter in Sachen Technologie und Analysetools im Online-Akquisemarkt und konnte somit relativ kostengünstig stetig neue Kunden beziehungsweise Partner gewinnen, die Kunden zuliefern. Mit dem Aufstieg von Google ist Check24 automatisch mitgewachsen, denn die Münchner haben es verstanden, die Wünsche der Kunden nach ­"Informationen" und "Vergleichen" zu erfüllen und dabei die Vorteile des Internets für sich zu nutzen.

Ein Gehaltskonto bei Check24? Wer würde das tun?


Je komplizierter dieser Online-Vertriebskanal zu analysieren und zu steuern war, desto mehr drängte Check24 die anderen Industrie-Player in den Hintergrund. Natürlich setzten die Vergleichsportale von Anfang an auch auf großen Werbedruck, aber sie haben das eben wesentlich effizienter gemacht als die altgedienten Versicherungen und Banken. Die konnten diesen Vertriebskanal einfach nicht so schnell bedienen und verirrten sich letztlich im Dschungel aus Desktop, Mobile, Display und Social ­Media. Währenddessen analysierte Check24 mit Attributionsmodellen die Wirkung aller Werbekanäle und ist auch in der Lage, ihre umfassende TV-Werbung in Verbindung mit den Online-­Aktivitäten und Klicks ihrer Kunden zu bewerten. Damit können die großen Budgets im Marketing höchst wirkungsvoll eingesetzt werden.

In meiner Zeit bei Google von 2011 bis 2017 konnte ich den Aufstieg von Check24 gerade in der Finanzbranche beobachten und habe miterlebt, wie ­damals industrieübergreifende Initiativen zum Aufbau eigener Vergleichsportale - wie etwa Transparo - krachend gescheitert sind. Abgesehen von der ungenügenden Transparenz bei den Vergleichen und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust gegenüber den Kunden wollte Transparo den Marktführer Check24 mit eigenen Mitteln angreifen. Das wurde dann doch zu teuer.

Mit ihren klassischen Kontoangeboten und der Kundenbeziehung sind Banken aber noch immer im "driverseat", den sie durchaus erfolgreich verteidigen können. Mit der Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 und anderen Data Insights kommt den Banken, aber auch Wettbewerbern wieder mehr Macht zu. Diese sollten sie nutzen. Denn Banken haben erstens ausgezeichnete Kundendaten, sie können exzellente Beratung leisten und sind bei der Mehrheit der Nutzer immer noch "Owner des Vertrauens", wenn es hart auf hart kommt. Mal ehrlich: Ein Gehaltskonto bei Check24? Die Prämie der abgelaufenen Lebensversicherung zu Check24? Wer würde das tun?

Große Banken haben zudem einen starken Kundenstamm und können mit innovativer Technologie und gut gemachten Apps schon heute begeistern. Die entscheidende Frage, die sich die Banken daher stellen sollten, lautet: Bringe ich die Vergleichstechnologie zum Kunden oder den Kunden zur Vergleichstechnologie? Wenn man schon zwei Millionen Kunden hat, lassen sich Akquisekosten sparen. Und den Bestandskunden kann man im Onlinebanking neben den üblichen Bankgeschäften auch Versicherungsvergleiche anbieten. Zumal sich aus den Big Data, über die die Banken verfügen, relativ leicht Smart Data machen lassen, indem man die Daten der Bankkunden clever analysiert und auf dieser Basis Versicherungsvergleiche oder sogar eine Bedarfsanalyse anbietet.

Zu Kontoinformationen auch eine Versicherungsübersicht


Banken können sich also genauso transparent als Makler aufstellen, gerade damit im "Lager ihrer Kunden" sein und ganz neutral alle möglichen Versicherungen anbieten. Sie können das in ­Eigenregie machen, was nicht funktionieren wird - siehe Transparo. Oder sie können mit einem Technologiepartner im Hintergrund ein eigenes Vergleichs­portal installieren - mit der gesamten Abwicklungsinfrastruktur und Schnittstellen zu allen möglichen Versicherern.

Es ist so simpel: Wo werden denn die Versicherungsprämien abgebucht? Richtig, vom Bankkonto. Als Bank kann man seine Kunden also einfach in Ruhe bei Check24 Versicherungen vergleichen und sogar abschließen lassen. Dann identifiziert man über die Abbuchung der Prämie die Versicherung und packt sie - mit Einverständnis des Kunden - als Makler oder Mehrfachagent in den bankeigenen Versicherungsordner. Und welcher jahrelange Bankkunde würde nicht dieses Einverständnis geben? Er bekommt ja dann neben seinen normalen Kontoinformationen regelmäßig auch Infos über seine Versicherungen von "seiner" Bank. Die Bestands­provision geht dann an die Bank und nicht mehr an das Vergleichsportal. Das "Smart Financial Home" über die Hausbank ist perfekt!

Kurzvita

Stefan Bachmann
Vorstand der JDC Group
Bachmann verantwortet die Bancassurance-Unit, die Digitalstrategie und Integration des Direktkunden- mit dem Plattformgeschäft innerhalb des JDC-Firmen­verbunds. Vor seinem Eintritt 2017 war ­Bachmann knapp sieben Jahre bei Google. Dort hat er maßgeblich bei der strategischen Beratung zur digitalen Transformation der ­führenden Banken in Deutschland ­mitgewirkt.