Signale für ein schwächeres Wirtschaftswachstum in China beunruhigen derzeit die Aktionäre des Unternehmens aus der zyklischen Chemiebranche. Zu Wochenbeginn wurde der Stand des staatlichen Index für Chinas Industrie veröffentlicht. Im Januar verlor der Wirtschaftsindikator 0,3 Punkte auf 49,4 Zähler und notiert damit unter der Schwelle von 50 Punkten, die Wachstum signalisiert.
Hält dieser Trend an, dürfte sich auch die globale Konjunktur abschwächen. Covestro ist auf die gegenwärtige Entwicklung vorbereitet. "Wir sind in Bezug auf China nicht so pessimistisch, wie es andere zu sein scheinen. Zwar wird der Zuwachs der Wirtschaftsleistung dort etwas geringer ausfallen, für ein solides Wachstum wird es jedoch ausreichend sein. Wegen China ist uns nicht bange", sagte Covestros Finanzvorstand Frank Lutz zu BÖRSE ONLINE.
Der Leverkusener Konzern mit rund zwölf Milliarden Euro Umsatz gehört zu den weltweit größten Herstellern von Polycarbonat-Kunststoff und Schaumstoffen aus Polyurethan. Die beiden größten Sparten spielen knapp zwei Drittel des für 2016 erwarteten operativen Gewinns von 1,6 Milliarden Euro ein. Aus Polyurethan werden zum Beispiel Dämmungen für Kühlschränke, aus Polycarbonat Türgriffe für Autos gefertigt. Zur Herstellung von Polycarbonat und Polyurethan, genau wie für Polyurethan-Beschichtungen und Kunstleder, die in Covestros dritter Sparte entwickelt werden, sind aus Erdöl hergestellte Derivate wie Benzol wichtige Rohstoffe. Für die Profitabilität des Chemiekonzerns ist die Entwicklung der Ölpreise deshalb entscheidend.
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Börse Online: Herr Lutz, wie wirkt sich der niedrige Ölpreis auf Covestros Margen aus?
Frank Lutz:
Bisher ist der zuletzt stark gesunkene Ölpreis für uns noch kein Indikator für eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung. Der Preis für Benzol ist seit Jahresbeginn sogar gestiegen. Mittelfristig werden ölbasierte Rohstoffe für uns selbstverständlich günstiger. Allerdings müssen wir diese Vorteile weitgehend an Kunden weitergeben. Erstaunlich ist, dass es für uns in Jahren mit höheren Ölpreisen besser läuft. Wir haben das über lange Zeiträume analysiert und festgestellt, dass auch unsere Klientel in diesen Jahren bessere Geschäfte macht. Eine höhere Nachfrage ist für uns deshalb besser als günstige Rohstoffe durch niedrige Ölpreise.Nach Einschätzung von Experten verdienen Unternehmen wie Covestro erst ab 85 Prozent Auslastung der Produktion gut. Wie nahe ist Covestro an dieser Marke?
Bei Polycarbonat-Kunststoffen liegt die Auslastungsquote, ab der nachhaltig verdient wird, bei uns zwischen 80 und 82 Prozent. Die haben wir erreicht. Bei Polyurethan-Schaumstoffen mit den Hauptprodukten MDI und TDI wird es noch etwas dauern.
Das Werk im spanischen Tarragona wird Ende 2017 geschlossen. Das sind zwölf Prozent der Produktion des Schaumstoffs MDI. Wie ändert sich die Gesamtauslastung?
Unsere Gesamtproduktion wird sich nicht verringern. Wir nehmen keine Kapazitäten aus dem Markt. In der ersten Hälfte des Jahres werden wir bekannt geben, an welchem Standort neue Anlagen für MDI-Schaumstoffe entstehen.
Obwohl in der Produktion von MDI die angestrebte Auslastung noch nicht erreicht ist?
Die Schließung in Tarragona ist ja für Ende 2017 vorgesehen. Der Grund dafür ist, dass dort ab 2018 die auf Quecksilber basierende Herstellung von Chlor nicht mehr zulässig ist. Darüber hinaus rechnen wir bis zum Ende des Jahrzehnts mit einer viel höheren Nachfrage. Dann erwarten wir, unsere Produk-tionsvolumen vollständig auszulasten.
Zuletzt lag Covestros Auslastung in der Produktion von MDI bei 75 Prozent. Analysten halten für 2016 einen Anstieg bis auf 85 Prozent für möglich. Liegen sie damit richtig?
Grundsätzlich sind 85 Prozent möglich. Ob uns das schon im laufenden Jahr gelingen kann, hängt davon ab, wie schnell die seit der globalen Finanzkrise bestehenden Überkapazitäten in der Branche durch die Nachfrage abgebaut werden.
Werden nach Tarragona noch weitere Standorte geschlossen?
Nein. In der Herstellung von TDI sind wir mit jeweils einer großen Produktionsstätte pro Region ideal aufgestellt. In Asien ist das Shanghai, in Amerika Baytown und in Europa Dormagen. Bei MDI haben wir nur für Europa zwei Standorte, hier am Niederrhein und einen weiteren als Ersatz für Tarragona.
Bei Polycarbonaten und Hochleistungskunststoffen existiert mit dem Oligopol eine schwer prognostizierbare Preisentwicklung. Wird sich das ändern, weil kleinere Firmen, die das Geschäft als ergiebige Quelle für Cashflows betreiben, gekauft werden?
Wegen wettbewerbsrechtlicher Aspekte können wir uns als einer der weltweit führenden Anbieter an einer Konsolidierung nicht beteiligen. Allerdings hat sich die Preisdisziplin verbessert. Kleine Firmen, die wegen der hohen Produktionskosten nicht mithalten können, werden den Markt verlassen.
Müssen Sie befürchten, das Polycarbonat-Hersteller wie Saudi Basic Industries Corporation (SABIC) Covestro bei Preisen und Margen nachhaltig unter Druck setzen?
Bei diesem Konkurrenten mit 25 bis 26 Prozent Marktanteil spüren wir das und müssen mit größeren Kunden dazu häufig Gespräche führen. Wir sind aber darauf vorbereitet.
Ist SABIC durch den jüngsten Preisabrutsch bei Öl jetzt im Vorteil?
Wenn es im Nahen Osten einen signifikanten Markt für Polycarbonat gäbe, hätten wir vermutlich einen schweren Stand. Die großen Märkte sind aber Asien, Amerika und Europa, wo wir vor Ort produzieren. Das sind entscheidende Wettbewerbsvorteile.