Neben dem Ukraine-Krieg wird die Nulltoleranzpolitik Chinas bei Corona zu einer immer größeren Gefahr für die Weltwirtschaft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat aus diesem Grund seine globale Wachstumsprognose ungewöhnlich drastisch gesenkt. Die Perspektiven hätten sich erheblich verschlechtert - wegen des Kriegs, aber auch wegen der strikten Corona-Politik in China.
Während sich in der chinesischen Wirtschaftsmetropole Shanghai die Infektionslage zur Wochenmitte entspannte und Hoffnungen auf Lockerungen und eine Wende in der strikten Corona-Politik aufkeimten, senkte der IWF die Wachstumsaussichten für China deutlich auf nur noch 4,4 Prozent für 2022. Der IWF ist damit spürbar vorsichtiger als die chinesische Regierung, die unverändert von 5,5 Prozent ausgeht. IWF-Chefin Kristalina Georgieva forderte Peking zu Konjunkturprogrammen auf. Für eine negative Überraschung sorgte zudem die chinesische Zentralbank, die am Mittwoch trotz der angespannten Wirtschaftslage die Leitzinsen unverändert ließ.
Deutsche Unternehmen äußerten sich besorgt. "Der wirtschaftliche Abwärtsdruck in China wird zusätzlich zum Krieg in der Ukraine zu einer schweren Belastung für die Weltwirtschaft", warnte Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Geschäftsführung, in einer Stellungnahme des deutschen Industrie-Dachverbands. Die harte Corona-Politik und Lockdowns in Metropolen wie Shanghai störten die Produktion in Chinas Industriezentren. "Es besteht die Gefahr, dass die nach Corona aufwendig wiederaufgebauten Liefer- und Wertschöpfungsketten mittelfristig nochmals reißen. Die Folgen für die deutsche Wirtschaft wären lange spürbar."
VW fühlt sich "verwundbar"
Die Ökonomin und Wirtschaftsweise Monika Schnitzer warnte angesichts der zunehmenden Risiken vor einem Abgleiten der deutschen Wirtschaft in eine längere Phase der Stagnation: "Wir gehen für 2022 und 2023 noch von einem positiven Wachstum aus", sagte sie gegenüber €uro am Sonntag. Bei einer Verschärfung des Kriegs und hohen Energiepreisen drohe allerdings eine deutliche Rezession, was eine Stagflation wahrscheinlicher mache.
Unterdessen hat der Volkswagen-Konzern angekündigt, wegen der weltweiten Machtverschiebung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine seine Abhängigkeit von China zu verringern. Dafür soll das Wachstum in den USA stärker priorisiert werden. VW-Konzernchef Herbert Diess kündigte hierfür einen Wachstumsplan an.
Die jüngsten geopolitischen Veränderungen und der verstärkte Blockaufbau hätten "die globale Verwundbarkeit von Volkswagen aufgedeckt, insbesondere in Bezug auf die USA", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den VW-Chef. Der Marktanteil in den Vereinigten Staaten soll demnach bis 2030 auf mehr als zehn Prozent verdoppelt werden. Auf dem weltgrößten Automarkt China setzte Volkswagen zuletzt etwa 40 Prozent seiner Fahrzeuge ab.
Investoren kritisieren schon länger, dass der Konzern zu sehr vom Geschäft in der Volksrepublik abhängig sei. Die Frage stelle sich nun dringender, denn China habe sich trotz des Kriegs in der Ukraine nicht den Sanktionen des Westens gegen Russland angeschlossen. Bei einer Blockbildung von China und Russland seien Nachteile für Europa und die USA zu befürchten. Darauf stellt sich VW offenbar ein.
Die Europäische Handelskammer in China zeigte sich unterdessen laut "BBC News" pessimistisch, dass nach den Lockerungen in Shanghai die Lage für westliche Firmen einfacher werde. Diesen stehe vielmehr ein "logistischer Albtraum" bevor. Die Probleme könnten noch wochenlang anhalten. Nach Einschätzung der Handelskammer stünden den Unternehmen trotz der Lockerungen nur 30 Prozent ihrer Arbeitskräfte zur Verfügung.