Wochenlang war diskutiert worden, ob der bisherige Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, nicht der bessere Kanzlerkandidat als der SPD-Chef wäre. Jetzt sagte Gabriel beim SPD-Unterbezirk Duisburg, er finde es ungerecht, dass Journalisten bei der SPD-Kanzlerkandidatenfrage immer nur ihn und Schulz erwähnten. "Die vergessen, dass wir noch einen Dritten im Bunde haben, Olaf Scholz." Und wenn eine Partei drei Aspiranten habe, "geht`s Dir noch besser als der CDU, die haben nur einen".
Nun herrscht in Berlin Rätselraten darüber, was Gabriel bezwecken wollte. War es aus einer Laune heraus? Wollte der Parteichef von etwas ablenken, auf etwas hindeuten? Möglicherweise habe es sich nach dem Fanjubel für Schulz einfach um das Signal nach dem Motto gehandelt "Es geht auch anders", vermutet ein Vertreter der Parteiführung. Aber eigentlich rechne niemand in der Führung mit drei Kandidaten. "Das wird zwischen Gabriel und Schulz ausgemacht", heißt es. Angeführt wird etwa, dass Scholz' Wirken doch eher regional auf Hamburg begrenzt sei.
Oder wollte Gabriel seine Urwahl-Idee befeuern? In den vergangenen Monaten hatte er sich mehrfach dafür ausgesprochen, im Falle mehrerer Bewerber die Mitglieder entscheiden zu lassen. Auf diese Idee ging Barley am Montag explizit ein: "Wenn wir mehrere Kandidierende haben, die sich da zur Wahl stellen, dann werden wir die Urwahl durchführen."
SCHOLZ HAT KANZLERKANDIDATUR NICHT AUSGESCHLOSSEN
Scholz wird schon seit längerem immer mal wieder als Kanzlerkandidat gehandelt. Dass der Parteichef ihn jedoch dafür offen ins Gespräch bringt, gilt als ungewöhnlich. Der 58-jährige Hamburger hielt sich am Montag zu Gabriels Äußerungen weiter bedeckt. Doch aus seinem Umfeld hieß es, der SPD-Politiker sei anders als es kolportiert wurde, keineswegs sauer über das Vorpreschen. Frühere Äußerungen lassen gar vermuten, dass Scholz trotz seiner immer wieder bekundeten Verbundenheit zu seinen Aufgaben in Hamburg, einer Kanzlerkandidatur nicht abgeneigt wäre. Auf eine Frage dazu sagte er im Juni im "Spiegel": "Es ist gut, dass die SPD eine Reihe von Personen hat, denen man das Kanzleramt zutraut." Allerdings führten Personalspekulationen nicht weiter und die SPD habe sich fest vorgenommen, zusammenzuhalten.
An Selbstbewusstsein hat es dem früheren SPD-Generalsekretär und Bundesarbeitsminister nie gemangelt. Die Zustimmungswerte in geben ihm Recht. Gegen Ende seines sechsten Jahres als Bürgermeister der Hansestadt sind im Schnitt 75 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit zufrieden oder sehr zufrieden, wie eine Umfrage der Universität Hamburg ergab, über die das "Hamburger Abendblatt" berichtete. Bei den SPD-Anhängern seien es sogar 89 Prozent, und selbst unter CDU-Wählern bewerten 69 Prozent der Befragten seine Arbeit positiv.
GABRIEL HATTE GERADE AUFWIND
Aber auch Gabriel selbst gab sich in den vergangenen Wochen selbstbewusst. Die erfolgreiche Abstimmung über das Freihandelsabkommen Ceta in seiner Partei hat ihn gestärkt. Anerkennung hat ihm auch eingebracht, wie er Außenminister Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten von Union und SPD für das Bundespräsidentenamt durchsetzte.
Sein Problem: In der K-Frage liegt Gabriel Umfragen zufolge deutlich hinter Schulz zurück. So plädieren etwa im ZDF-Politbarometer 51 Prozent aller Befragten für Schulz als SPD-Kanzlerkandidaten und nur 29 Prozent für Gabriel. Bei den SPD-Anhängern sprachen sich sogar 64 Prozent für Schulz aus, 27 Prozent für Gabriel. Schulz war bei der Europawahl 2014 als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten angetreten. In Deutschland holte er damals für die SPD das beste Ergebnis seit der Bundestagswahl 2005. Er gilt in der Partei als klarer Favorit für die Nachfolge Steinmeiers im Auswärtigen Amt.
So oder so will die SPD ihren Kanzlerkandidaten erst zur Vorstandsklausur Ende Januar benennen und sich nicht von der erneuten Kandidatur von Bundeskanzlerin Angela Merkel unter Zeitdruck setzen lassen.
Justizminister Heiko Maas warnte am Wochenende schon mal davor, sich bei der Auswahl des Kandidaten nach Umfragen zu richten. Keine Partei sei gut beraten, diese Frage allein den Demoskopen zu überlassen.