An diesem Mittwoch war es also soweit. Erstmals stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO die Verbreitung des neuen Coronavirus als Pandemie ein. Gleichzeitig kritisierte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus das fehlendes Handeln durch die Staaten weltweit. Zum Verständnis: Es gibt zwar keine offiziellen Kriterien der WHO, ab wann eine sich ausbreitende Krankheit als Pandemie einzuordnen ist. Landläufig wird darunter aber eine Krankheit verstanden, die sich unkontrolliert über Kontinente hinweg ausbreitet.

Wie die Nachrichtenagentur dpa-AFX berichtete, hat sich das Virus nach Angaben der WHO inzwischen in 115 Länder ausgebreitet, fast 4.300 Menschen sind gestorben. "Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Tagen und Wochen die Zahlen weiter ansteigen werden", sagte Tedros. In den letzten beiden Wochen hätten sich die Fallzahlen außerhalb Chinas verdreizehnfacht, die Zahl der betroffenen Staaten verdreifacht. "

Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass die Aktienkurse weltweit zuletzt rasant abgesackt sind. Das Geschehen hat sich dabei so schnell wie noch nie von einem Bullenmarkt in einen Bärenmarkt verwandelt. Der Euro STOXX 50 Index hat inzwischen jedenfalls mehr als 20 Prozent gegenüber seinen jüngsten Hochs verloren und ab dieser Verlustmarkte spricht man laut Definition von einem Bärenmarkt.

Darin befindet sich übrigens inzwischen auch der Dow Jones Industrial Average. Das heißt, auch die Wall Street, die bisher stets als Kurslokomotive in dem im März 2009 aufgenommenen Bullenmarkt fungierte, hat derzeit eindeutig an Zugkraft verloren.

Wie groß momentan die Verunsicherung am Markt ist, zeigt auch ein Blick auf den Volatilitäts-Index VIX. Denn dieser auch als "Angstbarometer" bekannte Index stieg zur Wochenmitte zwischenzeitlich auf über 60 Punkte. Das entspricht einem Niveau an Nervosität unter den Marktteilnehmern, das zuletzt Ende 2008 zum Höhepunkt der damaligen Wirtschafts- und Finanzkrise zu registrieren war.

Diesem marktbeherrschenden Thema widmen sich natürlich auch die Analysten bei der UBS. In einer aktuellen Publikation bezeichnen die Experten der Schweizer Großbank die jüngste Korrektur mit Blick auf Europa als eine der Größten in den vergangenen 30 Jahren außerhalb eines dauerhaften Bärenmarktes. Wobei der Kursrückgang in der Hälfte der früher sonst üblichen Zeit stattgefunden habe.

BÖRSE ONLINE berichtet, zu welchen Schlüssen zu Analysten mit Blick auf die europäischen Börsen kommen und was der gefallene Ölpreis basierend auf historischen Erfahrungen für die Performance auf Länder, Branchen und Unternehmensebene bedeuten könnte.

Bewertung nun unter dem langfristigen Durchschnitt



Aus der Sicht der UBS liegt angesichts des Coronavirus-bedingt schwächeren volkswirtschaftlichen Umfeldes und dem starken Ölpreisrückgang nunmehr ein Abwärtsrisiko bei den Gewinnschätzungen des Analystenkonsens besteht. Dieser gebe bisher im Schnitt für 2020 trotz zuletzt bereits etwas nach unten angepasster Prognosen noch von einem Gewinnanstieg von 7,4 Prozent bei den STOXX 600 Europe Index-Vertretern aus.

Die UBS liegt mit ihrer Erwartungshaltung deutlich unter dieser allgemeinen Vorgabe. An diesem Mittwoch ist man in dieser Hinsicht sogar noch vorsichtiger geworden. Denn man hat die Ergebnisschätzung für das laufende Jahr von minus drei Prozent auf minus neun Prozent gesenkt. Wobei es bei den Prognosen für 2021 sogar zu einer kleinen Anpassung nach oben auf plus fünf Prozent von zuvor plus vier Prozent kam.

