Die Angst um den Arbeitsplatz macht sich derzeit bei den Banken breit. Das Zittern um den Job ist berechtigt: Um Kosten zu sparen, bauen immer mehr europäische Geldhäuser Stellen ab. So stehen etwa bei der Deutschen Bank 18 000 Arbeitsplätze auf der Kippe, bei der spanischen Banco Santander 3700.
Das ist noch längst nicht alles. Bei der Commerzbank sollen zahlreiche Filialen geschlossen werden. Zwar wird das Institut erst am 27. September seine mit Spannung erwartete Strategiesitzung abhalten. Allerdings wurden bereits im Vorfeld erste Eckdaten des neuen Programms bekannt. Demnach sollen unter anderem 200 der 1000 Niederlassungen wegfallen und rund 2300 Stellen gestrichen werden.
Das "Strategy Update" ist auch für Anleger höchst interessant. Denn zum einen steht nicht endgültig fest, wie Vorstandschef Martin Zielke die Bank aus dem Dilemma von Negativzinsen bei gleichzeitig steigenden Regulierungskosten und höherer Risikovorsorge befreien will. Zum anderen verspricht bereits die stärkere Fokussierung auf Online- und Mobile-Banking Potenzial. In diesen Bereichen erzielt die Branche bereits seit Längerem die höchsten Wachstumsraten. Dazu will die Commerzbank ihre Online-Tochter Comdirect komplett übernehmen (siehe auch Seite 39).
Das betrifft indes nicht nur die Commerzbank. Auch die anderen europäischen Banken stecken in dieser Zwickmühle. Nach der jüngsten Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich die Lage auf den ersten Blick sogar noch verschärft. Die Währungshüter hoben die Strafzinsen für die Geldhäuser von 0,4 auf 0,5 Prozent an. Das betrifft überschüssigen Spareinlagen, die die Institute bei der Zentralbank parken. Laut dem Bankenverband BdB haben die Banken im Euroraum im vergangenen Jahr mehr als sieben Milliarden Euro an Strafzinsen bezahlt.
Bei einem detaillierten Studium des aktuellen EZB-Beschlusses zeigt sich aber, dass die Banken nicht mit höheren Belastungen rechnen müssen. Das Gegenteil ist der Fall: Aufgrund einer Staffelung werden künftig jährlich 2,2 Milliarden Euro weniger anfallen. Ohne diesen Zusatz wäre die Belastung laut BdB auf rund neun Milliarden Euro gestiegen. Allein die deutschen Institute sparen sich in Zukunft rund 500 Millionen Euro im Jahr.
Das ist zwar eine gute Nachricht für die Banken, allerdings wird dies nicht reichen, um die Branche wieder nachhaltig auf Erfolgskurs zu bringen. Eine Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen, ist die Anhebung der Gebühren für die Kunden, etwa für die Kontoführung. "Das Streben nach höheren Provisionserträgen muss ganz oben auf der Agenda eines jeden Bankvorstands stehen", sagt Ulrich Hoyer von der Beratungsgesellschaft ZEB. Eine weitere Chance, die Gewinne wieder anzukurbeln, wäre eine verstärkte Kreditvergabe - selbstverständlich ohne das Risiko dabei zu erhöhen.
Letztlich zielt die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik auf eine Erholung der Wirtschaft ab. Von dieser würden die Banken profitieren. Allerdings dürften niedrige Zinsen allein für eine Konjunkturwende nicht reichen. "Die Geldpolitik hat ihre Grenzen erreicht und übergibt den Staffelstab nun an die Fiskalpolitik, die dem Ruf noch zögerlich, aber spätestens im Falle einer Ausbreitung der Wachstumsverlangsamung, in Breite folgen wird", erwartet DWS-Volkswirtin Ulrike Kastens.
Günstige Bewertung
Die Chancen stehen also gar nicht mal so schlecht, dass sich die Banken allmählich aus dem Tal der Tränen herauswinden, in dem sie sich jahrelang befanden. Wie tief sie in den vergangenen Jahren gesunken sind, zeigt ein Blick auf den Euro Stoxx Banks. Der Index tauchte Mitte August auf das Niveau des Jahres 2012 ab. Damals hatte die Schuldenkrise in der Eurozone ihren Höhepunkt erreicht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Banken derzeit nur so viel wert sind wie damals, als Griechenland, Irland, Portugal und Spanien Rettungsaktionen benötigten. Die französische Investmentbank Natixis geht davon aus, dass die "ungewöhnlich niedrige Kapitalisierung" die Banken der Eurozone für ihre US-Pendants zur leichten Beute machen könnte.
