War was? Während das Coronavirus hierzulande die Schlagzeilen und abendlichen Nachrichtensendungen dominiert, ist an den Börsen schon wieder so etwas wie Normalität eingekehrt: In Europa und den USA werden schon wieder neue Rekorde anvisiert. Die Börsen in Shanghai und Shenzhen hinken noch etwas hinterher, aber nach einem Crash sieht es nicht aus.

Dennoch sollte man sich als Anleger nicht zu sicher sein. Die Nachrichtenlage in China wird auch weiterhin das Auf und Ab an den Börsen entscheidend bestimmen. So war das auch im vergangenen Jahr mit dem nicht enden wollenden - und letztlich auch noch nicht final beigelegten - Handelsstreit zwischen der Volksrepublik und den USA.

Fakt ist auch, dass es für das offensichtlich hoch ansteckende Coronavirus, das sich von der Großstadt Wuhan in ganz China ausbreitet und auch im Rest der Welt, weiter keinen Impfstoff gibt. Darum hat die Weltgesundheitsorganisation den internationalen Notstand ausgerufen. Immerhin, so viel scheint klar, ist das Virus weniger tödlich als SARS, das 2002 und 2003 grassierte. Trotzdem sind bislang mehr als 900 Menschen gestorben, mehr als 40 000 haben sich mit dem Krankheitserreger angesteckt.

Geschlossene Läden und Lokale


Die Welt reagiert darauf. Die USA und Japan beispielsweise raten von Reisen nach China ab. Etliche Fluggesellschaften, etwa die Deutsche Lufthansa und British Airways, haben Flüge in die Volksrepublik gestrichen. Andere Unternehmen schließen ihre Filialen vor Ort. Starbucks etwa hat rund 2000 seiner Filialen dichtgemacht, McDonalds Hunderte Restaurants, die japanische Modekette Uniqlo, die zur Fast Retailing Group gehört, gleich 130 Shops und Ikea alle 30 Möbelhäuser. Das Land ist ausgebremst. Die Frage ist nun, wie sehr der erzwungene Stillstand langfristig auf die Wirtschaft durchschlägt.

Der Ökonom Louis Kuijs vom Wirtschaftsforschungsinstitut Oxford Economics hat seine Wachstumsprognose für China für das erste Quartal um ganze zwei Prozentpunkte gesenkt und seine Einschätzung für das Gesamtjahr 2020 von 6,0 auf 5,4 Prozent korrigiert. Hauptgrund dafür ist letztlich der Umstand, dass sich die Menschen zu Hause verschanzen und nicht mehr zur Arbeit gehen. Auch gezwungenermaßen, da die Regierung ganze Millionenstädte unter Quarantäne gestellt hat. Zudem wurden die Neujahrsferien um mehrere Tage verlängert, und in vielen Regionen blieben Fabriken, Büros und Schulen eine Woche zusätzlich geschlossen. In der Metropole Wuhan wird die Arbeit wohl mindestens bis Ende Februar ruhen. Wenn die Arbeit wieder aufgenommen wird, wollen die Firmen für Atemschutzmasken sorgen sowie für Temperaturchecks für alle Mitarbeiter.

Gestoppte Produktion


Viele Lieferketten sind also derzeit gestört. Und das hat weltweite Auswirkungen, schließlich ist Chinas Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung dreimal so groß wie zu Zeiten der SARS-Epidemie. Ein Beispiel dafür liefert der koreanische Autoproduzent Hyundai, der angekündigt hat, wegen der Probleme mit der Lieferkette die Autoproduktion zeitweise auszusetzen. Die Börsen reagierten daher auch zunächst geschockt - um sich dann aber fast genauso schnell zu erholen. So verlor in einer ersten Reaktion der Leitindex CSI 300 nach den Neujahrsfeierlichkeiten gut zehn Prozent, stabilisierte sich im Wochenverlauf dann aber. Auch die Preise etlicher Rohstoffe wie Kupfer, Erdöl oder Palmöl gaben ordentlich nach. Doch wie geht es weiter? Nimmt der Abgabedruck auf chinesische Aktien in den kommenden Tagen und Wochen wieder zu? Die Gewinne chinesischer Unternehmen werden in absehbarer Zukunft wohl fallen. Die von der Epidemie besonders betroffenen Sektoren sind die Luftfahrt, Teile der Versicherungsbranche sowie die Hafenbetreiber. Es gib aber auch einige Gewinner: Etwa den auf Online-Unterhaltung spezialisierten Technologiekonzern Tencent - schon lange ein Favorit von BÖRSE ONLINE -, weil Millionen von Chinesen seit Tagen in ihren Wohnungen ausharren und sich dort unter anderem mit Videospielen ablenken.

