Das Tübinger Biotechunternehmen Curevac ist seit diesem Freitag an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Der Emissionserlös von mehr als 200 Millionen Dollar soll in die Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffs fließen. An dem Unternehmen ist seit Kurzem auch der Bund beteiligt, Mehrheitseigner ist SAP-Gründer Dietmar Hopp. Vorstandschef Franz-Werner Haas erläutert die Pläne zur Impfstoff-Entwicklung - und warum die Börse Frankfurt für Curevac keine Option war.
BÖRSE ONLINE: Sie gehen in den USA an die Börse, weil dort die großen Biotechinvestoren sitzen und mehr Geld zu holen ist als etwa in Frankfurt. Dennoch hatten es gerade deutsche Biotechfirmen dort nicht immer leicht, Investoren zu locken. Warum haben Sie trotzdem diesen Weg gewählt?
Franz-Werner Haas: Das Interesse der Investoren an Curevac und unserer Technologie hat in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich zugenommen. Wir haben in den letzten Monaten auch einiges erreicht, wozu nicht nur Kooperationen mit führenden Gesellschaften in der Antikörperentwicklung und der Ausbau unserer Produktionskapazitäten beigetragen haben, sondern vor allem auch die klinische Entwicklung eines Covid-19-Impfstoffkandidaten.
Die Börse Frankfurt gerät damit einmal mehr ins Hintertreffen. Erst im Juli ist mit Immatics ein anderes deutsches Life-Science-Unternehmen an die Nasdaq gegangen. Fehlt in Deutschland tatsächlich das Verständnis der Investoren für innovative und kapitalintensive Wachstumsfirmen?
Wir registrieren in den USA jedenfalls ein tieferes und breiteres Verständnis, dass die von uns verwendete mRNA-Technologie das Potenzial hat, schnell einen wirksamen und effizienten Impfstoff zu entwickeln. Diese Technologie kann damit auch die Lösung für die nächste Pandemie liefern und hat letztendlich das Potenzial, die Medizin von heute geradezu zu revolutionieren.
Sie haben im Juni mit der klinischen Erprobung eines Covid-19-Impfstoffkandidaten begonnen. Wann ist mit den Ergebnissen zu rechnen?
Wir gehen davon aus, dass wir im Herbst 2020 Ergebnisse aus der Studie kommunizieren werden.
Die Zulassung sollte nach bisheriger Planung bis Mitte 2021 erfolgen. Lässt sich das jetzt beschleunigen?
Wir planen weiterhin mit einer Zulassung in der ersten Hälfte des nächsten Jahres. Eine beschleunigte Zulassung schließen wir nicht aus, sie kann es aber nur in enger Abstimmung mit den Behörden geben.
Was unterscheidet Curevacs Impfstoffkandidaten von denen der Wettbewerber Moderna und Biontech, zum Beispiel in Bezug auf die Dosierung?
Alle Unternehmen verwenden die mRNA-Technologie als Grundlage - der Impfstoff enthält also nicht das Antigen selbst, sondern nur die genetische Bauanleitung in Form einer Boten-RNA. Wir arbeiten dabei mit vergleichsweise geringen Dosen. Das verringert die Gefahr von Nebenwirkungen und ermöglicht andererseits, mehr Impfmenge pro Produktzyklus herzustellen.
Welche Produktionskapazitäten streben Sie an?
In unserer bestehenden Anlage in Tübingen haben wir derzeit die Kapazität, Material für Millionen Impfstoffdosen herzustellen. Die konkrete Menge hängt natürlich von der finalen Impfdosis ab, die wir in der aktuellen klinischen Studie ermitteln. Wir beabsichtigen, diese Produktionseinheit zu klonen und damit die Kapazität bis zur ersten Hälfte des Jahres 2021 deutlich zu erhöhen.
Welche Jahreskapazität könnte die Dosenherstellung dann erreichen?
Das könnten zunächst dosisabhängig hunderte Millionen Dosen sein. Darüberhinaus wollen wir bis Mitte 2022 eine weitere industrielle Produktionseinheit - GMP IV - fertigstellen. Damit werden wir in der Lage sein, eine Milliarde oder mehr Dosen pro Jahr herzustellen.
Derzeit ist Dietmar Hopp Mehrheitsaktionär bei Curevac, der Bund hält knapp ein Viertel der Anteile. Wie sieht die Aktionärsstruktur nach dem Börsengang aus?
Die genaue Struktur wird sich erst nach dem Börsengang ergeben.
Gibt es im Zuge des Börsengangs eine Marktschutzklausel?
Es gibt für die aktuellen Investoren und Aktionäre eine Haltefrist von 180 Tagen.
Welche Auflagen zum Beispiel in Bezug auf die Beschäftigung, Standort oder Klimaschutzziele sind mit der staatlichen Beteiligung verbunden?
Bei dieser Beteiligung handelt es sich um ein normales unternehmerisches Engagement. Curevac ist dadurch in seiner operativen Freiheit keinerlei Einschränkungen unterworfen. Aber wir wollen unser Unternehmen ohnehin vor Ort in Tübingen weiterentwickeln, wo unsere Wissenschaft und unsere Produktion angesiedelt sind - im übrigen im Einklang mit dem Klimaschutz.