Das heißt aber nicht, dass die Firmenjäger nicht trotzdem weiterhin unaufhörlich auf der Pirsch sind. Und als Beute kommen dabei Firmen jedweder Größe in Frage. Wie schnell eine neue Offerte auf dem Tisch liegen kann, machte erst das vergangene Wochenende wieder deutlich. Denn da tauchten plötzlich Gerüchte auf, der französische Luxusgüterkonzern LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton SE wolle für Tiffany & Co bieten. Dem Vernehmen nach soll man für den US-Hersteller von hochpreisigem Schmuck und Uhren eine Offerte im Volumen von 14,5 Milliarden Dollar vorgelegt haben.
Am Montag bestätigten die Franzosen dann, Vorgespräche mit den Amerikanern über eine Übernahme geführt zu haben. Gelingt der Coup, würde dieses Beispiel auch deutlich machen, warum Anleger zumeist froh sind über Übernahmeangebote. Kommen diese doch in der Regel nur dann zustande, wenn sie gegenüber dem zuletzt gültigen Aktienkurs einen Aufschlag bieten.
Bei Tiffany beispielsweise bewegt sich die Offerte basieren auf den Gerüchten bei umgerechnet rund 120 Dollar je Aktie, Das sind fast 22 Prozent mehr als bei der letzten Handelsnotiz bevor die Spekulationen auftauchten. Nimmt man Daten des US-Finanzdienstleisters Factset als Maßstab, dann belief sich die durchschnittliche Übernahmeprämie in den USA im dritten Quartal sogar auf 32,7 Prozent. Witzigerweise deckt sich das fast mit dem zum Wochenauftakt von den Tiffany-Aktien eingefahrene Kursplus von 31,63 Prozent.
So gesehen überrascht es nicht, dass Marktteilnehmer immer wieder nach potenziellen Übernahmekandidaten Ausschau halten. Genau mit dieser Aufgabe beschäftigen sich auch regelmäßig die Analysten von Morgan Stanley. Was das US-Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen im aktuellen M&A-Report zur Lage an der Fusionsfront zu berichten hat und bei welchen Unternehmen man die Chance auf eine Übernahme wittert, darüber verraten wir nachfolgend etwas mehr.
Die Lage beim M&A-Zyklus in den USA
Wie es in dem Bericht heißt, haben die M&A-Aktivitäten in den USA im letzten Quartal nachgelassen. Dies wiederum dürfte mit der ebenfalls verlangsamte Ertragsentwicklung auf Unternehmensebene sowie der mit Blick auf den Welthandel gestiegenen Unsicherheit zu tun haben. Das hausinterne US-Aktienstrategie-Team unter der Leitung von Mike Wilson sage für 2019 eine Ergebnisrezession voraus und auch oim Rest des Jahres dürfte sich an dieser Haltung nichts ändern.
Eine Belebung der M&A-Aktivitäten sei aber in einem Umfeld eher unwahrscheinlich, in dem Unternehmen um Gewinnsteigerungen zu kämpfen haben. Aktienrückkäufe und Dividenden seien zuletzt die bevorzugte Investitionsform gewesen, während eine riskantere Kapitalnutzung via M&A und Investitionen unter dem Umfeld besonders gelitten habe.
Insgesamt sei die M&A-Aktivität im vergangenen Quartal auf breiter Basis zurückgegangen. In fünf (Nicht-Basiskonsumgüter, Technologie, Materialien, Gesundheit, Energie) von zehn Sektoren habe die Angebotsintensität abgenommen, während in vier Sektoren die Angebotsintensität unverändert geblieben sei. Der einzige Sektor, in dem die M&A-Aktivitäten zunahmen, sei der Bereich Kommunikationsdienstleistungen gewesen. Die Angebotsintensität in vielen Sektoren sei dafür fast schon historisch niedrig ausgefallen.
Die Lage beim M&A-Zyklus in Europa
Mit Blick auf Europa heißt es in der Studie von Morgan Stanley, die Angebotsintensität ist im abgelaufenen Quartal auf dem alten Kontinent gestiegen. Die Erholung habe sich nach zwei Quartalen eingestellt, in denen die Angebotsintensität nachgelassen habe. Europäische Unternehmen stünden dabei aber unter einem ähnlichen Druck wie das bei US-Unternehmen der Fall sei. Auch sie hätten mit einer Verlangsamung des Ertragswachstums sowie mit politischer Unsicherheit wie etwa in Form des Brexits zu kämpfen.
Die Angebotsintensität sei im dritten Quartal in den meisten Sektoren unverändert geblieben. Jedenfalls hätten gleich sieben Sektoren keine Veränderung verzeichnet. In den drei Sektoren Kommunikationsdienstleistungen, Finanzen und Industrie habe sich die M&A-Aktivität belebt. Ähnlich wie in den USA sei dabei die Aktivität bei den Kommunikationsdiensten nahezu historisch hoch ausgefallen. Den stärksten Rückgang registrierte dagegen der Materialien-Sektor.
Europa: Entwicklung der 12-monatigen Angebotsintensität im beobachteten Modelluniversum auf rollierender Dreimonatsbasis; bis zum dritten Quartal 2019
Damit kommen wir nun zu dem Teil des Morgan Stanley-Reports, der aus Sicht der meisten Anleger am spannendsten sein dürfte. Gemeint ist damit jener Teil, in dem sich die Analysten mit den aus ihrer Sicht wahrscheinlichsten Übernahmekandidaten beschäftigen.
Um diese Titel zu identifizieren, haben die Analysten quantitative Modelle entwickelt, mit denen man versucht, die Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, dass ein Unternehmen in den USA oder in Europa in den kommenden zwölf Monaten ein Übernahmeangebot erhält. Wobei diese Analyse allerdings nichts darüber aussagt, wer so eine Offerte abgibt, wie hoch der Preis ausfällt und ob ein Gebot letztlich Erfolg hat.
