Die 2700 Aktionäre, die Blessing jahrelang heftig kritisiert hatten, waren gleichwohl versöhnlich gestimmt. Klaus Nieding von der Aktionärsvereinigung DSW attestierte dem 52-Jährigen "wegen der jüngsten Zahlen und des schönes Frühlingswetters" eine "so eben noch befriedigende" Bilanz. Man müsse ihm zugutehalten, in der Krise "nicht einfach davongelaufen" zu sein. Blessing hatte die Commerzbank acht Jahre lang geführt. Nach der Übernahme der Dresdner Bank mitten in der Finanzkrise musste die Bank mit 18 Milliarden Euro Hilfe vom Staat gerettet werden. Einen Großteil davon hat sie zurückgezahlt - "mit einer Kapitalerhöhungsorgie römischen Ausmaßes", wie Nieding kritisierte.
"LASSEN SIE DIE FINGER VON AKQUISITIONEN"
Ende des Monats endet die Ära Blessing, nachdem er seinen Vertrag nicht verlängern wollte. "Als kreativer, intelligenter Kopf haben seine Dynamik und seine konstruktive Ungeduld seine Vorstandskollegen und die Belegschaft immer wieder gefordert", sagte sein Vorgänger und Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller. Blessings Nachfolger Martin Zielke, der das Privatkundengeschäft auf Erfolgskurs gebracht hatte, muss nun eine Strategie für die nächsten Jahre entwickeln. "Du bist in dieser herausfordernden Zeit genau der Richtige", rief Blessing Zielke zu. Seine eigene Zukunft ließ er offen. "Lassen Sie die Finger von weiteren abenteuerlichen Akquisitionen", mahnte DSW-Vertreter Nieding an die Adresse des neuen Chefs.
Blessing hat zwar die Kapitaldecke deutlich aufgepolstert und Risiken aus der Bilanz genommen, die Ziele für die Rendite und Kostensenkungen hat er aber aufgegeben. Ein Grund dafür sei auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte der scheidende Commerzbank-Chef. Sie habe mit ihren massiven Anleihekäufen zwar die Finanzmärkte beruhigt, ohne politische Reformen in Europa blieben ihre Maßnahmen aber ein Strohfeuer. "Die mit dieser Politik verbundenen Fehlanreize werden uns noch Jahre belasten", kritisierte Blessing.
Allein im ersten Quartal hat die Commerzbank weniger als halb so viel Gewinn erwirtschaftet wie ein Jahr zuvor. "Das Ergebnis der ersten drei Monate dürfte unter dem des letzten Quartals liegen." Von Oktober bis Dezember hatte die Bank 187 Millionen Euro verdient, im ersten Quartal 2015 waren es noch 366 Millionen. Die ersten drei Monate sind vor allem für das Investmentbanking in der Regel die stärksten, für die Commerzbank spielt die Sparte aber eine untergeordnete Rolle.
Blessing versüßt den Aktionären den Abschied mit der ersten Dividende nach acht Jahren. Für 2015 schütten die Frankfurter 20 Cent je Aktie aus. Und auch für 2016 sei eine Dividende geplant, sagte er. Vorrangig sollen die Gewinne aber verwendet werden, um die Kapitaldecke zu stärken. Mit zwölf Prozent liege die Bank zwar inzwischen im europäischen Mittelfeld. "Dennoch ist dies kein Grund, sich auszuruhen", mahnte Blessing.
Reuters