Vor diesem Hintergrund rechnet man damit, dass die Konsensschätzungen ebenfalls nach unten angepasst werden müssen. Mit Korrekturen bei den Vorhersagen sei dabei mit Blick auf die Branchen auf breiter Front zu rechnen. Bislang sei es jedenfalls so gewesen, dass der Analystenkonsens für 2020 nur bei zwei Sektoren mit einer negativen Ergebnisentwicklung gerechnet habe.

Die besondere Krux dabei: Durch den jüngsten Rückgang des Ölpreises ist für den Gesamtmarkt ein neues größeres Problem entstanden. Denn wie die UBS erklärt, habe der Analystenkonsens bisher vor allem darauf gesetzt, dass der Energiesektor in diesem Jahr den größten Beitrag zum Gewinnwachstum beisteuert und mehr als ein Sechstel des gesamten Ertragswachstums generiert. Diese Erwartungshaltung ist auf dem aktuellen Ölpreisniveau natürlich Makulatur.

Doch wie die UBS-Analysten weiter ausführen, gibt es aus der Sicht des Gesamtmarktes auch eine gute Nachricht. Diese besteht darin, dass zuletzt die Gewinnschätzungen weniger gesunken seien als die Kurse. Das spreche dafür, dass die drohenden Kürzungen bei den Ergebnissen bereits zu einem gewissen Niveau in den Notierungen eskomptiert sein könnten.

Auf Basis der Konsens-Gewinnschätzungen auf Sicht der kommenden zwölf Monate ergibt sich für den STOXX 600 Europe Index derzeit ein KGV von 12,5. Damit bewegten wir uns unter dem langfristigen Durchschnitt von 14,5, so die UBS. Um sich wieder auf das Durchschnittsniveau einzupendeln, könnten die Konsens-Gewinnerwartungen somit um 13 Prozent fallen.

Zu beachten sei dabei allerdings folgendes: Laut UBS gibt es einige Sektoren wie etwa die Banken, Energie und Autos, die sich mit strukturellen Herausforderungen konfrontiert sehen. Ändere sich daran nichts, sei durchaus denkbar, dass in diesen Bereich auch die vom Markt zugebilligten Durchschnitts-KGVs dauerhaft niedriger ausfallen werden als noch in der Vergangenheit.

Beim STOXX Europe 600 sind die Kurse zuletzt stärker gesunken als die Gewinne

Wie sich die geschätzten Gewinne auf Sicht von 12 Monaten verändern müssten um zum Durchschnitts-KGV seit 1995 zurückzukehren



Was die Stimmung am Markt angeht, heißt es außerdem noch, dass sich die Geschwindigkeit und die Dimension des jüngsten Kursrückgangs bereits sehr spürbar bemerkbar gemacht hätten. So sei etwa der RSI des STOXX Europe 600 Index inzwischen auf dem niedrigsten Stand seit der Schuldenkrise der Eurozone vor fast 9 Jahren angekommen. Der Index werde zudem um fast zwei Standardabweichungen unter dem Durchschnitt des gleitenden 200-Tage-Durchschnitts gehandelt. Auch das Das Put-Call-Verhältnis sei auf dem Weg in einen Extrembereich.

Bewertung nun unter dem langfristigen Durchschnitt



Die wie erwähnten von der UBS gesenkten Gewinnerwartungen führen dazu, dass die Analysten bei der Schweizer Großbank ihre Jahresendprognose im Basisszenario für den STOXX Europe 600 Index von bisher 380 Punkten auf 370 Zähler gesenkt haben. Selbst das würde aber gemessen am aktuellen Indexstand zur Wochenmitte von 333,17 Punkten für Erholungspotenzial sprechen. Als fair unterstellt man dabei ein KGV von 15, was sich in etwas mit dem historischen Durchschnitt von 14,5 decken würde.

