Der Brexit-Entscheid Ende Juni hat europäische Bankaktien stark unter Druck gesetzt und die ungelösten Probleme des Sektors wieder offen zutage gelegt: Noch immer sind viele Institute schwach kapitalisiert und leiden neben chronischer Ertragsschwäche unter teilweise erheblichen Bilanzrisiken. Zieht ein mögliches Ausscheiden der Briten aus der EU auch noch einen Konjunkturabschwung nach sich, könnte dies viele der Häuser in Bedrängnis bringen und manche sogar existenziell gefährden.
Letzteres betrifft vor allem italienische Banken, die faule Kredite im Volumen von 360 Milliarden Euro aufgehäuft haben. Monte dei Paschi di Siena - das älteste Geldhaus der Welt - und weitere Institute benötigen dringend frisches Kapital. Unklar ist, wieweit die italienische Regierung bei der Bankenrettung mit Staatsgarantien und Steuergeldern gehen darf, ohne die mittlerweile verschärften EU-Vorgaben zu verletzen. Die verlangen, dass zuerst Eigentümer und Gläubiger herangezogen werden müssen, und sehen Staatshilfen nur bei drohenden Systemkrisen vor. EZB-Präsident Mario Draghi hatte sich nach der jüngsten Ratssitzung für staatliche Hilfen ausgesprochen.
Investoren wiederum befürchten, dass es europaweit zu Dominoeffekten kommen könnte, wenn einzelne Institute in akute Existenznöte kommen. Die Unsicherheit, die den gesamten Sektor umklammert, setzt seit Wochen auch die Aktienkurse der deutschen Geldhäuser unter Druck. Deutsche Bank und Commerzbank notieren auf einem Niveau, das nicht wenige als Kaufkurs sehen. "Die fundamentale Situation der Banken hat sich nicht so massiv verschlechtert, wie die Kurse eingebrochen sind", glaubt etwa Privatbankenverbandschef Michael Kemmer. Doch dass die Risiken zuletzt zugenommen haben, steht außer Frage. Und mittelfristig stellt die nicht zu unterschätzende Gefahr für die Ertragskraft der Häuser und das Funktionieren der Geschäftsmodelle die Niedrigzinspolitik der EZB dar.
Etwas Aufschluss über den Zustand der europäischen Geldhäuser soll die Veröffentlichung eines europaweiten Banken-Stresstestes Ende am 29. Juli bringen. Publik gemacht wird das Ergebnis für die 51 geprüften europäischen Institute, neun davon aus Deutschland, gegen 22 Uhr. Vor allem die italienischen Geldhäuser stehen dabei im Fokus, aber manche Investoren rechnen auch mit Anhaltspunkten darüber, wie hoch ein möglicher Kapitalbedarf etwa bei der Deutschen Bank sein könnte. Der Bankenverband BdB hat vorab erklärt, dass er keine Nachrichten erwartet, die zu "tiefgreifenden Verwerfungen" bei deutschen Geldhäusern führen könnten. Durchfallen kann diesmal niemand, weil zunächst keine Grenzwerte etwa für erforderliche Kapitalquoten festgelegt werden - man möchte in der gegenwärtig labilen Situation nicht noch zusätzlich Unruhe schüren.
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Aareal Bank
In einer anderen Liga spielt die Wiesbadener Aareal Bank (Quartalszahlen am 11.8.), die mit ihren beiden Schwerpunkten gewerbliche Immobilienfinanzierung und Immobilien-Finanzdienste weniger konjunkturanfällig ist. Die Bank hat die Finanzkrise zwar als eine der wenigen ohne Verluste gemeistert und konnte die Schwäche der Konkurrenz sogar nutzen, die Marktposition durch Übernahmen zu verbessern. Doch auch hier hat sich die Wettbwerbssituation zuletzt wieder verschärft, die Erträge kommen dadurch stärker unter Druck. Für die Aktie spricht die nach wie vor überdurchschnittliche Kapitalausstattung sowie die attraktive Dividendenpolitik mit einer Dividendenrendite von rund sieben Prozent.
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Deutsche Bank
Die Deutsche Bank legt am 27. Juli die Zahlen zum zweiten Quartal vor. Im Schnitt rechnen Analysten mit einem deutlichen Gewinnrückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum (2. Quartal 2015: 800 Millionen Euro netto).
