Die Coronavirus-Pandemie trifft auf eine Weltgemeinschaft ohne historische Immunität. Der Kampf gegen die schweren gesundheitlichen und ökonomischen Folgen verläuft an mehreren Fronten. Flächendeckend angewendete diagnostische Schnelltests sollen zum einen infizierte Personen identifizieren. Zum anderen geht es darum, den Verlauf und die Verbreitung des Virus besser zu verstehen und Informationen auszuwerten, welcher Anteil der Bevölkerung eine erste Immunität aufgebaut hat. Dieser Schritt ist enorm wichtig, denn nur mit einer besseren Eingrenzung möglicher Infektionsherde und einer effizienteren klinischen Versorgung lässt sich die wahrscheinliche zweite Infektionswelle in den Griff bekommen, ohne wieder auf Social Distancing oder Lockdowns zurückgreifen zu müssen und die damit verbundenen massiven ökonomischen Verwerfungen möglichst zu vermeiden.
Medikamente und Impfstoffe - die Protagonisten
Gleichzeitig werden erste bestehende Medikamente für die Akutbehandlung klinisch getestet und auch die Entwicklung von prophylaktischen Impfstoffen läuft bereits auf Hochtouren. Bei den antiviralen Therapien interessieren die mit Spannung erwarteten Daten zu Remdesivir, einem Medikament von Gilead Sciences, die in den nächsten Monaten publiziert werden. Dabei geht es nicht um eine komplette Heilung, sondern um die Reduktion der Virenlast und den damit einhergehenden milderen Krankheitsverlauf. Die Ergebnisse von zwei grösseren Studien aus China werden in diesen Tagen erwartet. Im April, spätestens im Mai sollen die klinischen Resultate von kontrollierten Studien aus den USA folgen.
Den Ansatz einer passiven Immunisierung, das heisst die Verabreichung von rekombinant produzierten Antikörpern zur Neutralisierung des Virus, verfolgen Unternehmen wie Regeneron Pharma und Vir Therapeutics. Diese Projekte befinden sich noch in präklinischen Versuchen und mit ersten Tests kann allenfalls im Sommer begonnen werden.
Ein langfristiger Schutz vor einer Infektion mit Covid-19 kann nur mit einer aktiven Immunisierung erreicht werden. Die Pharmakonzerne Johnson & Johnson, GlaxoSmithKline und Sanofi arbeiten an herkömmlichen rekombinanten Vakzinen. Diese klassischen Verfahren sind komplexer und langsamer. Eine Zulassung ist deshalb frühestens in 12 bis 18 Monaten zu erwarten. Einen anderen Ansatz verfolgt Moderna mit seinem mRNA-basierten Impfstoff. Dieser zielt darauf ab, gesunden Menschen mRNA zu injizieren, die ausgewählte virale Proteine produziert und damit eine Immunantwort auf diese Virenproteine erzielt. Somit entsteht ein längerfristiger Schutz vor einer möglichen Ansteckung oder die Infektion verläuft deutlich milder. Vakzine auf der Basis von mRNA-Technologien haben auch andere Biotechfirmen wie CureVac, BionTech und Translation Bio aufgegriffen, sind aber bis anhin in der präklinischen Entwicklung. Moderna ist am weitesten fortgeschritten. Die Firma hat im März mit klinischen Tests an gesunden Probanden begonnen und wird beobachten, ob diese Antikörper gegen das Coronavirus bilden. Im Erfolgsfall kann im Sommer eine breiter angelegte Wirksamkeitsstudie mit dem allenfalls zweimal verabreichten Impfstoff folgen. Um die Zeitachse zu verkürzen, muss wohl die US-Zulassungsbehörde FDA auf gewisse regulatorische Kriterien verzichten, wie etwa den Infektionsverlauf bei Geimpften mit Ungeimpften zu vergleichen. Im Idealfall liegen die weiteren Studienergebnisse im 4. Quartal dieses Jahres vor und bilden dann die Basis für eine schnelle Zulassung. Risikogruppen könnten somit bei einer eventuellen zweiten Infektionswelle zeitnah geimpft werden. Ein solcher Schritt ist zudem nur möglich, weil Moderna frühzeitig in Herstellungskapazitäten investiert hat. Die Firma wäre deshalb auf Sicht der nächsten 6 bis 12 Monate in der Lage, 100 Millionen Dosen für 50 Millionen Personen zu liefern.
BB Biotech ist bereits seit 2018 in Moderna investiert und vom Erfolg der mRNA-Technologieplattform dieser Firma überzeugt. Die Vielzahl der laufenden Projekte gegen Covid-19 ist dagegen noch kein Anlass für BB Biotech, auch in andere Firmen zu investieren und damit auf kurzfristige Markttrends aufzuspringen. Die Experten von BB Biotech sind der Meinung, dass zwar mögliche wichtige Lösungen in der Entwicklung sind, aber davon ausgegangen werden muss, dass viele Firmen mit spezifischen Produkten gegen Covid-19 kaum nachhaltige Geschäftsmodelle betreiben können. Vielmehr stellt es eine Chance für die Medikamentenentwickler dar, die öffentliche Meinung gegenüber dem Sektor positiv zu beeinflussen und die Produkte aufgrund des politischen und gesellschaftlichen Drucks mehr oder weniger zu Herstellungskosten verkaufen. Ziel muss es sein, dass die biopharmazeutische Industrie wieder verstärkt als Akteur wahrgenommen wird, der wertvolle Lösungen für medizinische Herausforderungen anbieten kann.
BB Biotech setzt auf künftige Schlüsseltechnologien
Der Fokus der Investmentgesellschaft liegt wie schon zuvor auf jungen Technologien, die in Zukunft die Medikamentenentwicklung prägen werden. Trotzdem wird der Coronaeffekt in der Healthcarebranche sowohl regulatorische Abläufe wie auch das operative Geschäft der Firmen selbst beeinflussen. In klinischen Studien liegt der Fokus auf dem Erhalt der Qualität und dem Verlauf der laufenden Testreihen. Dagegen zeichnen sich Verzögerungen für bevorstehende Studien wie auch für die Patientenrekrutierungen ab. Auch die Zulassungsbehörden sind bei den laufenden Verfahren zeitlich davon betroffen, denn ihre Prioritäten liegen derzeit bei diagnostischen Tests und möglichen Behandlungsformen gegen Covid-19. Verlangsamt haben sich auch Abschlüsse von Lizenzabkommen und von Übernahmedeals. BB Biotech geht aber davon aus, dass sich diese Aktivitäten beschleunigen werden, sobald die Marktvolatilität wieder abnimmt. Ein weiterer Effekt der Coronakrise ist, dass mögliche Reformen der Gesundheitsversorgung im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfs in den Hintergrund gerückt sind.