Was sind die Gründe für diese relative Underperformance?


1. Verschärfte Kreditbedingungen wirken de facto als Wachstumsbremse
Sicherlich hat China von der kräftigen Erholung der Weltwirtschaft voll profitiert und verzeichnete Ende 2020 sogar ein höheres Wachstum als vor der Krise (6,5% ggü. 6%). Um einer Überhitzung entgegen zu wirken, liegt der Fokus der politischen Entscheidungsträger nun darauf, die finanziellen Risiken und das moralische Risiko ("moral hazard") zu begrenzen. Die staatliche Unter­stützung für Emittenten wurde daher zurückgefahren und die Banken angewiesen, die Kreditvergabe einzu­schränken. Durch diese Maßnahmen fiel das Kredit­wachstum zwar wieder auf Vorkrisenniveau, sie wirken aber bremsend auf die wirtschaftliche Aktivität.

2. Die Aufwertung der Währung
Die starke Entwicklung der chinesischen Währung (RMB oder Renminbi) ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaft wie oben beschrieben an Fahrt verliert.

Die Stärke des RMB kann auf drei Hauptfaktoren zurückgeführt werden. Erstens: Obwohl sich das Kreditwachstum in China verlangsamt, deuten die Daten nicht darauf hin, dass die Wirtschaft einbricht. Die Einkaufsmanagerindizes befinden sich im expansiven Bereich. Überdies kurbelt die globale Erholung die Nachfrage nach chinesischen Waren an, und Chinas hoher Leistungsbilanzüberschuss ist ein stärkender Faktor für den RMB. Und drittens engen sich die realen Kreditspreads zwischen China und den USA für kurzfristige Laufzeiten zwar ein, die chinesischen Realzinsen bleiben jedoch relativ hoch, insbesondere bei längeren Laufzeiten. Diese Dynamik sorgt für aus­ländische Kapitalströme in die chinesischen Anleihe­märkte. Da diese Faktoren voraussichtlich weiter Bestand haben, nehmen es die chinesischen Behörden selbst in die Hand und passen den RMB/USD-Wechselkurs an, indem sie US-Treasuries in USD kaufen. Damit sollte sich die Aufwertung des RMB und dementsprechend auch die negativen Auswirkungen auf die Exporte in den kommenden Monaten in Grenzen halten.

3. Präferenz für Wachstums- und Technologiewerte erhält Gegenwind durch Technologiekrieg zwischen den USA und China
Die schärfere Regulierung der Internetwirtschaft hat angesichts des doch gewichtigen Anteils von Internetwerten an den Offshore-Indizes (über 40 % des MSCI China) erhebliche Auswirkungen. Seit Oktober letzten Jahres wirkt die regulatorische Verschärfung von mehreren Seiten. Da wäre etwa die systematische Prüfung von Fintech-Unternehmen (strengere Kapitalan­forderungen) oder auch die Debatte rund um das Thema Wettbewerb, die sich konkret in Untersuchungen und Bußgeldern für Unternehmen mit einer marktbe­herrschenden Stellung niederschlägt (z. B. 2,8 Milliarden US-Dollar im Falle von Alibaba). In der Folge haben die Indizes HS Tech und CSI Internet gegenüber ihren Höchstständen von Mitte Februar 27 % bzw. 34 % eingebüßt.

Sie haben sich damit nicht nur schwächer entwickelt als der breitere chinesische Markt, sondern auch als der US-Technologiesektor. Unterdessen sind die 2-Jahres-Gewinn­prognosen mit durchschnittlich +30% stabil geblieben, wodurch sich die Bewertung des Sektors verbessern konnte. Die geschätzten KGVs sind um 10 Punkte auf 32x für das kommende Jahr und auf 25x für das darauffolgende Jahr gesunken - ein für Wachstums­werte im Technologiesektor angemessenes Niveau.

In letzter Zeit waren Signale für eine Bereitschaft zur Entspannung erkennbar. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai hat angedeutet, sich "in naher Zukunft" mit ihrem chinesischen Amtskollegen treffen zu wollen. Auch die bevorstehende Ernennung des Leiters des Bureau of Industry and Security im Handelsministerium - der für die Durchsetzung des Außenhandelsgesetzes zuständigen Behörde - ist ein Zeichen für Chinas Dialogbereitschaft.

Fazit: Kaufen oder auf Abstand bleiben?


Ohne Zweifel haben die strengere Internetregulierung, der Schuldenabbau und die Kreditklemme chinesischen Aktien zuletzt zugesetzt. Zwar ist die Eindämmung der Kreditvergabe noch nicht abgeschlossen. Der aktuelle Schuldenabbauzyklus unterscheidet sich jedoch von anderen Post-Krisen-Phasen. Daher waren die Auswirkungen auf Aktien vergleichsweise gering. Beim regulatorischen Risiko bietet sich ein ausgewogeneres und auch transparenteres Bild. Nach der Korrekturbewegung im ersten Quartal spricht das Risiko-Ertrags-Verhältnis daher für eine Neu­positionierung in den nächsten sechs Monaten, insbesondere in Wachstumssektoren, darunter auch Internettitel. Die jüngste Änderung in der Positionierung der Fed führt auch zu einer Abflachung der Zinskurve und begünstigt somit Wachstumswerte. Mit einem geschätzten KGV von 15 (auf Sicht von 12 Monaten) für den SS CSI 300 sind wir weit entfernt von den 21, die im vergangenen März erreicht wurden. Hier bietet sich eine Chance zur Neupositionierung, die genutzt werden sollte.

Diese Aufschwungphase dürfte jedoch nicht linear verlaufen Die Tage des chinesischen Wachstumswunders sind vorbei. Das potenzielle BIP-Wachstum verlangsamt sich strukturell bedingt (demografische Effekte und die Auswirkungen der Ein-Kind-Politik), und es wird für Peking schwieriger, die finanzielle und soziopolitische Stabilität aufrechtzuerhalten.

Vor dem 20. Nationalen Kommunistischen Parteitag im Jahr 2022 kann China keinen radikalen politischen Kurswechsel vollziehen. Im Vorfeld dieses wichtigen Ereignisses, bei dem Generalsekretär Xi Jinping die Position des "Obersten Vorsitzenden" erhalten könnte, die einst Mao Zedong innehatte, liegt der Fokus der Xi-Regierung darauf, die Geld- und Fiskalpolitik zu normalisieren und sozio-politisches Störfeuer tunlichst zu vermeiden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass Peking vor der Neuaufstellung der Regierung im Jahr 2022 größere Veränderungen vornimmt - und selbst danach ist ein Richtungswechsel wenig wahrscheinlich. So sorgt sich die Kommunistische Partei beispielsweise darüber, wie sich eine Verlangsamung des Potenzialwachstums auf die Beschäftigung auswirkt. Die Aufrechterhaltung des "Sozialpakts" wird zwangsläufig innenpolitische Unterstützungsmaßnahmen erfordern, einschließlich der Begünstigung einheimischer Industrien.

Die Spannungen mit den Vereinigten Staaten und Chinas asiatischen Nachbarn dürften daher weiter bestehen. Wachsende politische Unsicherheit ist ein langfristiger Trend, der sich früher oder später fortsetzen wird und damit das Investitionsumfeld weniger stabil und berechenbar macht.

In relativer Sicht bietet sich also Wertpotenzial, aber um den Preis einer hohen Volatilität.