Am Morgen des 5. September 1433 schien für den 43-jährigen Cosimo de’ Medici das Ende seiner Karriere gekommen. Der bescheiden auftretende Banker mit der markant gebogenen Nase war in Florenz mit dem Hohen Rat der Stadt verabredet, der Signoria. Er stieg die Treppen des imposanten Regierungspalasts hinauf und wurde, noch ehe er die Tür erreicht hatte, von bewaffneten Wächtern verhaftet.
Cosimo, der populäre Aufsteiger unter den Florentiner Bankern, der vor allem auf die Unterstützung der Handwerker und Händler in der Stadt zählen konnte, war Opfer eines Komplotts geworden - angezettelt von der rivalisierenden Familie der Albizzi, deren Chef Rinaldo degli Albizzi als arroganter und unbesonnener Wortführer des konservativen Clans galt und der die Ratsherren der Signoria bestochen hatte. Im Florenz des 15. Jahrhunderts, wo Bestechung, Intrigen, Erpressung und sogar blutige Exzesse zum üblichen Geschäftsgebaren gehörten, war das ein fast normaler Vorgang.
Cosimo de’ Medici wurde in einer winzigen Zelle im Glockenturm des Palasts eingekerkert und später samt seiner Familie für zehn Jahre in die Verbannung nach Padua und Venedig geschickt. Die Absicht der Putschisten war klar: Cosimo de’ Medici sollte in den Ruin getrieben werden, und die lange Dauer der Verbannung sollte das Netzwerk der Medici dauerhaft zerreißen. Aber Cosimo, der clevere Stratege, hatte längst einen Großteil seines Vermögens nach Venedig transferiert.
In der Zwischenzeit wartete er in seinem Exil geduldig ab und pflegte sein Netzwerk. Nachdem der herrschende Albizzi- Clan die Stadt in eine blutige und letztlich verlorene Schlacht gegen das Herzogtum Mailand geführt hatte, hob die Signoria die Verbannung auf, und Cosimo kehrte 1434 im Triumph nach Florenz zurück. Hauptgrund für den Stimmungsumschwung in der Führungsschicht dürfte die Tatsache gewesen sein, dass Florenz nach dem ruinösen Krieg vor dem finanziellen Ruin stand. Nicht zuletzt, weil die Medici-Bank nicht mehr wie in der Vergangenheit als privater Geldgeber der Stadt zur Verfügung stand. Nach Cosimos Rückkehr aus dem Exil war es daher eine der wichtigsten Aufgaben, die Staatsausgaben zu sanieren.
Macht, Einfluss und Glaube
Cosimo de’ Medici, jetzt ganz Machtmensch, verbannte 73 seiner Konkurrenten, die ihn einst aus Florenz verjagt hatten, und besetzte alle wichtigen Ämter mit seinen Vertrauten. Der Sohn eines wohlhabenden, aber keineswegs reichen Bankiers wurde nach seiner Rückkehr damit faktisch der Lenker des florentinischen Staates und blieb es bis zu seinem Tod. Er agierte stets aus dem Hintergrund, respektierte die Institutionen der Verfassung und strebte für sich kein Amt am.
Er vermied außerdem jedes prunkvolle Auftreten und achtete darauf, die Bürger der Stadt nicht zu provozieren. Cosimo demonstrierte Volksnähe, arbeitete auf seinen Gütern mit, pfropfte Bäume, beschnitt Weinstöcke und besuchte die Märkte in der Stadt. Schon seine Zeitgenossen bezeichneten ihn als "undurchschaubare Sphinx".
Unterdessen verstand er es meisterhaft, seinen Reichtum in politischen Einfluss umzuwandeln, indem er ein enges Beziehungsnetz spannte und ein System perfektionierte, das dem der Mafia nicht unähnlich ist: Er verschaffte seinen Anhängern Ämter und Pfründe, half mit Krediten und scheute auch vor Bestechungen nicht zurück. Aus seinen schier unerschöpflichen finanziellen Reserven bezahlte er Steuerschulden, machte Patengeschenke, spendete Startkapital für Geschäftsgründungen, finanzierte Söldnerführer und trat als großzügiger Mäzen auf.
