Der Stuttgarter Daimler-Konzern stellt sich in seiner Lkw-Sparte für die zweite Jahreshälfte auf ein schwierigeres Umfeld ein. "Wir können nicht mit Rückenwind aus den Märkten rechnen", sagte Daimler-Trucks-Chef Wolfgang Bernhard heute am Rande der Branchenmesse IAA Nutz in Hannover vor Journalisten. Zwar präsentiere sich der US-Markt mit einem erwarteten Wachstum von rund zehn Prozent im laufenden Jahr sehr stark. Zudem dürfte der nach Zulassungen weltweit größte Markt in China im laufenden Jahr etwa auf Vorjahresniveau liegen.

Doch zeige der Trend in anderen wichtigen Regionen derzeit nach unten. Alleine in Europa rechnet der Konzern mit einem Marktrückgang von "mindestens fünf Prozent". Neben der Ukraine-Krise schlage sich hier auch der Wechsel zur neuen Schadstoffnorm Euro 6 nieder. 2013 hatte die Änderung die Nachfrage nach alten, günstigeren Lkw beflügelt. Diese Vorzieheffekte haben im laufenden Jahr zu der zunächst erwarteten Flaute geführt. Doch sei die zum Halbjahr erhoffte Entspannung bislang ausgeblieben, sagte Bernhard. Zudem habe sich die Lage in Brasilien weiter verschlechtert. Dort stelle man sich inzwischen auf einen weiteren Marktrückgang von "mindestestens zehn Prozent" ein.

Angesichts dessen kündigte Bernhard einen weiteren Stellenabbau in Brasilien an. "Wir sind mit den Gewerkschaften im Gespräch, die Kapazitäten weiter anzupassen", sagte er auf eine entsprechende Nachfrage von www.boerse-online.de.

Bereits in den vergangenen hatte Daimler bei Mercedes-Benz do Brasil rund 2000 Stellen in gestrichen. Derzeit beschäftigen die Schwaben alleine am Standort in São Bernardo do Campo noch rund 10.000 Mitarbeiter. Das Werk im brasilianischen Bundesstaat São Paulo ist auf eine Jahreskapazität von 80.000 Lkw ausgelegt. Allerdings waren im Vorjahr gerade 34.000 Laster von den Bändern im Werk in São Bernardo gerollt. Nun plant der Konzern weitere Kapazitätseinschnitte.

Auf Seite 2: Bernhard bekräftigt Prognose

Ungeachtet der schwierigeren Lage bekräftigte Bernhard jedoch die Prognose fürs laufende Jahr. Danach peilt Daimler Trucks einen leichten Absatzzuwachs gegenüber dem Vorjahr an. Das operative Ergebnis solle jedoch "signifikant über dem Vorjahr liegen". 2013 hatte Daimler 484.000 Nutzfahrzeuge verkauft. Das operative Ergebnis lag bei 1,63 Milliarden Euro. Zur Begründung verwies Bernhard in erster Linie auf das starke Geschäft in den USA. Dort arbeite man inzwischen vielfach an der Kapazitätsgrenze. Vor allem das neue Automatikgetriebe komme auf dem US-Markt hervorragend an. "Wir sind von dem Erfolg selbst etwas überrascht".

Um der ärgsten Engpässe in den Griff zu kriegen, wollen die Schwaben nun einen dreistelligen Millionenbetrag in die Getriebe- und Komponentenfertigung investieren.

Und die Hoffnung auf einen Schlussspurt zum Jahresende hat der Konzern ohnehin noch nicht begraben. Die vergangenen Messen in Hannover hätten gezeigt, dass die Kunden vielfach erst nach der IAA Nutz geordert hätten. "Auf diesen Impuls", sagte Bernhard, "hoffen wir dies Mal auch."

Auf Seite 3: Einschätzung der Redaktion

Einschätzung der Redaktion

Daimlers Nutzfahrzeug-Geschäft ist riesig. Alleine im Vorjahr steuerte die Sparte um Mercedes-Benz, Freightliner, Western Star, Fuso und Co. knapp 27 Prozent zum Konzernumsatz von rund 118 Milliarden Euro bei. Im laufenden Jahr ist Daimler Trucks zwar bislang ordentlich unterwegs. Doch die Aussichten trüben sich allmählich ein. In Europa kommt die Nachfrage nach dem Wechsel zu Euro 6 bisher nicht in Schwung. Zudem wird die Lage in Brasilien immer schwieriger. Von daher mag die Hoffnung von Daimler Truckchef Wolfgang Bernhard auf anziehende Orders nach der IAA genau das sein - ein Hoffnungswert, mehr nicht.

Aktionäre müssen sich davon dennoch nicht ins Bockshorn jagen lassen. Denn erstens trügen nicht alle Hoffnungen und zweitens kommt’s bei der Kursentwicklung der Daimler-Aktie ohnehin vor allem auf die Autosparte an. Und da sieht es bislang sehr ordentlich aus. Bei der vor gut einem Jahr gestarteten S-Klasse kommen die Stuttgarter bislang offenbar weiter ohne Rabatte aus, die E-Klasse ist nach dem Facelift wieder in der Spur und die neue C-Klasse ein Hit. Zwar dürfte die angespannte Lage in Russland auch das Pkw-Geschäft der Marke mit dem Stern belasten. Dafür läuft es aber vor allem in den USA blendend.

Wir haben im Juli per Chartalarm vor einer Korrektur bei der Daimler-Aktie gewarnt. Danach kam das Papier ordentlich unter die Räder. Inzwischen hat die Aktie zwar wieder einen Boden gefunden. Und mit einem 2015er KGV von 9,2 ist der Wert weiter günstig. Wir würden vor einem Neueinstieg aber noch die Q3-Zahlen abwarten.