Als Beurteilungskriterien finden Punkte wie Unternehmensgröße, Verschuldungsquote, Dividendenrendite und Branchenzugehörigkeit Berücksichtigung. Beim letztgenannten Punkt ist es dabei so, dass bei Vertretern aus dem Gesundheitssektor die Chance auf eine Übernahme höher eingeschätzt wird als bei Gesellschaften aus dem Industriesektor.
Was den Börsenwert anbelangt, ist es so, dass die Übernahme eines Unternehmens mit einer geringeren Marktkapitalisierung als wahrscheinlicher gilt als bei einem Konzern mit einer höheren Marktkapitalisierung. Qualitativ höherwertige Firmen gelten außerdem ebenfalls als wahrscheinlichere Übernahmekandidaten und ein geringeres Kurs-Buchwert-Verhältnis macht einzelne Sektoren interessanter im Vergleich mit Sektoren mit hohen Kurs-Buchwert-Verhältnissen.
In den USA wendet Morgan Stanley das so genannte ALERT-Modell auf ein Universum mit den 1.000 größten Aktien gemessen an der Marktkapitalisierung an. Das oberste Quintil der ALERT-Scores zeigt dabei jene Aktien, die voraussichtlich in den nächsten 12 Monaten am ehesten Kaufgebote erhalten.
Zu beachten ist dabei, dass im Durchschnitt 6,7 Prozent der in früheren US-ALERT-Listen hervorgehobenen Unternehmen in den nächsten 12 Monaten eine Übernahmeofferte erhielten. Das vergleicht sich mit einer Quote von drei Prozent an Kaufgeboten für das gesamte Anlageuniversum.
Die nachfolgende Tabelle zeigt jene US-Aktien mit großen, liquiden Aktien im oberen ALERT-Quintil mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine Kaufofferte.
Die potenziellen Übernahmekandidaten aus Europa
Seit August 2017 erstellt Morgan Stanley auch für Europa eine ALERT-Liste die darauf abzielt, Aktien zu identifizieren, die in den nächsten zwölf Monaten am ehesten ein Übernahmeangebot erhalten.
Als Auswahlkriterien finden hier unter anderem die Marktkapitalisierung Beachtung, die Revisionen der Gewinnschätzungen auf Sicht der vergangenen drei Monate (Gesellschaften mit sinkenden Ergebnisprognosen gelten dabei als Übernahme-gefährdeter). Hinzu kommen die Qualität der Unternehmen, wobei anders als in den USA eine schlechtere Qualität die Übernahmegefahr erhöht.
Berücksichtigung finden außerdem auf Sektor-Ebene das Kurs-Momentum auf Zwölfmonatsbasis (ist diese niedrig, steigt erfahrungsgemäß die Zahl der Gebote in einem Sektor) oder das relative Kurs-Buchwert-Verhältnis (niedrige Werte machen Gebote in einem Sektor wahrscheinlicher).
Den Angaben zufolge erhielten im Durchschnitt sechs Prozent der europäischen Unternehmen, die in früheren ALERT-Listen hervorgehoben Erwähnung fanden in den nächsten 12 Monaten Übernahmeangebote, verglichen mit einem Anteil von 2,4 Prozent im gesamten Anlageuniversum des MSCI Europe Index. Aus Deutschland finden in der aktuellen Liste Lufthansa, 1&1 Drillisch, Telefonica Deutschland, Commerzbank und United Internet Erwähnung.
Die nachfolgende Tabelle zeigt jene 20 Aktien aus Europa (ohne GB und Niederlande) mit einem Börsenwert von mindestens vier Milliarden Dollar mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für eine Kaufofferte.
Die Übernahmefavoriten für Großbritannien und den Niederlanden weist Morgan Stanley in einer separaten Liste aus, weil Unternehmen aus diesen beiden Ländern in den vergangenen Jahren viel häufiger zum Ziel einer Übernahme wurden als Gesellschaften aus anderen europäischen Ländern.
Die nachfolgende Tabelle zeigt jene 20 Aktien aus Europa (ohne GB und Niederlande) mit einem Börsenwert von mindestens vier Milliarden Dollar mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für eine Kaufofferte.
Die Kursperformance der Bieter
Erwähnenswert sind zu guter Letzt auch noch die Ergebnisse, die Morgan Stanley im Zuge der Studie zur Performance der Aktien der als Bieter auftretenden Unternehmen. Demnach fällt die Bilanz bei US-Gesellschaften, die Kaufofferten abgeben, seit der Finanzkrise gemischt aus. Wie es heißt, tendiere der Kurs bei einem Aufkäufer kurz nach der Ankündigung einer Offerte dazu, seinen Sektor und den betabereinigten Markt leicht in Sachen Performance zu übertreffen. Aber auf einer betabereinigten Basis ergibt sich dann drei Monate später eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung.
In den vergangenen zwölf Monaten ist die Belohnung sowohl auf sektoraler als auch auf beta-bereinigter Basis für US-Käufer ausgeblieben. Das Ausmaß, in dem Erwerber sowohl ein als auch drei Monate nach Bekanntgabe eines Übernahmeangebots bestraft wurden, hat sich deutlich erhöht.
Viel besser fällt verglichen damit die Bilanz von Aufkäufern aus Europa in den vergangenen zwölf Monaten aus. Denn ihre Performance fällt in der Regel sowohl auf Beta- als auch auf Sektor-bereinigter Basis in den Monaten nach der Ankündigung eines Gebots überdurchschnittlich gut aus.