So baute er sein Unternehmen zu einem Bank- und Handelshaus aus, das bis an die Grenzen der damals bekannten Welt reichte, von Island bis nach Afrika und China. Und er legte den Grundstein für eine Dynastie, aus der später Adlige, Päpste und Königinnen hervorgehen sollten und die Florenz zum Zentrum der Renaissance machte. So wurde er einer der reichsten Männer der Geschichte: Er kontrollierte die damalige Weltwährung Florin, vergleichbar mit dem Dollar heute, zu jener Zeit die stabilste und weitestverbreitete Währung in Europa. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts wurde in Florenz der goldene Florin geprägt. Mit rund 600 000 Florin besaß Cosimo rund 30 Prozent der rund zwei Millionen Florin, die damals im Umlauf waren. 30 Prozent der heute rund 1,5 Billionen im Umlauf befindlicher Dollar entsprächen 450 Milliarden Dollar.
Einer der Gründe für Cosimos Erfolg war auch seine Allianz mit dem Vatikan. Die katholische Kirche verfügte zwar über gewaltige Einkünfte aus der gesamten katholischen Welt, hatte aber wegen kostspieliger militärischer Feldzüge immer wieder große Geldprobleme. Die Kirche verbot damals Wucher: Wer Geld verlieh, durfte dafür keine Zinsen kassieren. Aber es gab Schlupflöcher, nämlich die Auslandsniederlassungen der Banken.
"Die Bezinsung von Krediten lässt sich durch die Ausstellung von Wechseln kaschieren, die an einem anderen Ort und in einer anderen Währung fällig sind", schrieb die "Zeit". "Für den Ausgleich eines etwaigen Wechselkursverlustes berechnet die Bank dem Kunden eine Risikogebühr. So macht sie Gewinn, und die Kirche ist zufrieden." Die Medici wurden zum offiziellen Bankhaus des Papstes.
Während damals einige Bankhäuser bankrottgingen, weil sie als Ganzes für die Schulden jeder einzelnen Filiale hafteten, ging Cosimo einen anderen Weg. Auch er gründete Filialen, etwa in Pisa, Mailand, Basel, Genf, London, Lyon und Antwerpen, aber jede Niederlassung agierte als juristisch eigenständige Firma. 40 Prozent der Anteile gehörten dem Filialleiter, der Rest den Medici. Zudem haftete weder die Familie noch die Zentrale in Florenz, sondern eine eigens gegründete Holdinggesellschaft. 1458 hielt Cosimo Mehrheitsbeteiligungen an 13 Unternehmen, die alle seinen und den Namen eines Partners trugen. Cosimo übertrug das Tagesgeschäft weitgehend diesen Managern. Er selbst kümmerte sich in seinem Firmensitz in der Via Larga in Florenz um die strategischen Entscheidungen.
In den 50er-Jahren des 15. Jahrhunderts verbuchte Cosimo einen Jahresumsatz, der höher lag als der mancher europäischer Staaten. "Sein Verhältnis zu Mitmenschen, Institutionen, selbst zu Gott war merkantil geprägt. Sein Handeln folgte dem lateinischen Leitspruch ‚do ut des‘, was so viel bedeutet wie ‚Ich gebe, damit du gibst‘", schrieb die "Frankfurter Allgemeine". Gute Werke wie Schenkungen an die Kirche oder die Förderung der Künste hätten ihm als Rückversicherung gedient. "Sein Denken, für jede Leistung eine Gegenleistung zu erwarten, war so ausgeprägt, dass er in seinen Bilanzen eine Verrechnungsspalte mit Gott führte."