Von diesen Katastrophenmeldungen bleiben auch die Autozulieferer nicht verschont. Ist es doch diese Zunft, die meist direkt negativ betroffen ist. Noch sind es vor allem jene Unternehmen, die VW beliefern. Sie sehen sich einem höheren Preisdruck ausgesetzt, denn die Wolfsburger möchten angesichts der immensen "Reparatur"-Kosten rund drei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Kommen nun auch noch andere Hersteller hinzu, dürfte der Druck in der wettbewerbsintensiven Zulieferindustrie weiter steigen.
Die Margen sinken
Das Bankhaus Metzler hat die Konsensschätzungen der Analysten vor und nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals im vergangenen Jahr untersucht. Ihr Fazit: Die Erwartungen bei der Ebit-Marge für 2016 wurden zurückgenommen, die Erlösentwicklung wird dagegen in etwa unverändert eingeschätzt. Letzteres spricht dafür, dass nicht mit größeren Verkaufseinbußen wegen der Affäre gerechnet wird. "Vergleichbare Automobilskandale in der Vergangenheit deuten auf keinen Absatzeinbruch von Dieselfahrzeugen infolge des VW-Skandals hin", erläutert Metzler-Geschäftsführer Hans Günter Wolf.
Doch auch ohne das Diesel-Desaster sind die Gewinne zuletzt bei einigen Zulieferern unter Druck geraten. So rutschte beispielsweise bei Leoni die Ebit-Marge um einen Prozentpunkt auf nur noch 3,4 Prozent im vergangenen Jahr ab. Noch schlimmer traf es ElringKlinger, dessen Rendite sich von stolzen 11,6 Prozent 2014 auf neun Prozent im Jahr 2015 reduzierte. "Die Situation bei ElringKlinger ist ähnlich kurios wie bei Leoni. Der Konzern leidet unter zu vielen Aufträgen, die Sonderkosten verursachen, was zum Teil auf Planungsversagen zurückzuführen sein dürfte", sagt Nord/LB-Analyst Frank Schwope. Auch wenn die beiden Unternehmen derzeit hausgemachte Probleme haben: Sie befinden sich bereits in einem Restrukturierungsprozess, dessen Erfolg sich 2016 abzeichnen dürfte.
Dies gilt insbesondere für ElringKlinger. Der Spezialist für Zylinderkopfdichtungen erwartet bei einem weiteren Umsatzwachstum von fünf bis sieben Prozent einen noch deutlich stärkeren Ergebnisanstieg. Leoni bleibt in diesem Jahr wegen der eingetrübten Konjunkturaussichten noch im Rückwärtsgang. Daher wundert es nicht, dass die Aktie des Kabelspezialisten auf Jahressicht etwa doppelt so viel verloren hat wie das Konkurrenzpapier.
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Übernahmefantasie bei Leoni
Mittlerweile beträgt die Marktkapitalisierung von Leoni nur noch ein Fünftel der für 2016 erwarteten Erlöse. Damit könnten die Nürnberger zum Übernahmeziel werden. Nach Einschätzung des Metzler-Experten Wolf nimmt der Konsolidierungsdruck in der Branche bereits zu: "Anhand ausgewählter Transaktionen im Automobilzuliefersektor von 2013 bis 2016 lässt sich gut erkennen, dass die Akquisitionen in letzter Zeit vor allem technologiegetrieben waren, die übernehmenden Unternehmen also vor allem am Zukauf von Know-how in Zukunftstechnologien Interesse zeigten." Als Anbieter von der einadrigen Leitung bis hin zum kompletten Bordnetzsystem mit integrierter Elektronik sind die Franken in Sachen Zukunft nahezu unverzichtbar. Die Leoni- und die ElringKlinger-Aktie sind für Spekulative wieder kaufenswert.
Auch Unternehmen wie der LED-Spezialist Hella, der Ingenieurdienstleister Bertrandt oder der Branchenprimus Continental haben längst erkannt, dass durch den technologischen Wandel der Innovationsdruck in der Branche zunimmt. Dass sie die aktuellen Herausforderungen bestens meistern, lässt sich an deren Wachstumszahlen und Renditen ablesen. Und damit das auch so bleibt, hat sich zum Beispiel Conti nach den Megatrends des Autos ausgerichtet. Egal ob autonomes Fahren, das vernetzte Fahrzeug, Sicherheit oder der Kohlendioxidausstoß: In allen Bereichen wird auf breiter Front geforscht und entwickelt.
Während Conti und auch Bertrandt über eine relativ breite Geschäftsausrichtung verfügen, konzentriert sich Hella auf wenige hochmargige und wachstumsstarke Produkte. Auch wenn derzeit einmalige Sonderbelastungen wegen eines Lieferantenausfalls auf das Wachstum drücken, läuft das Geschäft ansonsten rund. Anleger können die Konsolidierung bei Hella nutzen, um Positionen aufzubauen.
Wer sich in diesem Sektor engagieren will, sollte starke Nerven mitbringen. Denn es ist nicht abzusehen, welche Kreise das Abgasdesaster noch ziehen wird. Daher dürften die Aktien vorerst volatil bleiben. Dennoch: In jeder Krise liegt eine Chance. Langfristig wird sich der Skandal, wie zuvor schon viele andere, in Luft auflösen. Dann treten die wahren Werte der Firmen wieder zutage.