Dass die Kurse in China nicht ins Bodenlose gefallen sind, liegt mit Sicherheit auch an Peking. Die Behörden sind nicht untätig. Davon abgesehen, dass eifrig an der Entwicklung eines Impfstoffs gearbeitet wird, hat die chinesische Notenbank angekündigt, dass sie frische Liquidität in das Finanzsystem einschießen wird, um den Druck vom Markt zu nehmen. Außerdem wurden die Banken angewiesen, Gesundheitseinrichtungen großzügig mit Krediten zu versorgen. Allerdings hat dies den Nachteil, dass langfristig der Stress im Bankensystem wieder zunehmen wird.

Außerdem zeigt man guten Willen im Handelsstreit mit den USA. Vier Wochen nach der ersten Einigung, der sogenannten "Phase 1" des Abkommens, hat China die Halbierung unlängst verhängter Zölle auf einige US-Importwaren angekündigt. Für welche Güter mit welchem Handelsvolumen dies gilt, blieb zunächst unklar. Die Märkte reagierten positiv, auch Chi­nas Landeswährung Renminbi legte zu.

Notenbanken stehen bereit


Anleger sollten nicht in Panik geraten, auch wenn sich kaum eine seriöse Vorhersage über das Ausmaß der Epidemie treffen lässt. Festzuhalten bleibt, dass der relative Stillstand in China einen Rückgang der weltweiten Rohstoffpreise zur Folge hat, was wiederum die Inflationstendenzen dämpfen sollte. Parallel dazu könnte das weltweite Wachstum, das auf drei Prozent geschätzt wird und damit unter seinem historischen Durchschnitt liegt, im Jahresverlauf um einen halben Prozentpunkt zurückgehen. Dies zusammen gibt den Notenbanken neue Möglichkeiten an die Hand - in erster Linie der chinesischen und, wenn die Folgen tief greifend sind, sogar derjenigen der ganzen Welt.

Mutige nutzen daher den Kursrückgang in China zum Einstieg. Gerade bei den Giganten im Internetgeschäft sollte sich dies lohnen. "Wir glauben, dass die chinesischen Internet- und Logistikunternehmen vor den Auswirkungen des Virenausbruchs relativ geschützt sind", schreiben die Analysten von Bernstein Research. Dazu trage bei, dass das Coronavirus den Trend verstärke, Einkäufe und Dienstleistungen über das Internet abzuwickeln.

So etwa bei Tencent: Das Unternehmen profitiert davon, dass sich die Abrufe und Downloads von Onlinespielen und Video-Apps in den vergangenen Wochen vervielfacht haben, so etwa auch bei Tencents Blockbuster "Honour of Kings". Experten gehen davon aus, dass dies kein Einmaleffekt sein wird, sondern dass es Tencent gelingt, Neukunden zu gewinnen.

Gefragt waren aber nicht nur Spiele. Auch Gesundheits- und Fitness-Apps sind seit Wochen besonders beliebt. So legte etwa die Downloadrate der App Ping An Good Doctor, die sich mit Gesundheitsthemen befasst, um mehr als 1000 Prozent zu. Die App wurde von Ping An Insurance entwickelt, vielleicht eines der interessantesten Unternehmen des Landes. Der landesweit größte Lebens- und Krankenversicherer verwendet den Cashflow aus dem Kerngeschäft, um den Aufbau von digitalen Services wie Gesundheits-Apps zu finanzieren. Ping An bietet seinen 201 Millionen Privatkunden ein breit gefächertes Angebot rund um Versicherungen und Finanzen an.

Auch Chinas größte IT-Firmengruppe Alibaba bleibt spannend. So hat der E-Commerce-Riese aktuell kostenlose Online-Angebote gestartet, um Krankenhäuser und Behörden zu entlasten. Via Ali Health können die Nutzer Ärzte aus dem ganzen Land konsultieren. Mit großem Zuspruch: Gut 400 000 Besucher wurden bereits in den ersten 24 Stunden des Angebots registriert. Außerdem kommt Alibaba zugute, dass momentan viele die Supermärkte meiden und online einkaufen - in diesem Bereich ist man seit Jahren Marktführer. Wir stufen die Aktie von "Beobachten" auf "Kaufen" hoch.