Der neue Commerzbank-Chef Martin Zielke bekommt von den Aktionären keinen Vertrauensvorschuss. Nach einem ernüchternden ersten Quartal zweifelt die zweitgrößte deutsche Bank daran, dass sie in diesem Jahr den Milliardengewinn wiederholen kann, den Zielkes Vorgänger Martin Blessing zum Abschied präsentiert hatte. Die Anleger ließen die Aktie am Dienstag um bis zu 12 Prozent abstürzen - der größte Kurseinbruch seit drei Jahren.

Von Januar bis März hat die Bank mit 163 (338) Millionen Euro nur halb so viel verdient wie vor einem Jahr. Die Flaute am Kapitalmarkt und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) machen ihr zu schaffen. Zinsüberschuss und Handelsergebnis brachen um ein Drittel ein. Mittelständler zogen neun Milliarden Euro von den Konten ab, weil die Commerzbank die Strafzinsen der EZB auf sie abwälzte und sie damit verschreckte. "Wir erwarten, dass das weitergeht", sagte Finanzvorstand Stephan Engels.

Und nun droht auch Ärger von der Politik: Die Commerzbank, an der der Staat mit 15 Prozent beteiligt ist, hat offenbar in großem Stil ausländischen Investoren dabei geholfen, Steuern auf Dividenden zu vermeiden. Engels gab sich zu den umstrittenen "Cum/Cum"-Geschäften schmallippig. Bei täglich über 100.000 Handelsgeschäften mit Tausenden Kunden und Banken komme das Institut gar nicht daran vorbei. Die Bank halte sich aber an geltendes Recht.

Die Bundesregierung arbeitet daran, das Steuerschlupfloch zu schließen, bei dem sich Banken und große Fonds aus dem Ausland die unterschiedlichen Steuerregeln für Kapitalerträge für In- und Ausländer zunutze machen. Engels sagte, die Commerzbank habe sich darauf seit Jahresbeginn eingestellt. Ob und wie viele Erträge ihr dadurch entgehen, ließ er offen. Ob auf die Banken und Investoren Steuernachforderungen zukommen, ist fraglich. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, sagte Reuters, er halte diese Steuerpraxis für nicht legitim. "Der Rolle der Commerzbank und anderer deutschen Banken werden wir sehr genau nachgehen."

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ZIELKE MUSS AN RENDITE RAN



Zielke hatte am Montag offiziell sein Amt als Vorstandschef der Commerzbank angetreten. Investoren erwarten von dem 53-Jährigen, dass er der Bank möglichst rasch eine Perspektive für die längere Frist gibt. Finanzchef Engels bat um Geduld: "Voraussichtlich noch in diesem Jahr" werde Zielke seine Pläne vorlegen. Bis dahin stemme sich das Institut so gut wie möglich gegen die Folgen der EZB-Geldpolitik. Die Notenbank knöpft Banken, die bei ihr Geld über Nacht parken, Zinsen ab, um den Kreditfluss anzuregen. Die Commerzbank will mit Mittelständlern nun "verstärkt über alternative Anlagekonzepte" sprechen.

Ganz wettmachen lassen dürfte sich der schwache Start in diesem Jahr nicht mehr. Die Erträge gingen im ersten Quartal um 17 Prozent zurück. Im Vergleich zum Vorjahr fehlen der Bank gut 400 Millionen Euro, vor allem weil Kunden einen großen Bogen um die Kapitalmärkte machten, die sonst zu Jahresbeginn brummen. Es sei "deutlich ambitionierter" geworden, den Vorjahresgewinn von 1,06 Milliarden Euro wieder zu erreichen, wiederholte Engels, wovor Ex-Bankchef Blessing auf seiner Abschieds-Hauptversammlung vor zwei Wochen bereits gewarnt hatte.

Immerhin plant die Commerzbank bisher für 2016 mit einer stabilen Dividende von 20 Cent je Aktie. Von Reuters befragte Analysten hatten zuletzt mit einem Überschuss von 1,1 Milliarden Euro und einer Dividendenerhöhung auf 30 Cent kalkuliert. "Das Hauptproblem der Bank bleibt die niedrige Rendite", monierte Equinet-Analyst Philipp Häßler. "Wir erwarten, dass der neue Chef sich besonders darum kümmert."

Operativ zeigte im ersten Quartal das Rückgrat der Bank Schwächen, das Geschäft mit dem Mittelstand. Die Unternehmen fragten kaum neue Kredite nach, der Druck auf die Margen im Einlagengeschäft sei gestiegen. Das operative Gewinn der Sparte brach um 43 Prozent ein. Das bis vor kurzem von Zielke geführte Privatkundengeschäft hielt sich dagegen stabil. Er hatte die einstige Problemsparte für die Niedrigzinsen wetterfest gemacht.

Reuters