Statt eines um Wechselkurseinflüsse sowie Käufe und Verkäufe von Geschäftsbereichen bereinigten Umsatzwachstums von knapp zehn Prozent traut Rosengren ABB jetzt nur noch ein Plus von sechs bis acht Prozent zu. Zumindest im laufenden und im kommenden Quartal dürfte der Gegenwind anhalten. "Das ist ein Problem, mit dem alle Branchen kämpfen, das ist kein ABB-Problem", sagte Rosengren. "Es wird noch ein paar Quartale dauern, bis wir eine Besserung sehen."

Der mangelnde Nachschub sorgt dafür, dass der Konzern aus Zürich die boomende Nachfrage der Kunden nicht befriedigen kann. "Halbleiter sind das Hauptproblem, unsere Produkte sind sehr digital und enthalten viele Halbleiter, nicht zuletzt in der Fertigungsautomation, der Robotik und der Elektrifizierung", sagte Rosengren. So kletterte der Auftragseingang im Sommer-Quartal um 29 Prozent auf 7,87 Milliarden Dollar. Das Umsatzwachstum hinkte mit einem Plus von sieben Prozent deutlich hinterher. Das starke Auftragsplus dürfte allerdings auch darauf zurückzuführen sein, dass Kunden in gewissem Umfang Bestellungen aufgaben, um sich zukünftige Lieferungen zu sichern. Stromausfälle in China und logistische Schwierigkeiten wie die Schließung von Häfen zur Bekämpfung der Pandemie hätten die Beschaffung der Komponenten ebenfalls erschwert.

ABB versuche nun gegenzusteuern, indem das Unternehmen Produkte mit weniger der knappen Chips entwickle, neue Lieferanten suche und seine eigenen Lagerbestände aufstocke. Eine weitere Hürde sei der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern im Schlüsselmarkt Nordamerika. Angesichts der kassierten Prognose und den unter den Erwartungen liegenden Quartalsumsätze sackten die ABB-Aktien fünf Prozent ab. "Die unerwartet starken negativen Auswirkungen auf die Lieferkette könnten sich auch auf andere Unternehmen auswirken, darunter Siemens, Schneider und Legrand", erklärte JP Morgan-Analyst Andreas Willi.

Der Gewinn von ABB sackte im abgelaufenen Quartal zwar auf 652 Millionen Dollar ab. Der Vorjahreswert von 4,5 Milliarden Dollar wurde allerdings durch den Erlös aus dem Verkauf des Stromnetzgeschäfts an die japanische Hitachi aufgebläht. Die operative Rendite legte indes kräftig zu und übertraf mit 15,1 Prozent die eigentlich erst für 2023 angepeilte Marke von 15 Prozent. "Damit haben wir in unserer Bilanz reichlich Spielraum sowohl für organisches Wachstum und Akquisitionen als auch für Ausschüttungen an unsere Aktionäre", erklärte Rosengren.

Mit den Vorbereitungen für die Abspaltung von zwei Bereichen befinde sich ABB auf Zielkurs. Das Geschäft mit Ladetechnik für Elektroautos solle im ersten Halbjahr 2022 an die Börse kommen. ABB sei dabei, einen Verwaltungsratspräsidenten für das Geschäft zu suchen, an dem der Elektrokonzern beteiligt bleiben will. Zum Turbolader-Geschäft wolle ABB voraussichtlich Anfang 2022 entscheiden, ob der Bereich ebenfalls an die Börse komme oder an eine Industriefirma oder einen Finanzinvestor verkauft werden solle.

rtr