Laufe es besser als derzeit gedacht, dann könnten die Unternehmensgewinne in Europa in diesem Jahr um fünf Prozent steigen und im kommenden Jahr um acht Prozent. Beim STOXX Europe 600 Index sei dann bis Ende 2020 bei einem als fair unterstellten KGV von 16 ein Stand von 460 Punkten drin. Laufe es dagegen schlecht und die Pandemie entfalte alle der mit ihr verbundenen Abwärtskräfte, dann müsse zum Jahresende auch ein Indexniveau von nur 280 Punkten (unterstelltes KGV von 13,5) einkalkuliert werden. Denn die Gewinne drohten dann in 2020 sogar um 19 Prozent abzusacken und auch für 2021 sei dann mit einem kleinen Ergebnisminus von einem Prozent zu rechnen.

Zu den am Markt derzeit vermutlich volkswirtschaftlichen Annahmen heißt es ergänzend noch, im Konsens lasse sich gemessen an der jüngsten Kursentwicklung unterstellen, dass Volkswirte nur noch von einem globalen Wirtschaftswachstum von zwei Prozent in diesem Jahr ausgingen. Das decke sich auch mit der entsprechenden UBS-Prognose.

Zum Vergleich: Der langfristige Durchschnitt bewegt sich beim weltweiten Wirtschaftswachstum bei 3,5 Prozent. Vor dem Ausbruch des Coronavirus habe man für 2020 mit einem Wirtschaftswachstum von global vier Prozent gerechnet und vor den gescheiterten OPEC-Verhandlungen seien es noch plus 2,8 Prozent gewesen.

Der doppelte Schock vom Coronavirus und dem Ölpreis habe den stärksten achtwöchigen Rückgang bei den Wachstumserwartungen seit der Finanzkrise 2008 bewirkt. Und solange die Zahl der Neuinfizierten weiter steigt, sei nicht auszuschließen, dass es mit der Wachstumsprognose sogar noch weiter nach unten geht.
Die Index-Prognose-Szenarien der UBS bis Ende 2020



Vorsprung der Dividendenrenditen gegenüber US-Staatsanleihen ungewöhnlich hoch


Die UBS-Analysten haben aber auch noch einen Punkt parat, der sich noch als Kursstütze für Aktien erweisen könnte. Gemeint ist damit die Tatsache, dass die Differenz zwischen der Dividendenrendite europäischer Aktien un der Rendite von zehnjährigen US-Staatsanleihen nun sogar etwas höher ausfällt als zum Höhepunkt der Schuldenkrise in der Eurozone und der globalen Finanzkrise. Auch sich das derzeit für Aktien noch nicht als förderlich erweist, weil derzeit die Sorge vor einer Konjunkturabschwächung überwiegt, so könnte diese Einflussfaktor irgendwann doch auch wieder mehr Gewicht bei den Anlageentscheidungen der Investoren bekommen und Kapital in Aktien locken.

Die Differenz zwischen der geschätzten 12-Monats-Dividendenrendite in Europa und der Rendite zehnjährige US-Staatsanleihen in Basispunkten



Korrelation der europäischen Aktienkurse mit dem Ölpreis


Turbulenzen gab es in den vergangenen Tagen bekanntlich auch am Ölmarkt. Der Ölpreis ist am Montag in den ersten Handelsstunden so stark gefallen wie seit 1991 während dem ersten Golfkrieg nicht mehr. Der Preis für ein Fass der Sorte WTI fiel um über 30 Prozent und kostete zweitweise weniger als 28 Dollar - ein Preisniveau, das letztmals Anfang 2016 erreicht wurde, wie die St. Galler Kantonalbank zu dem Geschehen in diesem Segment schreibt.

Wie es in einer schriftlichen Einschätzung weiter heißt, ist das zweitägige Treffen der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) sowie weiterer Erdölnationen vom 5. und 6. März zunächst planmäßig verlaufen. Es endete letztlich jedoch ohne Einigung und hat damit viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt. Die erwartete Förderkürzung um weitere 1.5 Millionen Fass pro Tag (rund 1,5 Prozent der weltweiten Erdölförderung) fand keinen Konsens. Stunden später senkte Saudi-Arabien seine offiziellen Preise so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr. Im Umfeld einer durch die Ausbreitung des Coronavirus schwächeren Ölnachfrage droht damit ein erneuter Preiskampf um Marktanteile. Letztmals führte der Kampf um Marktanteile 2014 zu einem Preissturz, so die St. Galler Kantonalbank.

