BÖRSE ONLINE: Die jüngste Eskalation im Handelsstreit zwischen USA und China hat die Märkte stark verunsichert. Der DAX ist 2,5 Prozent eingebrochen. Rückt die erhoffte Einigung im Zollstreit damit in weite Ferne?

Jörg Krämer: Der Handelskonflikt wird sich nicht in Wohlgefallen auflösen, selbst wenn sich die Präsidenten Trump und Xi in den kommenden Monaten auf einen Deal einigten. Es geht schließlich um viel mehr als nur um Handel. Im Kern möchten die USA den politischen und militärischen Aufstieg Chinas bremsen, den sich die Chinesen aber auf ihre Fahnen geschrieben haben. Der Konflikt zwischen den USA und China könnte die kommenden Jahrzehnte prägen, wie der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion die vierzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt hat.

Was bedeutet das für die Perspektiven der Weltwirtschaft?


Das bedeutet insbesondere, dass sich die noch engen wirtschaftlichen Bande zwischen Amerika und China schrittweise lösen werden. Die Weltwirtschaft droht in eine westliche und östliche Sphäre zu zerfallen.

Mit welchen Folgen rechnen Sie kurzfristig für die deutsche Wirtschaft?


Der Handelskrieg ist ein riesiges Problem für die exportorientierte deutsche Wirtschaft. Vor allem deshalb nehmen die Analysten ihre Schätzungen für die Gewinne der DAX-Unternehmen zur Zeit massiv zurück.

Dafür hat sich der DAX aber noch vergleichsweise gut gehalten.


Stimmt, aber das liegt nur an der lockeren Geldpolitik. So dürfte die EZB ihren ohnehin schon negativen Einlagensatz auf der nächsten Ratssitzung im September weiter senken. Auf der verzweifelten Suche nach Ertrag weichen Anleger auf risikoreichere Aktien aus. Das ist nichts anderes als Vermögenspreisinflation.

Wie sollten sich Anleger in diesem Umfeld zunehmender politischer Unsicherheit positionieren?


Aktien werden weiter unter negativen Meldungen vom Welthandel leiden und von der Zementierung der EZB-Negativzinspolitik profitieren. Bei dieser Schaukelbörse dürfte es bis auf weiteres bleiben. Risikobereite Anleger sollten den Markt aufmerksam beobachten und zwischenzeitliche Einbrüche zum Aktienkauf nutzen.