Mit dabei waren Unternehmen aus dem Reich der Mitte schon lange, wenn Firmen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz zum Verkauf standen. Zum Zug kamen sie allerdings oft nur bei Ladenhütern mit wenig Konkurrenz, dienten als Zählkandidaten, um für Wettbewerb zu sorgen. Zu langsam, zu umständlich, ziel- und glücklos, urteilten Banker. Das war einmal. "Sie haben gemerkt, dass sie nicht zum Zug kommen, wenn sie nicht Gas geben", sagt Sebastian Daub, der bei der Wirtschaftskanzlei Linklaters in Frankfurt das China-Geschäft leitet.
Und die Lernkurve ist steil: "Unternehmen wie ChemChina oder HNA haben schon mehrere Übernahmen gestemmt", sagt Yi Sun, die für die Unternehmensberatung EY als Brückenkopf nach China fungiert. "Sie lernen bei jedem Deal dazu und werden immer besser." Und holen sich Rat: Kürzlich habe ein Bieter aus China zwei Banken, zwei Anwaltsfirmen, einen Strategie- und einen Kommunikationsberater angeheuert, berichtet Jan Masek, Co-Chef des Investmentbanking bei HSBC in Deutschland. "Damit war er so gut aufgestellt wie jeder westliche Bieter."
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SIE WERDEN "IMMER BESSER"...
Zudem hat die Regierung in Peking die bürokratischen Hürden abgebaut. Sie war lange drauf bedacht, dass sich chinesische Unternehmen nicht gegenseitig Konkurrenz machen. "Heute buhlen bis zu eine Handvoll Interessenten aus China um das gleiche Übernahmeobjekt", sagt Anwalt Daub. Bei Bilfinger habe sich anfangs sogar mehr als ein halbes Dutzend gemeldet, weiß ein Investmentbanker. Und wenn die Chinesen ausnahmsweise doch bummeln wie früher, holen die Banker sie eben frühzeitig ins Boot, lange bevor das Feilschen richtig losgeht - wie bei der Glühlampen-Sparte von Osram.
Das Warten lohnt sich. Denn die Chinesen können oft höhere Preise zahlen als Finanzinvestoren, die mit spitzem Bleistift rechnen. "Wenn sie Übernahmen als strategisch sinnvoll ansehen, sind sie bereit und auch fähig, sich mit respektablen Preisen durchzusetzen", sagt Moritz Freiherr Schenck, China-Experte der Wirtschaftsprüfungsfirma Deloitte.
Nick Bossart, Schweiz-Chef von Syngenta-Berater JPMorgan, erklärt das so: "Für chinesische Firmen müssen sich Übernahmen oft erst langfristig auszahlen. Vielfach ist der Zeithorizont fünf, zehn Jahre oder noch länger. Das führt dazu, dass sie mit anderen Preisen und Rendite-Erwartungen arbeiten können." Dazu kommt noch das Kalkül, dass die übernommenen Firmen wertvoller werden, wenn ihnen der neue Eigentümer den riesigen chinesischen Markt öffnet.
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...UND HABEN MEHR ZEIT
Viele Chinesen treibt die Aussicht auf Zugang zu Märkten außerhalb Asiens, weiß Ronald Sauser, Leiter der M&A-Beratung bei EY Schweiz. Die Regierung ermutige sie, im Ausland zu investieren - nicht zuletzt um die erwartete Abschwächung der Inlandsnachfrage abzufedern. Bei Staatsunternehmen ist das anders. "Sie peilen ganz klar Ziele an, die für das Land eine strategische Bedeutung haben." Also: Dünger von Syngenta für die Bauern oder deutsche Müllöfen für Abfallberge rund um Peking.
Zugleich verliert der Mittelstand seine Berührungsängste. "Noch vor zwei oder drei Jahren kam ein chinesischer Käufer für die meisten europäischen Firmen in Familienbesitz nicht in Frage. Das hat sich geändert", sagt EY-Experte Sauser. Der frühere Deutsche-Bank-Berater Henry Cai hat ein Geschäftsmodell daraus gemacht: Sein AGIC-Fonds will sich zusammen mit Chinesen an deutschen Mittelständlern beteiligen und ihnen so Türen in dem Riesenreich öffnen. Bei KraussMaffei tauchte AGIC zum ersten Mal als Co-Investor auf.
Für die Übernahmeobjekte ist ein neuer Eigentümer aus China oftmals das geringere Übel. "Sie wollen in aller Regel, dass das Management und die meisten Mitarbeiter an Bord bleiben", sagt EY-Beraterin Yi Sun. "Damit können Sie in Übernahmekämpfen gegen US-Firmen punkten, die Unternehmen zerschlagen und Arbeitsplätze im großen Stil abbauen wollen." Allerdings gilt auch: "Gerade chinesische Staatsunternehmen achten genau auf die Entwicklung der Finanzkennzahlen. Schließlich müssen sie nachweisen, dass sie die öffentlichen Gelder richtig investiert haben." Bislang hatten sie meist ein gutes Händchen.
Reuters