TiAM: Warum fokussieren Sie auf Healthcare-Aktien aus den Schwellenländern?
Remo Krauer: Es ist eine Verbindung, die ein sehr großes Potenzial hat. Schon heute leben 60 Prozent der Weltbevölkerung in den Schwellenländern. Diese Länder erwirtschaften rund 40 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und sorgen für 60 Prozent des globalen Wachstums. Die Milliarden Menschen in diesen schnell wachsenden Ländern wollen versorgt sein.
TiAM: Aber haben die Menschen dort auch genug Geld?
Krauer: Mit dem Wachstum kommt auch der Wohlstand. Vor allem in ohnehin schon bevölkerungsreichen Ländern wie China, Indien und Brasilien wird die Mittelschicht immer breiter. Diese neue Mittelklasse hat zum einen mehr Geld zur Verfügung, zum anderem ändern sich ihre Bedürfnisse. Immer mehr Menschen werden immer mehr Geld für Gesundheitsprodukte und -dienstleistungen ausgeben. Dies ist neben der fortschreitenden Überalterung mit ein Grund, wieso der Gesundheitsmarkt in diesen Ländern doppelt so stark wächst wie das Bruttoinlandsprodukt.
TiAM: Ist das Potenzial in allen Schwellenländern gleich groß?
Krauer: Es gibt schon erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Sie beginnen beim investierbaren Universum. Zum anderen sind aber auch der Charakter und die Ausrichtung der jeweiligen Gesundheitsmärkte sehr unterschiedlich. Nehmen Sie zum Beispiel China und Indien. In China gab es allein im Jahr 2020 über 50 Börsengänge im Gesundheitswesen. Alles in allem reden wir von Hunderten Unternehmen aus sämtlichen Subkategorien der Gesundheitsbranche und von sehr unterschiedlicher Größe, die in China an der Börse gelistet sind. Auch in Indien gibt es sehr aussichtsreiche Unternehmen, aber insgesamt ist ihre Zahl geringer und ihr Produktangebot ist homogener.
TiAM: Können Sie denn in China das ganze Spektrum ausschöpfen?
Krauer: Den größten Teil davon können wir nutzen. Dadurch, dass wir direkt Zugang zu den Aktien an den Inlandsbörsen haben, den A-Shares, profitieren wir von einer großen Marktliquidität. Um Aktien zu kaufen oder zu verkaufen, nutzen wir Stock Connect, die Verbindung der Börse in Hongkong mit den Festlandsbörsen in Shanghai oder Shenzhen.
TiAM: Was zeichnet den chinesischen Markt noch aus?
Krauer: Hier findet gerade ein fundamentaler Wandel statt. China ist auf dem Weg zu einem immer moderneren Medikamentenmarkt. Auf den Generika lastet aufgrund von Auktionsverfahren ein Preisdruck, was zu einer starken Konsolidierung führen wird. Die damit geschaffenen Ressourcen werden in die Förderung der Forschung von innovativen Medikamenten investiert. Dabei wird auf allen Stufen der Wertschöpfungskette angesetzt - mit dem großen Ziel, immer mehr Forschungserfolge aus den Bereichen Biomedizin und Medtech im Inland zu verzeichnen.
TiAM: Sind die Chinesen schon so gut wie unsere Pharmakonzerne?
Krauer: Chinesische Healthcare-Unternehmen sind zwar nach wie vor mehrheitlich Fast Follower, es sind aber bereits erste "First-in-Class"-Projekte in der Pipeline einzelner Biotechunternehmen auszumachen. Dass die Forschung in China funktioniert, sieht man beispielsweise daran, dass große Pharmakonzerne wie Novartis oder Eli Lilly jetzt bei chinesischen Unternehmen Lizenzen für Moleküle erwerben, um diese außerhalb Chinas zu vermarkten.
TiAM: Wo kauft denn Novartis ein?
Krauer: Sie kaufen zum Beispiel bei unserer Portfolioposition BeiGene. Das Unternehmen hat Checkpoint-Inhibitor entwickelt. Novartis, das in diesem Bereich keine eigenen Moleküle besitzt, zahlt Milliardenbeträge für die Lizenz des BeiGene-Wirkstoffs. Sehr gute Aussichten gibt es auch bei Legend Biotech, einer anderen Port-folioposition, die einen Antikörper gegen die zweithäufigste Form von Blutkrebs entwickelt haben, dem multiplen Myelom.
TiAM: Wie schlagen sich Chinas Impf-stoffanbieter?
Krauer: Chongqing Zhifei, die führende Impfstoffgesellschaft Chinas, hat eine langjährige Kooperation mit Merck und ist auch an der Covid-19-Impfstoffproduktion beteiligt. CanSino Biologics hat einen eigenen vektorbasierten Covid-19-Impfstoff entwickelt. Die vor kurzer Zeit präsentierten Studiendaten zeigten eine Effektivität von rund 75 Prozent. Der Impfstoff erhielt bereits Notfallzulassungen in Mexiko und Pakistan.
TiAM: Welche Rolle spielt Indien im Fonds?
Krauer: Gut die Hälfte des Fondsvermögens entfällt auf chinesische Aktien, 15 Prozent auf indische Werte, vor allem Generikaproduzenten. Die Inder können Generika in einer Qualität und zu einem so niedrigen Preis herstellen, wie niemand sonst auf der Welt. Deshalb versorgen vor allem indische Generikahersteller den US-Markt. Mittlerweile gibt es in Indien aber auch einen stark wachsenden Inlandsmarkt. Davon profitiert zum Beispiel Apollo Hospitals, eine Krankenhauskette mitten im Aufbau eines flächendeckenden Ökosystems.
TiAM: Wie finden Sie solche Titel?
Krauer: Bellevue Asset Management beschäftigt 25 Healthcare-Spezialisten, darunter auch eigene Wissenschaftler. Damit zählen wir zu den größten Investmenthäusern für den Gesundheitsbereich in Europa. Hinzu kommt, dass wir Fondsmanager regelmäßig Unternehmen vor Ort besuchen oder deren Management auf Investorenkonferenzen treffen. Außerdem haben wir Berater in Singapur und eine Kooperation mit einem südkoreanischen Asset-Manager und natürlich nutzen wir auch externes Research.
TiAM: Wie ist Ihr Investmentprozess?
Krauer: Wir verfolgen einen klassischen Bottom-up-Ansatz. Unser Anlageuniversum im Gesundheitsbereich der Schwellenländer umfasst knapp 1800 Unternehmen. Ausreichende Liquidität bieten jedoch nur etwa 250 bis 300 Aktien. Doch die Liquidität wird immer größer. Im Fondsportfolio finden sich dann die 40 bis 50 aussichtsreichsten liquiden Titel wieder.
TiAM: Sind Sie mit der Wertentwicklung des Fonds zufrieden?
Krauer: Der Fonds hat 2020 um mehr als 50 Prozent zugelegt und in den ersten fünf Wochen 2021 schon fast acht Prozent dazu gewonnen. Alles in allem haben sich die Gesundheitsaktien der Schwellenländer voriges Jahr deutlich besser entwickelt als ihre Peers aus den Industrieländern.