Im Profil
Robert Hall arbeitet seit 1994 bei bei
der US-Fondsgesellschaft MFS Asset
Management. Neben seiner Tätigkeit
als Portfoliomanager für institutionelle
Mandate kommuniziert er zudem
als Client-Portfoliomanager gegenüber
Kunden weltweit Investmentpolitik,
Strategie und Markteinschätzungen
der Gesellschaft. Hall machte
seinen
Bachelor am Gordon College
im US-Bundesstaat Massachusetts.
Anschließend studierte er an der University
of Massachusetts.
€uro fondsxpress: Herr Hall, die Europäische Zentralbank
hat ihr Anleihekaufprogramm in Höhe von
über einer Billion Euro gestartet. Ist das die richtige
Maßnahme, um Deflationsrisiken zu reduzieren?
Robert Hall: Da bin ich skeptisch. In den USA ist
die Inflation trotz der massiven quantitativen
Lockerung
nicht gestiegen. Im Januar sind die Verbraucherpreise
vor allem aufgrund der gesunkenen
Kosten für Energie im Vergleich zum Vorjahresmonat
sogar gefallen. Was wir aber gesehen haben,
ist ein stetiger Anstieg der Vermögenspreise.
Dieser Trend wird wahrscheinlich noch eine ganze
Zeit lang anhalten.
Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn sagt, der
EZB gehe es gar nicht um die Preisentwicklung, sie
wolle vielmehr den Euro schwächen. Das aber dürfe
sie nicht sagen, da Wechselkurspolitik nicht zu ihren
Aufgaben gehöre. Hat er Recht?
Ob ein schwacher Euro das primäre Ziel der EZB
ist, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Sie
selbst betont ja, dass sie keine Wechselkursziele
verfolgt. Klar ist jedoch, dass die Länder der Eurozone,
insbesondere Deutschland, enorm von einer
schwächer tendierenden Gemeinschaftswährung
profitieren. Die Eurozone könnte unserer Meinung
nach in diesem Jahr kräftiger wachsen als bislang
erwartet.
Seit vergangenem Sommer hat der Euro gegenüber
dem Dollar rund ein Fünftel seines Wertes eingebüßt. Erleben wir noch
in diesem Jahr die Dollarparität?
Das ist nicht unwahrscheinlich. Die Frage aber ist, ob die US-Notenbank
eine weitere Stärkung des Dollars tolerieren kann. Die Entwicklung
geht zulasten der Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen.
Wir glauben daher, das die Fed die Zinsen in nur kleinen Schritten
anheben und nach jeder Erhöhung die Wirkung auf die Wirtschaftsentwicklung
genau prüfen wird.
Rund ein Viertel aller Staatsanleihen der Eurozone sind mittlerweile negativ
verzinst. Werden Anleger demnächst auch Strafzinsen zahlen müssen,
wenn sie zehnjährige Bundesanleihen erwerben?
Vor ein paar Jahren hätte dies niemand für möglich gehalten. Doch
nach sechs Jahren Finanzkrise, in der überraschende Entwicklungen
stattgefunden haben, kann man auch Negativzinsen bei der zehnjährigen
Bundesanleihe nicht mehr ausschließen. Das wäre dann in
der schon lange andauernden Phase der finanziellen Repression, also
der schleichenden Enteignung der Sparer, sicherlich ein neuer Höhepunkt.
Werden auch die länger laufenden Anleihen der Peripheriestaaten unter
null Prozent fallen?
Das ist eher unwahrscheinlich. Das massive Einwirken der Notenbanken
auf die Märkte erschwert allerdings jede Prognose. Wir bewegen
uns in völlig unbekannten Gewässern, Präzedenzfälle aus der
Vergangenheit, an denen man sich orientieren könnte, liegen uns
nicht vor.
Werden US-Investoren in Reaktion auf das Anleihekaufprogramm der
EZB vermehrt Euro-Anleihen abstoßen?
Davon gehe ich aus. Für US-Investoren ist das Währungsrisiko
zu groß. Ich glaube nicht, dass die Talfahrt
des Euro bald einen Boden finden wird.
Ist es für europäische Investoren sinnvoll, sich in nun
US-Staatsanleihen zu engagieren?
Eindeutig. Die Papiere rentieren höher, wir sehen
zehnjährige US-Treasuries Ende des Jahres bei 2,6
Prozent, was zwar zu Kursverlusten führen könnte.
Es sind aber Wechselkursgewinne drin. Insofern
ist der Einfluss der EZB auf die Entwicklung
von US-Staatsanleihe deutlich gestiegen.
Wie lange wird Ihrer Meinung nach die Niedrigzinsphase
in der Eurozone anhalten?
Dafür wiederum gibt es Präzedenzfälle. In der Geschichte
der Bonds gab es immer wieder mal langjährige
Phasen von niedrigen Zinsen. Auch die
aktuelle
kann mehrere Jahre dauern.
Um höhere Renditen zu erzielen, engagieren sich
Investoren
zunehmend in Papieren, die von den Ratingagenturen
mit spekulativ eingestuft werden.
Werden die Risiken ausreichend beachtet?
Auch wir haben US-High-Yield-Bonds übergewichtet.
Man muss allerdings sehr vorsichtig bei der
Titelauswahl sein. High-Yield-Bonds zu kaufen,
nur weil sie höhere Renditen bieten, macht aus unserer
Sicht keinen Sinn.
Machen Anleihen denn generell noch Sinn in einem breit aufgestellten
Portfolio?
Weder High Yields noch Anleihen mit guter Bonität sind noch billig.
Der Diversifikationseffekt von Anleihen wird so aber immer geringer.
Nur auf Aktien zu setzen, ist dennoch keine Alternative.
Eignen sich Emerging-Markets Bonds, die in Dollar notieren, zur Diversifikation?
Ja, aber man muss genau unterschieden. Wir halten uns bei der Klassifzierung
der Risiken an einen alten Film von Sergio Leone mit Clint
Eastwood in der Hauptrolle. Der Film heißt "der Gute, der Böse und
der Hässliche. Zu den "guten" Staaten zählen wir derzeit beispielsweise
Mexiko. Aus Investorensicht ein "schlechter" Staat ist dagegen
Russland. Wir haben daher russische Staatsanleihen im Vergleich
zur Benchmark untergewichtet. Auch bei Brasilien sind wir vorsichtig.
Zwar genießt der neue Finanzminister Joaquim Levy hohes Ansehen
bei Investoren, das war es dann aber auch schon an positiven
Nachrichten.
Welche Länder fallen unter die Rubrik "häßlich"?
Ukraine und Venezuela. Auch wenn Kiew nun Hilfskredite des Internationalen
Währungsfonds erhält und die Bonds Renditen von deutlich
über 20 Prozent bieten, ist uns das Risiko zu hoch. Das gleiche
gilt für Venezuela. Alles hängt vom Ölpreis ab. Bleiben die Notierungen
niedrig, ist ein Ausfall hoch wahrscheinlich.
Gibt es interessante Alternativen?
Wir finden unter anderem die Dominikanische Republik und den
westafrikanischen Staat Elfenbeinküste interessant. Risiko und Ertrag
stehen hier in damit einem guten Verhältnis.