Das Geldhaus steckt mitten im Konzernumbau, die strategische Aufstellung wird derzeit erneut überprüft. Statt eines Verkaufs der Postbank könnte die Tochter demnach behalten werden. Sonderbelastungen fallen an aus dem Umbau der Privatkundensparte. Zudem wird das Investmentbanking verkleinert und fokussiert, um weniger Risiken in der Bilanz zu haben, womit aber Ertragspotenzial verlorengeht. Unberechenbar bleiben auch die nach wie vor großen Rechtsrisiken, mit denen die Bank konfrontiert ist, auch wenn der vor einem Jahr angetretene Konzernchef John Cryan bei der Aufarbeitung aufs Gas drückt.
Im Markt halten sich zudem hartnäckig Spekulationen über eine weitere Kapitalerhöhung. Cryan hat bislang stets betont, dass die Kapitaldecke aus eigener Kraft gestärkt werden soll. Zuletzt ist die Kapitalquote auf 10,7 (11,1) Prozent geschrumpft. Seit Cryans Antritt am 1. Juli 2015 hat die Aktie rund die Hälfte ihres Wertes eingebüßt, der gesamte Börsenwert der Bank liegt bei nur noch 18 Milliarden Euro. Die Investoren stehen grundsätzlich noch hinter ihm, erwarten aber, dass am kommenden Mittwoch zumindest beispielsweise bei den angekündigten Kostensenkungen allmählich Erfolge sichtbar werden.
Einschätzung zur Aktie
Dem größten deutschen Geldhaus fehlen derzeit nicht nur Kapital und Ertragsperspektiven, sondern auch eine schlüssige Strategie. Bevor nicht klar wird, wohin die Reise geht, birgt jedes Investment auch bei scheinbar günstigem Kurs im derzeit labilen Umfeld große Risiken.
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Auf Seite 4: Commerzbank
Commerzbank
Wesentlich konsistenter als bei der Deutschen Bank wirkt das Geschäftsmodell der Commerzbank mit ihrem Schwerpunkt im deutschen Privat- und Firmenkundengeschäft. Das zweitgrößte deutsche Geldhaus veröffentlicht seine Zahlen am 2. August. Die Bank ist beim Abbau ihrer Bilanzrisiken aus der Zeit der Finanzkrise inzwischen deutlich vorangekommen. Als größte deutsche Mittelstandsbank ist auch die Commerzbank vom Niedrigzinsumfeld sowie ihren konjunktursensiblen Firmenkunden abhängig, die auch unter den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit leiden könnten. Mit den Schwerpunkten Digitalisierung, Wachstum und Kostenkontrolle ist der neue Vorstandschef Martin Zielke zum 1. Mai angetreten. Im Herbst sollen zudem ein Stellenabbauprogramm und strategische Änderungen in der Mittelstandsbank auf den Weg gebracht werden.
Einschätzung der Redaktion
Die Commerzbank kommt im aktuellen Niedrigzinsumfeld nicht nur ertragsmäßig immer stärker unter Druck. Auch die Kapitaldecke wird dünner - allein vom ersten zum zweiten Vierteljahr reduzierte sich die Kapitaldecke von zwölf auf 11,5 Prozent. Das ist nicht zuletzt auch eine Folge immer strengerer Regulierungsvorgaben, die eine höhere Bewertung von Bilanzrisiken erforderlich macht.
Als größte deutsche Mittelstandsbank ist das Geldhaus zudem von ihren konjunktursensiblen Unternehmenskunden abhängig. Eine Wiederholung des Milliardengewinns im Vorjahr wird vor diesem Hintergrund immer unwahrscheinlicher. Das bedeutet zunehmenden Gegenwind auch für den neuen Konzernchef Martin Zielke. Der Nachfolger von Martin Blessing hat sich Digitalisierung, Wachstum und Kostenkontrolle vorgenommen. Im Herbst will er erklären, wie er vor allem das Kerngeschäft Mittelstand unter anderem mit Stellenabbau auf die neuen Herausforderungen einstellt. Das könnte neue Impulse bringen.
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