Am Ende des Konzernumbaus, dem 4300 Jobs zum Opfer fallen, soll eine im Branchenvergleich magere Rendite von vier Prozent stehen. Die Radikalkur kann nach Meinung von Experten nur ein Zwischenschritt sein für eine spätere Konsolidierung. Nicht auszuschließen also, dass irgendwann wieder eine Hochzeit auf den Tisch kommt mit der Deutschen Bank, die auch gerade abspeckt. Oder mit jemand anderem.

"Die Pläne der Commerzbank klingen nach dem Motto 'Wasch mich, aber mach mich nicht nass'", sagt Anlegeranwalt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). "Es wirkt alles ein bisschen hilflos." Zielke will jede fünfte der 1000 Filialen schließen und die Gebühren für Kunden erhöhen. Das Institut soll sich stärker auf digitale Angebote fokussieren, die Kosten sollen bis 2023 um 600 Millionen sinken. Strikt auf die Kostenbremse zu drücken sei zwar wichtig, aber es fehle eine klare Strategie, wie die zweitgrößte deutsche Privatbank ihre Einnahmen steigern wolle, kritisiert Nieding. "Der große Befreiungsschlag ist das nicht", mahnt auch Analyst Philipp Häßler vom Broker Pareto Securities an. "Ihr steht ein langer und steiniger Weg bevor."

Analysten halten es vor allem deshalb für schwer, weil die Commerzbank ihre Tochter mBank in Polen veräußern will, die von vielen Experten als "Kronjuwel" bezeichnet wird. Das Institut trug in den vergangenen Jahren jeweils verlässlich rund 300 Millionen Euro zum Konzerngewinn der Commerzbank bei. Dieser lag 2018 bei 865 Millionen Euro. "Der Erfolg des Konzernumbaus ist maßgeblich an einen Verkauf der mBank gekoppelt", sagt Normen Fritz, der den Bereich Financials beim Fondsanbieter Union Investment leitet. Ob dieser aber problemlos über die Bühne gehe, sei fraglich, da in Polen noch Urteile ausstünden, wie die dortigen Banken mit Darlehen in Schweizer Franken umgehen sollten. Die mBank sitzt auf einem solchen Portfolio im Volumen von rund 3,7 Milliarden Franken.

Doch irgendwo müssen die 1,6 Milliarden Euro her, die Zielke für den Umbau seines Geldhauses veranschlagt hat. Eine weitere Kapitalerhöhung ist wegen der aktuellen Börsenbewertung nach Meinung von Experten ausgeschlossen. Die im Nebenwerteindex MDax notierten Aktien sind mit 5,39 Euro derzeit nicht weit entfernt von ihrem im August erreichten Rekordtief von 4,65 Euro. Vor zwei Jahren waren sie noch gut doppelt so viel wert.

"DIE BANK HAT EIN GLAUBWÜRDIGKEITSPROBLEM"


Bankanalyst Tobias Lukesch vom Brokerhaus Kepler Cheuvreux sieht vor allem ein Glaubwürdigkeitsproblem für das Management. "Auch die letzten Umbaumaßnahmen der vergangenen Jahre haben nicht gefruchtet. Viele Investoren fragen sich, warum es diesmal klappen soll." So stellte vor zehn Jahren der damalige Bankchef Martin Blessing mit der "Roadmap 2012" eine Eigenkapitalrendite von zwölf Prozent in Aussicht, heraus kam am Ende gerade einmal gut ein Prozent. Zielke übernahm das Ruder im Mai 2016, verkündete die neue Strategie "Commerzbank 4.0" und versprach für 2020 unter anderem eine Rendite von mehr als sechs Prozent - nur um die Prognosen dann nach und nach einzudampfen.

Nun kündigt der 56-Jährige eine Eigenkapitalrendite von vier Prozent bis zum Jahr 2023 an. Das sei nicht atttraktiv für Investoren, sagt Michael Hünseler, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Assenagon. "Das Kapital reicht, um zu leben, aber nicht, um die Situation maßgeblich zu bestimmen." Durch den Verkauf der mBank ist die Commerzbank nach Meinung der Experten außerdem viel verwundbarer, da sie ihre Abhängigkeit vom chronisch schwachen, weil hart umkämpften Heimatmarkt erhöht.

Die Commerzbank baute ihr Geschäft mit Mittelstandsfirmen in den vergangenen Jahren massiv aus - glaubt man Wettbewerbern, vor allem dank Kampfkonditionen. Doch der Fokus auf die heimische Wirtschaft kann sich auch als Bumerang erweisen, denn die Konjunktur schwächelt. Und in den Bankbilanzen steigt seit geraumer Zeit die Risikovorsorge für ausfallgefährdete Kredite.

KANN ES ALLEINE ÜBERHAUPT FUNKTIONIEREN?


Kritisch sehen Experten auch die Integration der Digitalbank Comdirect in den Commerzbank-Konzern. So befürchten viele, dass der "Fintech-Spirit" verloren gehe, der das Institut erfolgreich gemacht hat. "Je mehr Commerzbank bei der Comdirect durchgeschlagen hat, desto schwerfälliger wurde sie", sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen will. "Man will jetzt in Richtung digital und Fintech gehen, hält aber noch an einem vergleichsweise großen und teuren Filialnetz fest", kritisiert Nieding.

Selbst wenn Zielke dieses Mal seine Prognosen erfüllen wird, halten Experten es für unwahrscheinlich, dass die Commerzbank alleine bleibt. "Ich habe Zweifel, ob eine Stand-Alone-Strategie langfristig funktioniert", sagt Hünseler. In die Enge treiben lassen will sich Zielke bei der Konsolidierung auf jeden Fall nicht: "Es ist für eine Bank wie uns relevant, dass wir uns so aufstellen, dass wir in einem solchen Prozess aktiver Spieler sind. Und das wollen wir sein." Dafür sehe er die Bank mit der neuen Strategie gut aufgestellt.

rtr