"Die Bedenken dieses Mal beziehen sich hauptsächlich auf ihre Rentabilität, anders als beim letzten Mal, als es um Solvabilität ging", erläutert Jérôme Legras, Research-Leiter bei Axiom Alternative Investments. Die Mehrheit der zuletzt vorgelegten Bilanzen bestätigt diese These. Gewinnrückgänge wie etwa bei der Commerzbank und Société Générale oder sogar Verluste wie bei der Deutschen Bank prägen die Berichte. Allerdings lassen sich die Zahlenwerke nicht einfach über einen Kamm scheren. Bei vielen Instituten kam es zu Sondereffekten. So fielen bei der Deutschen Bank wegen des bereits begonnen Konzernumbaus außerordentliche Kosten an. Das Geldhaus verabschiedet sich unter anderem aus dem weltweiten Aktienhandel und will im Anleihehandel abspecken. Während das Investmentbanking zurückgefahren wird, zielt die Deutsche Bank verstärkt auf Firmenkunden ab. "Wir sind nun so aufgestellt, dass wir bald wieder Boden gutmachen werden", zeigt sich Vorstandschef Christian Sewing kämpferisch.
Inmitten von Aufräumarbeiten steckt auch die Société Générale (SocGen). Die drittgrößte französische Bank verbuchte im zweiten Quartal eine Belastung von 227 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Restrukturierung der Unternehmens- und Investmentbanking-Einheit. Dies dürfte sich aber langfristig rentieren, denn so werden Kosten in Höhe von 500 Millionen Euro eingespart. Auch bei der Kernkapitalquote (CET-1) macht die SocGen Fortschritte. Bereits zum Halbjahr erreichte das Institut sein 2020er-Ziel. Der Indikator für die Zahlungsfähigkeit legte von 11,5 auf zwölf Prozent zu. Das wiederum stimmte Investoren zufrieden, hatte es doch im Vorfeld Gerüchte über eine möglicherweise benötigte Kapitalerhöhung gegeben.
Unterschiedliche Einstufungen
Während wir bei der Deutschen Bank wie auch bei der SocGen auf dem aktuellen Niveau Kurschancen sehen, bleiben wir bei der Commerzbank sowie der Banco Santander noch an der Seitenlinie. Die Spanier verbuchten zwar zuletzt gute Erträge in Lateinamerika, allerdings sorgt das Geschäft in Großbritannien derzeit für Gewinnrückgänge. Solange der Brexit wie ein Damoklesschwert über Santander hängt, drängt sich ein Engagement nicht auf.
Anders sieht es bei der Erste Group aus. Das Institut ist eine der größten Banken in Zentral- und Osteuropa und erfreut sich blendender Geschäfte. Im zweiten Quartal legte der operative Gewinn dank einer höheren Kreditnachfrage - sowohl von privater als auch Firmenseite - in den Kernmärkten Osteuropas operativ um knapp zwölf Prozent zu. Insgesamt sind die Kundendarlehen seit Jahresbeginn um vier Prozent gestiegen. Zudem reduzierte sich der Anteil an faulen Krediten von 3,6 Prozent im Vorjahresquartal auf aktuell 2,8 Prozent.
Auf einem Berg fauler Kredite sitzt zwar immer noch die Unicredit, doch bauen die Italiener diesen sukzessive ab. Zudem verfolgt das Geldhaus unter Jean-Pierre Mustier einen strikten Sparkurs. Auch will der Chef die Bank unabhängiger von Italien machen. Daher halten sich Spekulationen, Unicredit könnte die HVB und die Bank Austria in eine Holding packen. Mustier wird zudem nachgesagt, er wolle weitere bis zu 10 000 Stellen abbauen. Noch im laufenden Jahr wird der bekannte Sanierer seine Strategie vorstellen. Die jüngsten operativen Erfolge gepaart mit der Aussicht auf steigende Gewinne könnten der Aktie Aufwind verleihen. Das Jahreshoch im Bereich von 14 Euro sollte für den FTSE-MIB-Titel drin sein.
Auf einen Blick: Eurobanken
Einen großen Bogen machen Anleger seit Jahren um Bankaktien. Seit dem Höchststand im Jahr 2007 verlor der Euro Stoxx Banks 84 Prozent an Wert. Zinsentlastungen seitens der EZB sowie Umstrukturierungen hauchen dem Sektor nun wieder Leben ein.