Die deutschen Großbanken machen zunehmend Front gegen die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Während der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, Negativzinsen als "Gift für die Eurozone" bezeichnete, sorgt die Commerzbank, bei der der deutsche Staat pikanterweise Großaktionär ist, mit Bargeld-Bunker-Plänen für Aufsehen. Die Vorstöße sind bemerkenswert, weil die Geldhäuser sich bislang mit derart plakativer Kritik an der EZB zurückgehalten haben.

Nach Informationen aus Finanzkreisen prüft die zweitgrößte deutsche Bank derzeit, Milliardenbeträge im Tresor zu lagern, statt sie bei der EZB zu parken und Strafzinsen zu zahlen. "Diese Option wird mit den damit verbundenen Kosten derzeit durchgespielt", hieß es in den Kreisen. Die deutschen Finanzbehörden seien informiert.

Ein Commerzbank-Sprecher sagte auf Anfrage, es gebe zu solchen Szenarien keine Beschlüsse, derzeit werde dies nicht praktiziert. Eine Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft, der Dachorganisation der fünf deutschen Bankenverbände, erklärte: "Es ist die geschäftspolitische Entscheidung jedes einzelnen Instituts, wie es mit der EZB-Politik der negativen Einlagenzinsen verfährt." Branchenkreise gehen davon aus, dass derzeit nahezu alle europäischen Banken prüfen, wie sie ihre sogenannte Überschussliquidität vor den Negativzinsen der EZB retten. Die Commerzbank ist allerdings die erste europäische Großbank, von der konkrete Überlegungen für die Tresor-Lagerung bekannt werden. Der Commerzbank-Sprecher ergänzte, sollten Beschlüsse gefasst werden, wären diese unternehmerisch und nicht politisch motiviert.

Fünf Tonnen 200er-Scheine



Die Notenbank verlangt von den Geschäftsbanken seit 2014 Negativzinsen, wenn sie kurzfristig Geld bei ihr parken. Damit sollen die Geldhäuser dazu bewogen werden, mehr Kredite zu vergeben und die Wirtschaft zu stimulieren. Munich Re hatte vor Kurzem angekündigt, sich "versuchsweise" einen zweistelligen Millionenbetrag in den Tresor zu legen. Daran sei zu erkennen, wie ernst die Lage sei, sagte Vorstandschef Nikolaus von Bomhard. Die Munich-Re-Tochter Ergo berichtete von wachsendem Interesse ihrer Kunden, Schließfächer zu versichern. Neben der Versicherung verursachen der Transport und die Lagerung von Bargeld Kosten. Eine Milliarde Euro in 200-Euro-Scheinen wiegt gut fünf Tonnen, gestapelt wären die Scheine einen halben Kilometer hoch.

Nach Äußerungen von Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon lohnt sich eine Lagerung bei dem seit März gültigen negativen Einlagezins von 0,4 Prozent noch nicht. Die Sprecherin der Deutschen Kreditwirtschaft konnte keine Angaben darüber machen, welche Bargeld-Volumina für eine Einlagerung überhaupt in Betracht kämen und welche Transaktionskosten daraus entstünden.

EZB-Glaubwürdigkeit leidet



Laut Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Folkerts-Landau hätten Negativzinsen die in sie gesetzten Erwartungen "in keinster Weise" erfüllt. Sie untergrüben nicht nur die geldpolitische Glaubwürdigkeit der EZB, sondern gefährdeten den politischen Bestand der Eurozone. Der Volkswirt empfiehlt der EZB, die Märkte auf eine geldpolitische Wende einzustimmen. Dazu biete der erwartete Anstieg der Inflation Anfang 2017 eine gute Gelegenheit.