Zwar versuchen die Notenbanken, mit massiven Dollar-Spritzen gegenzusteuern. Doch Experten zufolge kann das eine Schuldenkrise in manchen Ländern wohl nicht mehr abwenden.
"In den letzten Wochen sind Investoren in Scharen aus Staats- und Unternehmensanleihen der Schwellenländer geflüchtet", fasst Fondsmanagerin Claudia Calich vom Vermögensverwalter M&G Investments zusammen. Seit Ende Januar haben ausländische Anleger umgerechnet knapp 85 Milliarden Euro abgezogen. Währungen wie der brasilianische Real, der chilenische Peso oder der südafrikanische Rand rauschten auf Mehr-Jahres-Tiefs.
Die gesamte Weltwirtschaft befindet sich nach Aussagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) in einem nie dagewesenen Ausnahmezustand, der sogar die Dimensionen der Verwerfungen durch die Finanzkrise von 2007/2008 sprengt. Rund 90 Länder haben sich mit Hilfsgesuchen bereits an den IWF gewandt. "Sollte sich die Krise weiter hinziehen, dürften weitere folgen und den IWF an seine finanziellen Grenzen bringen", warnen die Devisenexperten der Commerzbank.
Denn um die Pandemie-Krise zu überstehen, benötigen Entwicklungsländer nach Schätzungen der Vereinten Nationen allein in diesem Jahr Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 2,5 Billionen Dollar. Davon seien eine Billion als Soforthilfen und eine weitere Billion in Form von Schuldenerlassen notwendig. Der Rest werde für die durch den Virus belasteten Gesundheitssysteme gebraucht.
FED LINDERT DOLLAR-MANGEL - SCHULDENFALLE
Durch die Risikoscheu der Anleger drohen einige Länder in die Schuldenkrise zu stürzen. Wegen der Virus-Krise stecken Investoren ihr Geld lieber in "sichere Häfen" wie den Dollar als in Schwellenländer-Währungen. Um den dadurch ausgelösten Engpass bei der Versorgung mit der Weltleitwährung zu lindern, gestattet die US-Notenbank Fed mehreren ausländischen Zentralbanken, Schatzpapiere gegen Dollar-Übernachtkredite einzutauschen.
Daneben verschafft sie mit der Erweiterung sogenannter Swap-Kreditlinien für Zentralbanken aus Brasilien, Mexiko, Singapur und Südkorea diesen Ländern Zugang zu Dollar-Bargeld. Damit können die Staaten ihre Währungen stützen, ohne US-Staatsanleihen zu verkaufen - oft der liquideste Teil ihrer Devisenreserven. "Die Zentralbanken, die in dieser Hinsicht am meisten profitieren können, sind natürlich diejenigen, die bereits über große Devisenreserven und US-Schatzpapierbestände verfügen", sagt JPMorgan-Stratege Jahangir Aziz. Dazu gehörten China, Indien, Brasilien, Korea oder Taiwan.
ARGENTINIEN AM WIRTSCHAFTLICHEN ABGRUND
Ohne eine spürbare Verbesserung der Investitions- und Handelsströme bleiben die Aussichten für die angeschlagenen Schwellenländer-Währungen aber insgesamt schlecht, sagt Commerzbank-Analystin Antje Praefcke. "Es könnte die Belastung vielleicht etwas verringern, aber im Allgemeinen wurden wir bereits wieder daran erinnert, wie hoch das Stressniveau in den Schwellenmärkten ist."
So steht Argentinien finanziell bereits mit dem Rücken zur Wand. Seit Monaten laufen schwierige Verhandlungen für die geplante Umstrukturierung seiner Auslandsschulden in Höhe von fast 70 Milliarden Dollar. Die Corona-Krise verdüstert die trüben Konjunkturaussichten vollends. Die Regierung hat deswegen in 2020 fällige Zins- und Tilgungszahlungen auf Schulden in Höhe bis zu zehn Milliarden Dollar aufs Jahresende verschoben. "Argentinien war schon angeschlagen, bevor wir von dem Coronavirus gehört hatten, andere werden zu der Liste hinzukommen", sagt Christopher Smart, Chefstratege und Leiter des Anlageberaters Barings Investment Institute.
rtr