Ob damit in diesem Fall per Saldo mehr positive Effekte, (Energiekosten der Verbraucher sinken) oder mehr negative Effekte (Konjunkturbremse in den Förderländern) verbunden sind, lässt sich derzeit noch nicht abschließend beantworten.

Unabhängig davon zeigen aber UBS-Daten, wie sich Länder und Branchen in Europa früher in Zeiten von fallenden Ölpreisen geschlagen haben. So zeigt die nächste Grafik die Korrelation der europäischen Sektoren mit dem Ölpreis. Demnach zeigten wenig überraschend die Sektoren Energie und Materialien den größten positiven Gleichlauf mi dem Ölpreis - will heißen, bei einem steigenden Ölpreis stiegen die Kurse der Vertreter dieser beiden Branchen. Am geringsten war die Korrelation dagegen bei den Branchen Nahrung/Getränke/Tabak sowie Gesundheit.

Korrelation der europäischen Sektoren mit dem Ölpreis (seit 1995)





Aufschlussreich ist auch die Übersicht zur Performance der europäischen Sektoren in den Jahren 2014 bis 2016, als der Ölpreis gefallen ist.

und wie sie sich beim aktuellen Rückschlag verglichen mit der Korrelation und im Verhältnis zur Performance beim Ölpreisrückgang in den Jahren 2014-2016 verhalten haben. Die nächste Grafik zeigt das damalige Kursverhalten. Demnach ging es damals im Soge des fallenden Ölpreises für Energie-Aktien und noch mehr mit Minen-Konzern steil nach unten. Aktien aus dem Sektor Gesundheit konnten dagegen im Schnitt am stärksten zulegen. Laut Vergangenheitserfahrung habe auch allgemein der Einzelhandelsbereich letztlich ganz gute Chancen, von niedrigen Ölpreisen zu profitieren. Im aktuellen Umfeld dürfte dieser Einflussfaktor aber erst dann positiv wirken, sobald die bremsenden Folgen des Coronavirus nachlassen, so das Urteil.

Performance europäischer Sektoren während der fallenden Ölpreis-Phase in 2014 bis 2016



Auf der Ebene der europäischen Länder war es so, dass seit 1995 Norwegen, Frankreich und Italien die höchste positive Korrelation zum Ölpreis aufgewiesen haben. Am negativsten korreliert war dagegen die Schweiz und damit jener Markt, der als am defensivsten gilt. Diese Ergebnisse machen auch so gesehen Sinn, als in Norwegen, Italien und Frankreich der Anteil der Unternehmensgewinne, die aus dem Ölsektor stammt, über dem europäischen Durchschnitt liegt und in der Schweiz darunter.

Korrelation europäischer Länder mit dem Ölpreis seit 1995



Bei den Unternehmen zeigten unter den STOXX Europe 600 Index-Mitgliedern laut UBS in den vergangenen Jahren die Ölkonzerne Equinor (Korrelation von 0,58), Royal Dutch Shell (0,54), Total (0,52), Technip-FMC (0,51) und Tenaris (0,50) die positivste Korrelation zum Ölpreis. Am geringsten war die Korrelation dagegen bei Ryanair (0,05), LEG Immobilien (0,04), Convatec (0,04), Grandcity Properties (0,04) und Aroundtown (0,03).

In der Ölpreisschwäche der Jahre 2014 bis 2016 schnitten auf Unternehmensebene in Sachen Performance zudem Genmab (70,1%), Ströer (58,6%), Greggs (57,5%), MAN Group (54,1%) und Orange Belgium (44,1%) am besten ab. Eine besonders schlechte Wertentwicklung zeigten dagegen Lastminute.com (-57,9%), Raiffeisen Bank (-58,4%), Premier Oil (-60,2%), Saipem (-63,8%) und Africa Oil (-65,3%)