Auf den ersten Blick hinterließ das vorgelegte Zahlenwerk durchaus einen positiven Eindruck, schließlich wurde im vergangenen Jahr der Konzernumsatz um 6,0 Prozent auf 31,9 Milliarden Euro, das bereinigte Vorsteuerergebnis EBIT um 37,7 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro, die bereinigte EBIT-Marge von 4,4 auf 5,6 Prozent, das operative Ergebnis von minus 428 Millionen auf plus 1,8 Milliarden Euro sowie das Nettoergebnis von minus 962 Millionen auf plus 1,5 Milliarden Euro verbessert. Nach zwei Verlustjahren erzielte das Unternehmen somit erstmals wieder einen Gewinn. Deshalb will man eine Dividende in Höhe von 2,20 Euro pro Aktie ausschütten, nachdem diese im Vorjahr ausgefallen war. Grundsätzlich gibt es zwei Gründe, warum man das vergangene Geschäftsjahr kritisch einordnen sollte. Zum einen war das Jahr 2020 vor allem durch Corona stark negativ beeinflusst worden und sollte daher als Ausnahmejahr betrachtet werden. Zum anderen haftet dem Ausblick des Managements ein hohes Maß an Unsicherheit an. Continental betreibt zwar keine Produktionsstätten in der Ukraine aber in dessen Nachbarländern. So hat das Management am gestrigen Dienstag angekündigt, das Im- und Exportgeschäft mit Russland sowie die Produktion des Werks im russischen Kaluga einzustellen.
CFO Katja Dürrfeld blickte grundsätzlich zwar "verhalten optimistisch" in die Zukunft, merkte aber an, dass eine geopolitische Eskalation des Kriegs gegen die Ukraine darin nicht enthalten sei. Der Umsatzanteil Russlands belaufe sich aktuell auf ein Prozent und die Zahl der Mitarbeiter liegt bei 1.300. Fragen nach der Höhe der Russland-Investitionen wollte man während der heutigen Web-Konferenz nicht beantworten. Im vergangenen Jahr gab es vor allem bei der Versorgung mit Halbleitern und Rohstoffen bzw. deren Preisentwicklung Probleme. Bei einer Verschlimmerung der geopolitischen Lage sei mit nachhaltigen Störungen in der Produktion, der Lieferketten und Umsatzeinbußen zu rechnen. Vorstandschef Nikolai Setzer gab sich hinsichtlich der Herausforderungen im laufenden Jahr aber dennoch zuversichtlich und meinte: "Wir können Veränderung."
Laut Analystenschätzungen (Quelle: FactSet Research) soll sich in diesem und im kommenden Geschäftsjahr der Gewinn pro Aktie gegenüber dem Vorjahr um 40 bzw. 33 Prozent verbessern. Dass diese Schätzungen derzeit mit einem besonders hohen Maß an Unsicherheit behaftet sind, dürfte jedem klar sein. Bei den Analysten-Ratings fällt die Einschätzung um einiges vorsichtiger aus, schließlich gibt es derzeit lediglich sechs Empfehlungen zum Kauf der Aktie ("Buy"). Neunmal wird zum Halten der Aktie ("Hold") geraten. Tendenziell negativ gestimmt sind insgesamt fünf Analysten. Einmal wird zum Untergewichten ("Underweight") und immerhin viermal zum Verkauf der Aktie ("Sell") geraten.
Rebound nach rasanter Talfahrt
Aus charttechnischer Sicht geriet die Continental-Aktie in diesem Jahr deutlich "stärker unter die Räder" als der DAX, was sich an einer Underperformance in Höhe von über 14 Prozentpunkten gegenüber dem Leitindex sehr gut ablesen lässt. Ohne Gegenwehr wurden gleich mehrere Unterstützungszonen verletzt. Gegenwärtig dominieren eindeutig die negativen Aspekte das Marktsentiment. Ein Test des vor zwei Jahren markierten Corona-Tiefs im Bereich von 48 Euro kann angesichts der aktuellen Verunsicherung nicht ausgeschlossen werden. Die langfristige 200-Tage-Linie drehte bereits im Spätsommer vergangenen Jahres nach unten und generierte dadurch ein starkes Trendwechselsignal zum Ausstieg. Mittlerweile tendiert der Trendfolgeindikator eindeutig bergab, was in der Chartlehre als eindeutig negativer Begleitumstand angesehen wird. Auf keinen Fall darf die "letzte Unterstützung" bei 48 Euro unterschritten werden. Dies könnte nämlich erheblichen chartinduzierten Verkaufsdruck generieren.
Der Blick auf wichtige Timingindikatoren sieht ebenfalls ausgesprochen trostlos aus. Auf der Website Tradingview steht bei der Continental-Aktie das Pendel aktuell auf "Verkaufen". Von insgesamt 26 erfassten Indikatoren legen 14 das "Verkaufen", sieben das "Halten" und lediglich fünf das "Kaufen" des DAX-Werts nahe.